Wrabetz' 119-seitiges Bewerbungskonzept für den Posten des ORF-Generaldirektors trägt denn auch den Titel "#ORF2021 - Der ORF als Leitmedium im digitalen Zeitalter". Zu diesem Zweck plant der ORF-Chef im Falle seiner Wiederwahl die Installierung eines Chief Digital Officer in der Generaldirektion, quasi eine Art Online-Direktor ohne Direktion. Dieser soll sich um die Online-Strategie, neue Medien, Business Development sowie die Entwicklung neuer digitaler und mobiler Kanäle sowie App-Angebote kümmern.
Für ORFeins plant der Generaldirektor eine Neupositionierung. US-amerikanische Kaufware soll reduziert, das Österreich-Programm ausgebaut werden. Zugleich sieht Wrabetz' Konzept eine massive Stärkung der Info-Säule von ORFeins vor. Eine neue News-Show - Arbeitstitel "@1" - soll als "Info-Flaggschiff" von ORFeins realisiert werden, bis zu 60 Minuten lang, stark auf Hintergrundberichte, internationale Themen und Online-Vernetzung ausgerichtet. Mit ORFeins-to-go soll zugleich ein non-lineares Angebot für die Mobile- und Social Media-Nutzung entstehen. Darüber hinaus soll ein neues crossmediales Format für Medienkompetenz entwickelt werden, und ORFeins soll ein "Medienlabor" bekommen, "ein Entwicklungslabor für Info- und Infotainment-Formate bis zur Pilotreife unter aktiver Einbeziehung der Millennial-Generation", so Wrabetz.
Auf ORF 2 plant der ORF-Chef die neue Doku-Reihe "Österreich 4.0 - Zukunft für Europa" sowie ein monatliches Geopolitik-Diskussionsformat mit ORF-Korrespondent Raimund Löw. Zudem beinhaltet das Konzept des Generals die neue Bundesländer-Quiz-Show "Zu Gast in Österreich". In Sachen Frühstücksfernsehen soll es eine bessere Verzahnung der Info-Strecken und der "Guten Morgen Österreich"-Inhalte geben. Beim Kulturspartensender ORF III möchte Wrabetz das Budget von 13 auf 20 Millionen Euro erhöhen. Ziel: Mehr junge Kultur, mehr Live-Events, Ausbau der Wissenschaft, und im Bedarfsfall soll ORF III künftig auch stärker als Breaking-News-Plattform dienen.
Auf ORF Sport+ würde Wrabetz gerne mehr Premium-Sport zeigen, insgesamt hält der ORF-Chef im Sport die Rechte-Teilung mit anderen österreichischen Sendern für ausbaufähig. Einen weiteren ORF-Kanal - ein Strategiepapier des ORF sieht etwa ORF 5 als Bundesländer-Archiv-Kanal vor - hält er für "derzeit nicht realisierbar". Allein die Genehmigung würde mehrere Jahre dauern, und die Kosten dafür seien in ORF III besser investiert.
Die Bereiche Information und Unterhaltung sollen laut Wrabetz generell ausgebaut werden: Neue Diskussions- und Talk-Formate, die Erweiterung des Korrespondentennetzes nach Afrika, neue Comedy- und Satire-Entwicklungen sowie die Teilnahme am EBU-Projekt einer neuen internationalen Eurovisions-Unterhaltungsshow werden im Konzept als Beispiele angeführt. Das Konzept beinhaltet insgesamt 62 neue Programmideen. Ö1 soll mittels Relaunch weiterentwickelt werden, das Radio Symphonie Orchester im Rahmen eines Projekts mit den Landesstudios auf Bundesländer-Tour geschickt werden.
Strategisch will Wrabetz dem ORF eine Channel-Struktur verpassen. Neben Ö3, FM4 und ORF III sollen auch ORFeins, ORF 2 und Ö1 eigene Channel-Manager bekommen. "Neben einem verantwortlichen Channel-Manager wird es auch channel-bezogene Redaktionen und Channel-Chefredakteure geben, die direkt an den Channel-Manager und nicht an eine zentrale Info-Instanz berichten", erklärte Wrabetz. "Am Ende dieses Strukturierungsprozesses gibt es einen Chefredakteur für ORFeins, ORF 2, ORF III, Ö1, Ö3, und ORF On." Die bisherigen aktuellen Informationsbereiche in Fernsehen und Radio (FD1 und HD1) würden damit auf die Channels aufgeteilt. Organisatorisch sollen die Channels beziehungsweise Channel-Manager "schrittweise und in der Endausbaustufe" in der Generaldirektion angesiedelt sein.
Bei den Direktionen plant Wrabetz vorerst weiter mit einem eigenen Radiodirektor. Weiters möchte er die Geschäftsbereiche Programmdirektion, Kaufmännische Direktion und Technische Direktion ausschreiben. Punkto Finanzdirektion schwebt Wrabetz eine "Fokussierung auf Erlösmanagement" vor. Und er stellt die Prüfung einer Dezentralisierung der Programmwirtschaft in Aussicht. Mögliche Kandidaten für die verschiedenen Direktionen hat Wrabetz bereits "im Kopf, ich habe aber noch nicht in allen Bereichen fix entschieden".
Die gesetzlich vorgesehene Alleingeschäftsführung des Generaldirektors lässt sich laut Wrabetz durch den ORF nicht aushebeln, auch er schlägt aber eine Geschäftsordnung mit mehr kollegialer Führung vor. "Wesentliche Entscheidungen sollen vom 'Board' der Direktoren gemeinsam getroffen werden. Das Zustandekommen von Entscheidungen und Abstimmungen wird protokolliert, abweichende Meinungen werden festgehalten. Der Generaldirektor hat ein Dirimierungsrecht, bei Gebrauch soll es dem Stiftungsrat offengelegt werden. Entlang dieser Prinzipien werde ich dem Stiftungsrat bis Jahresende eine Geschäftsordnung vorlegen", erklärte der ORF-Chef.
Die Rechte der Redakteure sollen durch ein sogenanntes 360-Grad-Feedback für Führungskräfte gestärkt werden. "Wenn jemand nachhaltig sehr schlechte Beurteilungen bekommt, dann ist auch eine Veränderung in der Position möglich", so Wrabetz.
Bei Politik und anderen Medien-Playern will sich der ORF-Chef für geänderte Rahmenbedingungen einsetzen. Ziel sei es, "mehr Bewegungsfreiheit" im non-linearen Mobile- und Social Media-Bereich zu bekommen. Wrabetz strebt eine "Öffnung der Archive" und damit die Streichung der 7-Tage-Catch-Up-Regelung in der ORF-TVthek sowie die Umstellung der Streaming-Plattform Flimmit auf ein öffentlich-rechtliches Angebot an. Um ORF-Anliegen besser zu kommunizieren, sollen zugleich Townhall-Meetings mit der Bevölkerung stattfinden.
(Quelle: salzburg24)