So hat man das populärste Werk der Operngeschichte tatsächlich noch nie gesehen: Die Königin der Nacht als rachsüchtige Spinne, Sarastro als Anführer eines Klubs von greisen und weisen Männern mit langen Bärten und hohen Zylindern, Papageno als Buster Keaton, Monostatos als Nosferatu, Pamina als 20er-Jahr-Girl mit charakteristischem Kurzhaarschnitt und alle zusammen als lebendige Protagonisten einer Mischung aus Stumm- und Trickfilm, in der die Mechanik ineinandergreifender Zahnräder ("Metropolis" lässt grüßen) das Pulsieren echten Blutes weitgehend ersetzt und fliegende rosa Elefanten den Sieg der Liebe bringen.
Der Australier Barrie Kosky, 2001 bis 2005 Intendant des Wiener Schauspielhauses und seit 2012 höchst erfolgreicher Opern-Intendant in Berlin hat den Erfolg der Inszenierung, die im November 2012 Premiere hatte und bereits in Lizenz an der Deutschen Oper am Rhein, in Los Angeles und in Minnesota gezeigt wird, mit dem "Simpsons-Effekt" erklärt: eine Inszenierung, die allen Spaß macht - Erwachsenen und Kindern. Tatsächlich ist diese "Zauberflöte" nicht nur mit vielen Schau-Effekten, sondern auch einigem Augenzwinkern ausgestattet. Für Opern-Puristen ist sie nichts. Die Dialoge werden durch die typischen Stummfilm-Textinserts ersetzt (was freilich auch den Vorteil bietet, Gedanken sichtbar machen zu können), die zu - ebenfalls von Mozart stammender - Hammerklavier-Begleitung eingeblendet werden.
Im Gegenzug freilich erhält man ein wahrlich einmaliges Schau-Erlebnis. Kosky hat mit der britischen Gruppe "1927" rund um Suzanne Andrade und Trick-Zeichner Paul Barritt zusammengearbeitet, die Salzburger Festspielbesucher bereits von ihren Produktionen "The animals and children took to the streets" und "Golem" kennen. Das Ineinandergreifen von gezeichneten Animationen und Live-Spiel ist in der "Zauberflöte" perfektioniert. Eine präzise Technik produziert überwältigende Fantasiewelten, bei denen Bewegung vorwiegend in der Projektion stattfindet: Die Sänger sind meist buchstäblich festgeschnallt, agieren sie doch häufig von kleinen Drehtüren aus, die in mehreren Metern Höhe in der glatten Projektionswand angebracht sind (Ausstattung: Esther Bialas).
Es gibt unendlich viel zu sehen, von wuchtigen, starken Bildern wie bei der Feuer- und Wasserprobe bis zu liebevollen Details wie Pagagenos schwarzer Katze oder jenen roten Herzen und plappernden Mündern, die immer wieder flächendeckend die Szene bevölkern. Dass man sich in diesen über zweieinhalb Stunden mehr aufs Schauen als aufs Zuhören konzentriert, macht ausnahmsweise nichts. Denn für den musikalischen Teil wird diese "Zauberflöte" nicht in die Operngeschichte eingehen.
Die Estin Kristiina Poska, Erste Kapellmeisterin an der Komischen Oper, dirigiert das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich und den Arnold Schoenberg Chor. Sie stellen quasi den Heim-Anteil dieser Gastspiel-Produktion, die mit einem 52-köpfigen Team angereist ist. Am Ende gab es viel Jubel um eine außergewöhnliche Inszenierung, die nur noch am Sonntag in St. Pölten zu sehen ist, dafür im Oktober gleich fünf Mal am Spielplan der Komischen Oper Berlin steht.
(Quelle: salzburg24)