Die russischen Behörden hätten offen zugegeben, Kinder aus besetzten Gebieten der Ukraine zur Adoption an russische Familien auf eine Weise zu vermitteln, die einen Verstoß gegen die Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes darstellen könnte, berichtet die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) in Washington Mitte Oktober.
Zudem habe der russische Vizeregierungschef Marat Chusnullin am 14. Oktober erklärt, dass "mehrere Tausend" Kinder aus der Oblast Cherson im Südosten der Ukraine "bereits in anderen Regionen Russlands in Erholungsheimen und Kinderlagern untergebracht sind".
Russland betreibe „ethnische Säuberung“
Möglicherweise betrieben die russischen Behörden darüber hinaus eine umfassendere Art der ethnischen Säuberung, indem sie ukrainisches Gebiet durch Deportationen entvölkern und ukrainische Städte mit ins Land gebrachten russischen Bürgern neu besiedelten, schrieb das ISW weiter. Ethnische Säuberungen sind den Experten der Denkfabrik zufolge an sich nicht als Verbrechen im Sinne des Völkerrechts definiert.
Sie seien aber von der Expertenkommission der UNO für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im ehemaligen Jugoslawien unter anderem definiert worden als "ethnische Homogenisierung eines Gebiets durch Anwendung von Gewalt oder Einschüchterung, um Angehörige bestimmter Gruppen aus dem Gebiet zu vertreiben".
Vereinte Nationen berichten von "Filtercamps"
Schon im September warfen die Vereinten Nationen Russland vor, die Menschen im Kriegsgebiet in Deportationslager, sogenannte Filtercamps, zu zwingen, um sie dann gegen ihren Willen nach Russland oder in russisch besetzte Gebiete der Ukraine zu bringen.
Bis zu 2,5 Millionen Ukrainer:innen verschleppt
Schätzungen zufolge seien zwischen 900.000 und 1,6 Millionen Menschen aus ihren Heimatorten deportiert worden, sagte US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield vor mehr als eineinhalb Monaten bei einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York. Eine unabhängige Bestätigung solcher Zahlen im Kriegsgebiet ist jedoch kaum möglich. Die ukrainische UNO-Delegation macht sogar geltend, dass bis zu 2,5 Millionen Menschen aus dem Süden und Osten des Landes deportiert worden seien, oft in weit entfernte Regionen Sibiriens oder im entlegenen Osten Russlands.
Kinder von Eltern getrennt
Norwegens UNO-Botschafterin Mona Juul sprach von einer "wachsenden Zahl an unabhängigen Informationen", die auf Menschenrechtsverstöße in diesen Lagern hinwiesen. Das UNO-Menschenrechtsbüro in New York verwies auf glaubwürdige Berichte, wonach ukrainische Kinder von ihren Eltern getrennt und nach Russland deportiert würden, damit sie dort schnell eingebürgert und zur Adoption freigegeben werden könnten.
Russland weist Beschuldigungen zurück
Russland weist alle Beschuldigungen zu den "Filtercamps" zurück. "Wir verstehen nicht wirklich, worüber hier gesprochen wird", sagte der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja. Der Begriff "Filtration" sei nicht klar definiert und Einrichtungen, in denen Ukrainer ihren Willen zum Auswandern nach Russland ausdrücken könnten, seien normal. Danach könnten sie frei in Russland leben und das Land jederzeit wieder verlassen. Viele Menschen würden vor einem "ukrainischen Regime" fliehen wollen, das seine Bürger als menschliches Schutzschild missbrauche, meinte Nebensja.
US-Sanktionen gegen Kinderschutzbeauftragte
Gegen eine Kinderschutzbeauftragte, die verdächtigt wird die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland zu beaufsichtigen, haben die USA nun Sanktionen verhängt. Maria Alexejewna Lwowa-Belowa sei verantwortlich für die Zwangsadoption ukrainischer Kinder durch russische Familien, Gesetzesänderungen zur Verleihung der russischen Staatsangehörigkeit an ukrainische Kinder und die gezielte Verschleppung ukrainischer Kinder durch russische Truppen, erklärte die US-Regierung.
(Quelle: apa)