Nach dem Erdbeben in Marokko ist die Zahl der bestätigten Toten auf 2.497 gestiegen. Laut Innenministerium wurden mindestens 2.476 Menschen verletzt. In den Katastrophengebieten läuft die Suche nach Hunderten von Vermissten auf Hochtouren. Während die Menschen die dritte Nacht in Folge aus Angst vor weiteren Nachbeben in den Straßen von Marrakesch und anderen Orten verbrachten, wollten Soldaten mit Unterstützung ausländischer Hilfsteams in entlegene Bergdörfer vordringen.
Suchhunde und Bulldozer im Einsatz
Mit Bulldozern müssen in dem zerklüfteten Gelände Straßen von Erdrutschen befreit werden, damit Krankenwagen durchkommen, wie die Online-Zeitung "Morocco World News" berichtete. Großbritannien ist mit 60 Such- und Rettungsexperten sowie vier Suchhunden in Marokko, um die Einsätze zu unterstützen, teilte der britische Botschafter Simon Martin auf der Social-Media-Plattform X (vormals Twitter) mit. Auch eine Spezialeinheit des spanischen Militärs mit Suchhunden beteiligt sich an den Bergungsarbeiten.
Hilfsangebot auch aus Österreich
Obwohl auch andere Länder, darunter Österreich und Deutschland, Hilfe angeboten haben, nahm Marokko zunächst nur von vier Staaten Unterstützung an. Das Innenministerium hatte am späten Sonntagabend erklärt, die Behörden hätten eine genaue Bewertung der Bedürfnisse vorgenommen. Dabei sei berücksichtigt worden, dass ein Mangel an Koordinierung zu nachteiligen Ergebnissen führen würde, meldete die marokkanische Nachrichtenseite Hespress. Daher habe man zunächst "auf die Unterstützungsangebote der befreundeten Länder Spanien, Katar, Großbritannien und Vereinigte Arabische Emirate reagiert".
Wettlauf gegen die Zeit
Für die Einsatzkräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Experten geben einen Richtwert von 72 Stunden an, in denen ein Mensch höchstens ohne Wasser auskommen kann. In diesem Zeitfenster nach einem Erdbeben bestünden "gute Chancen, Lebende zu finden und zu retten", sagte Walter Hajek vom österreichischen Roten Kreuz im Ö1-Mittagsjournal. Auch darüber hinaus würden Suchmaßnahmen sehr oft weitergeführt. "Es obliegt dann der lokalen Zivilschutzbehörde, diese Entscheidung zu treffen", so Hajek. Die Helfer stünden aktuell vor einer doppelten Belastung: Neben der Suche und Rettung von Verschütteten gelte es, die Überlebenden zu versorgen und zu betreuen, "viele 10.000 Menschen", so der Experte, die jetzt untergebracht werden müssen, die Angehörige und ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben.
Kein Unterricht in einigen Regionen Marokkos
Unterdessen hat Marokkos Erziehungsministerium den Schulunterricht in 42 Dörfern in den am schwersten betroffenen Regionen ausgesetzt. Nach bisherigen Erkenntnissen des Ministeriums befinden sich unter den Todesopfern sieben Lehrkräfte sowie 39 weitere Menschen. Mindestens 530 Erziehungseinrichtungen seien beschädigt worden.
Schlimmstes Erdbeben seit Jahrzehnten
Das Beben vom späten Freitagabend war das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko. Es hatte eine Stärke von 6,8. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten betroffen.
Die Regierung kündigte einen Sonderfonds für die notleidende Bevölkerung an. Zur Höhe gab es zunächst keine Angaben. Er solle sich aus Geldern öffentlicher Einrichtungen und freiwilligen Beiträgen des Privatsektors zusammensetzen. Zur medizinischen Versorgung der mehr als 2.000 Verletzten seien neben den ortsansässigen Krankenhäusern und Ambulanzdiensten mehr als 1.000 Ärzte sowie 1.500 Krankenschwestern und Pfleger mobilisiert worden.
Frankreich unterstützt mit 5 Mio. Euro
Frankreich unterstützt den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in dem Land mit fünf Millionen Euro, sagte Außenministerin Catherine Colonna am Montag in Paris dem Sender BFMTV. Auf das Angebot, Rettungskräfte zu schicken, war Marokko zunächst nicht eingegangen. Dies sorgte in Frankreich, wo zahlreiche Marokkaner leben, für Diskussionsstoff. Dass Spannungen zwischen beiden Ländern dafür der Grund sein könnten, wies Colonna zurück.
"Die letzten Nächte in Marokko waren schrecklich. Hunderte Menschen schlafen auf der Straße oder liegen mit Decken in Parks, weil sie Angst haben, nach Hause zu gehen. Die Menschen sind erschöpft. Neben den enormen physischen Verwüstungen wiegt vor allem auch der emotionale Schaden, der von dem erlebten Grauen und der ausgestandenen Angst verursacht wurde, sehr schwer", sagte Hlima Razkaoui, Generalsekretärin der NGO Care Marokko. "Es ist jetzt wichtig, die Menschen nicht nur mit humanitärer Hilfe wie Nahrung, Wasser, Unterkünften und Hygieneartikel zu unterstützen, sondern auch psychologisch."
Großer Bedarf an Hilfsgütern
Der Bedarf an Hilfsgütern in der Bebenregion im Atlasgebirge ist groß. Laut marokkanischem Roten Halbmond fehlt es an Unterkünften, Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser. Das österreichische Rote Kreuz könnte mit WASH-Tools ("Water, Sanitation and Hygiene Promotion") helfen, sollte Unterstützung angefordert werden, sagte ÖRK-Generalsekretär Michael Opriesnig.
Laut dem österreichischen Außenministerium halten sich in Marokko aktuell rund 130 registrierte Reisende aus Österreich (Stand Montagvormittag) auf - die Zahl der Urlauberinnen und Urlauber, die sich registrieren, ist also wie meist nach solchen Ereignissen etwas angestiegen. "Wir haben glücklicherweise weiterhin keine Infos dazu, dass jemand von ihnen verletzt wurde", sagte eine Sprecherin auf APA-Anfrage
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(Quelle: apa)