Finanzloch bei ÖGK

Ärztekammer richtet fünf Forderungen an künftige Bundesregierung

Bei einem Presstermin am Freitag in Salzburg richtete die Ärztekammer fünf Forderungen zum Gesundheitssystem an die künftige Bundesregierung.
Veröffentlicht: 21. Februar 2025 15:45 Uhr
Das riesige Finanzloch bei der Österreichischen Gesundheitskasse in Höhe von rund 900 Millionen Euro ruft die Ärztekammer auf den Plan: Gewarnt wird vor einer Versorgungskrise im Gesundheitssystem. Bei einer Pressekonferenz am Freitag in Salzburg wandte sich die Ärztekammer mit fünf Forderungen an die künftige Bundesregierung.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ sind bereits weit fortgeschritten, auch beim Budget konnten sich die beiden Parteien bereits einigen. Angesichts eines Finanzlochs bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) von rund 900 Millionen Euro schlägt die Ärztekammer bei einem Pressetermin am Freitag in Salzburg Alarm und warnt vor einer drohenden Versorgungskrise.

"Zeit der politischen Lippenbekenntnisse ist vorbei"

Befürchtet wird, dass die Probleme in der Gesundheitsversorgung von der Politik nicht so ernst genommen werden, wie sie nach Ansicht der Ärztekammer tatsächlich sind. "Die Zeit der politischen Lippenbekenntnisse, das Gesundheitssystem zu verbessern, ist vorbei. Das Haus brennt lichterloh", warnt Dietmar Bayer, Obmann-Stellvertreter der Bundeskurie niedergelassene Ärzte.

Sollte weitergearbeitet werden wie bisher, "kommen wir sicher in eine sozialpolitische Zeitenwende, wo es dann schwierig wird, ein solidarisch finanziertes System aufrechtzuerhalten", warnt Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart. Mutige Reformen seien notwendig, um dem Gesundheitssystem "die Priorität einzuräumen, die ihm zusteht." Vermisst werde der entsprechende Druck auf die Regierung, die Bevölkerung hingegen sei besorgt.

Deshalb tritt die Ärztekammer mit diesen fünf Forderungen an die künftige Bundesregierung heran:

  1. Mehr Geld für die Gesundheitsversorgung
  2. Kein Verkauf von Gesundheitseinrichtungen an private Investoren
  3. Mehr Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich
  4. Bürokratie abbauen
  5. Ärztemangel entgegentreten

Angesichts der aktuellen Krise im Gesundheitssystem dürfte nun kein Spargedanke aufkommen. "Seit 15 Jahren wird das System herunter gespart. Es besteht hier eine Bringschuld der Politik, zu investieren", so Steinhart. Grund dafür sei eine wachsende und zugleich älter werdende Gesellschaft. Die Diagnosen seien spezifischer und die Therapien anspruchsvoller geworden. Auch die Wirtschaftskrise wirke sich auf die Gesundheit der Menschen aus. "Die Menschen sind kränker in schlechten Zeiten, nicht gesünder." Deshalb seien nun Investitionen notwendig.

Kein Verkauf an private Investoren

Um Budgetlöcher zu stopfen, dürften Gesundheitseinrichtungen nicht an private Investoren verkauft werden. Man müsste sich dann mit Profitmaximierung und Konzerninteressen herumschlagen, was sich negativ auf die Gesundheitsversorgung auswirken würde. "Wir haben Länder in Europa, wo das deutlich vertreten wird und da sehen wir, wie versucht wird, wieder zurückzurudern", so der Ärztekammer-Präsident und verweist dabei auf Deutschland.

Attraktivierung des niedergelassenen Bereichs

Als dritter Punkt wird eine Attraktivierung der niedergelassenen Kassen-Ärztinnen und -Ärzte gefordert. Hier sei es schwer, Interessent:innen zu finden. In Österreich würden aktuell 300 Kassenarztpraxen fehlen. Sollte der stationäre Bereich durch den niedergelassenen Bereich entlastet werden, wie das oftmals angedacht wird, würden 1.000 zusätzliche Ordinationen benötigt. "Um junge Kolleginnen und Kollegen dorthin zu bekommen, brauchen wir eine massive Motivationskampagne. Die Kassenarzttätigkeit muss von der Gestaltung, der Finanzierung und der Leistungserbringung her attraktiv sein", fordert Steinhart.

Außerdem müsse die Bürokratie abgebaut werden. Der derzeitige bürokratische Aufwand sowohl bei den Kassen- als auch Spitalsärzt:innen raube zum einen viel Zeit, die besser bei den Patient:innen verbracht würde. Zum anderen wirke sich die Bürokratie negativ auf die Arbeitszufriedenheit aus.

Maßnahmen gegen Abwanderung von Ärzt:innen

Zudem gelte es, dem Ärztemangel entgegenzutreten, der sich durch den Abgang der Hälfte der derzeit aktiven Ärzt:innen in den Ruhestand in den nächsten Jahren noch weiter zuspitzen dürfte. In Österreich gebe es zwar rein rechnerisch genügend Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums. 30 Prozent der Absolvent:innen würden allerdings nicht in Österreich "versorgungswirksam" werden, sondern teilweise ins Ausland abwandern. "Wir sollten nicht Mediziner für das Ausland produzieren. Bis jetzt beginnende Studierende versorgungswirksam werden, vergeht in der Regel ein Jahrzehnt. Wir brauchen also zeitnah eine Lösung", warnt Steinhart.

Ärztekammer fordert Reformen bei ÖGK

Angesichts der enormen Schulden von 900 Millionen Euro bei der ÖGK drängt auch Edgar Wutscher, Vizepräsident der Ärztekammer, auf Reformen. "Die Lösung kann nicht sein, dass die Politik nun einfach eine Milliarde Euro zuschießt. Das löst das Problem nicht. Wir brauchen eine Systemänderung, eine Reform der Sozialversicherung – insbesondere der ÖGK." Von den Ärzt:innen werde eine Vereinheitlichung gefordert, die bei der Sozialversicherung noch nicht existiere. "Ein Transportschein in Salzburg ist ganz anders auszufüllen als ein Transportschein in Tirol. Die Arzneimittelbewilligung funktioniert in einem Bundesland ganz anders als in einem anderen. Da herrscht Chaos", führt Wutscher weiter aus.

Zur Attraktivierung der Kassenmedizin brauche es flexiblere Verträge, moderne Arbeitsformen, die Umsetzung des einheitlichen Leistungskataloges der Ärztekammer, bessere Vereinbarkeit von Familie und Kassenvertrag. "Das sind nur einige Maßnahmen, die die ÖGK ins 21. Jahrhundert bringen können." Zudem müssten Gründe für das ausufernde Minus aufgearbeitet und Konsequenzen – auch im Management – gezogen werden.

ÖGK: Versicherten nicht unnötig Angst machen

Die Antwort der ÖGK ließ am Freitag nicht lange auf sich warten. "Die Ärztekammer veranstaltet bald wöchentlich Pressekonferenzen, um das österreichische Gesundheitswesen schlecht zu reden. Es ist nicht verantwortungsvoll, den Versicherten unnötig Angst zu machen", ließ ÖGK-Vorsitzender Peter McDonald in einer Aussendung wissen. Er lade die Ärztekammer lieber zum direkten Dialog, statt Positionen über die Medien ausgerichtet zu bekommen.

(Quelle: salzburg24)

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