Drei Komplexe

Amtsmissbrauchs-Prozess gegen Ex-BVT-Beamte gestartet

Prozess-Auftakt gegen mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien am Dienstag, 18. Oktober 2022, im Straflandesgericht Wien. Im Bild: Schild zum Großen Schwurgerichtssaal.
Veröffentlicht: 14. April 2023 14:22 Uhr
Am Wiener Landesgericht hat am Freitag der Amtsmissbrauch-Prozess gegen vier frühere Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und einen im maßgeblichen Zeitpunkt hohen Vertreter des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA) begonnen.
SALZBURG24 (mem)

Der Prozess startete ohne den ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin W., er soll aufgrund einer Erkrankung nicht verhandlungsfähig sein, geht aus einem Befund und einem Patientenbrief hervor.

Verfahren gegen Martin W. ausgeschieden

Die Unterlagen dürften erst kurz vor der Verhandlung dem Gericht vorgelegt worden sein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragte darauf hin, man möge dem Verteidiger des Ex-BVT-Abteilungsleiters auftragen, binnen drei Tagen zu klären, wann bei Martin W. wieder Transport- und Verhandlungsfähigkeit gegeben sein wird und zur Klärung des medizinischen Sachverhalts einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Chirurgie, allenfalls der Inneren Medizin bestellen. Die Entscheidung darüber behielt sich der Senat vor. Das Verfahren gegen Martin W. wurde zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ausgeschieden, die Verhandlung mit den vier weiteren Angeklagten gestartet. Wann und ob überhaupt Martin W. in dieses wieder einbezogen wird bzw. werden kann, ist unklar.

Drei Komplexe bei Prozess gegen Ex-BVT-Beamte

Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer skizzierte den Schöffen dann in ihrem Eröffnungsvortrag die Anklage. Im Wesentlichen seien es drei Komplexe, wegen derer sich die Angeklagten zu verantworten hätten, alle in Zusammenhang mit dem Vorwurf, sie hätten einen General der syrischen Staatssicherheit in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen Asyl verschafft.

Syrischer General soll nach Österreich gebracht werden

Da wäre einmal die Zulassung zum Asylverfahren: Im März 2015 soll ein Beamter des BVT nach Israel gereist sein, um sich mit Vertretern des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad zu treffen. Die Geburtsstunde der Operation "White Milk". Ziel dieser Operation sei es gewesen, den General, der sich zum damaligen Zeitpunkt in Frankreich aufhielt und dort auch um Asyl angesucht hatte, nach Österreich zu bringen.

"Dazu braucht man aber natürlich auch jemanden im BFA (Anm: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl)", sagte die Oberstaatsanwältin mit Blick in Richtung des Fünftangeklagten. Dieser soll den Viertangeklagten, einen Martin W. und Bernhard P. unterstehenden BVT-Beamten beraten haben, wie der General in Österreich an Asyl kommen könnte.

Frankreich nicht informiert

Eigentlich wäre für sein Asylverfahren nämlich Frankreich zuständig gewesen, meinte Schmudermayer. Hätte Österreich sich an Frankreich gewandt, so hätten die Franzosen den General zurücknehmen müssen. Mit zwei Ausnahmen: Österreich kann ein Verfahren übernehmen, wenn der Antragssteller im Antragsland bedroht ist, nach derartiger Prüfung kann der Antragssteller ein sogenanntes "Selbsteintrittsrecht" erhalten. Die andere Möglichkeit für den General sei nur gewesen, dass Österreich es verabsäume, die französischen Behörden zu informieren. Das sei letztendlich auch geschehen - laut Anklage gezielt, man habe bewusst die Frist verstreichen lassen. Nachdem Frankreich auch zwei Monate nachdem der General nach Österreich gekommen war, nicht informiert wurde, wurde Österreich für das Verfahren zuständig. Das dürfte Plan der Angeklagten gewesen sein, betonte die Oberstaatsanwältin und verlas einen Chat des früheren BFA-Beamten an den Ex-BVT-Chefinspektor ( "Selbsteintritt ein wenig schwierig. Akt bleibt liegen").

Mossad soll General nach Österreich bringen

Dass der General überhaupt nach Österreich gelangte, dürfte nicht so einfach gewesen sein. So sollen Beamte des BVT Beamten des französischen Nachrichtendienstes DGSI eröffnet haben, den General nach Österreich zu bringen. Dieser durfte nach französischem Recht jedoch das Land gar nicht verlassen, so die Schmudermayer. Letzten Endes sollen Beamte des Mossad selbst ihn bis an die österreichische Grenze gebracht haben, wo ihn ein BVT-Beamter abgeholt und später ins Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen gebracht haben soll.

Dort "druckt er (der General, Anm.) ihr (gemeint: einer BFA-Beamtin, die das Asylinterview durchführte) ein G'schichtl" und erfinde eine Gefährdungslage in Frankreich, die es so nie gegeben habe, betonte Schmudermayer. Das BVT habe außerdem eine "Gefährderprognose", also eine Bestätigung dafür, dass er keine Gefahr für die innere Sicherheit Österreichs darstelle, ausgestellt.

Syrer erhält positiven Asylbescheid

Nur dreieinhalb Monate später erhält der Syrer tatsächlich einen positiven Asylbescheid. Obwohl Israel monatlich 5.000 Euro für ihn überwiesen habe, habe er dennoch Grundversorgung in Österreich erhalten, monierte Schmudermayer.

Ex-BVT-Beamte sollen Berichtspflicht verletzt haben

Als zweiten Komplex wirft die WKStA den angeklagten Ex-BVTlern vor, ihre Berichtspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien verletzt zu haben. Als sich im Jänner 2016 die CIJA, eine NGO zur Dokumentation von Kriegsverbrechen in Syrien, ans Justizministerium wandte und darlegte, dass dem General Kriegsverbrechen vorgeworfen würden, sollen Bernhard P. und der Viertangeklagte daneben gesessen sein, nicht aber offen gelegt haben, diesen zu kennen.

Außerdem sollen die Beamten wenige Monate nach Aufnahme des Verfahrens einen Mann vernommen haben, der im selben Gefängnis in Raqqa gearbeitet hatte wie der General und diesen kannte. "So etwas nennen wir einen Zeugen", die Staatsanwaltschaft sei darüber aber nie informiert worden, sagte Schmudermayer. Besagter Zeuge habe in Österreich - im Unterschied zum General - aber kein Asyl bekommen, da man ob seiner Vergangenheit "höchste Bedanken" gehabt habe.

Unrechtmäßige Ermittlungen gegen CIJA

Im letzten Anklagekomplex handle es sich um unrechtmäßige Ermittlungen gegen die Commission for International Justice and Accountability (CIJA), so die Oberstaatsanwältin: "Anstatt pflichtgemäß gegen den General zu ermitteln, ermitteln sie gegen die CIJA". So soll eine Beamte des BVT nach Den Haag geschickt worden sein, um dort Fotos des Sitzes der Organisation zu machen. "Wann krieg ich denn deine Touristenfotos aus Den Haag?", schrieb ihr Bernhard P.. Darüber seien aber nie die niederländischen Behörden informiert worden, der Ordner mit den Fotos sei nicht weitergegeben worden und ausschließlich für P. bestimmt, so die Oberstaatsanwältin.

"Das hat uns nicht egal zu sein", fasste Schmudermayer am Ende die Vorgangsweise des BVT zusammen. Das unrechtmäßige Verhalten der Angeklagten "untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden in Österreich. Das schadet der Republik."

(Quelle: apa)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken