Abbauprodukt von Unkrautvernichtern

Ewigkeitschemikalie TFA in österreichischen Lebensmitteln gefunden

Umweltschützer warnen vor der Verbreitung der schädlichen Substanz Trifluoracetat (TFA), die zunehmend in Lebensmitteln und Wasser nachgewiesen wird. (SYMBOLBILD)
Veröffentlicht: 04. Juni 2025 08:36 Uhr
Die Ewigkeitschemikalie Trifluoracetat (TFA), bekannt für ihre potenziell fortpflanzungsgefährdenden Auswirkungen, wurde in österreichischen Getreideprodukten und Wasser nachgewiesen.

Heutzutage sind Getreide, Wasser und Wein in Österreich mit der vermutlich fortpflanzungsgefährdenden Substanz Trifluoracetat (TFA) verunreinigt, sagte der Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden (Global 2000) Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz. Sie stamme von Unkrautvernichtungs- und Kühlmitteln (F-Gasen). Der Umweltschützer forderte Landwirtschafts-und Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) sowie Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) auf, diese zu verbieten.

TFA durch Unkrautmittel freigesetzt

TFA ist Abbauprodukt von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), die unter anderem in Unkrautvernichtungsmitteln als Wirk- und Beistoffe verwendet werden (und gehört selbst zu dieser Substanzklasse). Im Jahr 2021 habe der Pestizid-Hersteller Bayer die EU darüber informiert, dass TFA in Tierversuchen schwere Missbildungen bei Föten verursacht, sowie die Einstufung der Substanz als "vermutlich reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgefährdend, Anm.) beim Menschen" beantragt, so Burtscher-Schaden: "Die Substanz ist in der Umwelt extrem beständig und reichert sich im Wasser an."

Chemikalie in Wasser und Wein gefunden

Umweltschützer von Global 2000 fanden TFA im Vorjahr in Österreich im Leitungs- und Mineralwasser, sowie in Flüssen und dem Grundwasser. Heuer haben sie bereits Wein getestet und fanden in aktuellen Jahrgängen (2021 bis 2024) sogar bis zu hundertmal mehr TFA, als im Wasser. Die hohe Menge dieser Substanz im Wein "weist darauf hin, dass sich diese Substanz offenbar massiv in Pflanzen anreichert", hieß es damals.

Als Nächstes schickten die Global 2000 Leute nun 48 Getreideprodukte an ein steirisches, akkreditiertes Testlabor (namens Institut Dr. Wagner), das auf die Analyse von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln spezialisiert ist. Das waren Brot, Frühstücksflocken, Kekse, Nudeln, Mehl und ganze Körner etwa von Dinkel, Weizen, Roggen, Reis und Mais. Bei der Hälfte handelte es sich um Bio-Produkte, die anderen waren konventionell angebaut. Im Labor wurden sie alle auf TFA untersucht, und man wurde überall fündig.

In den Proben waren durchschnittlich 119 Millionstel (Mikro) Gramm pro Kilogramm, so Burtscher-Schaden. Das ist ähnlich wie bei Wein mehr als hundertmal so viel wie im Oberflächen-, Grund- und Leitungswasser, und 400 mehr als im Regenwasser. Die hohen TFA-Mengen in den Getreidepflanzen könnten demnach nicht nur aus dem Wasser stammen, das sie konsumieren. "Vielmehr deuten sie auf eine bereits weit verbreitete Kontamination (Verunreinigung, Anm.) der landwirtschaftlichen Böden hin", sagte der Experte.

TFA auch in Bio-Getreideprodukten gefunden

"Konventionelle Erzeugnisse waren im Mittel dreimal höher belastet als Erzeugnisse aus biologischer Landwirtschaft", berichtete er. Der Unterschied wäre wohl damit zu erklären, dass biologisch bewirtschaftete Böden nicht mit PFAS hältigen Pestiziden (Unkrautvernichtungsmitteln) behandelt werden, die zu TFA zerfallen. Dass trotzdem formidable Mengen davon in Bio-Getreideprodukten sind, hänge wahrscheinlich an der großen Mobilität des TFA-Moleküls per Wind und Wasser, meint Burtscher-Schaden.

"In niederschlagsreichen Jahren gelangen in Österreich über den Regen rund elf Tonnen TFA auf landwirtschaftliche Flächen", rechnete er vor: "Demgegenüber stehen derzeit jährlich rund hundertzehn Tonnen aufgebrachter PFAS-Pestizide, die nach ihrem Lebenszyklus etwa 40 Tonnen TFA in die Umwelt freisetzen."

Ob die TFA-Mengen in den Getreideprodukten als "gesundheitsschädlich" einzustufen sind, hängt davon ab, wessen Richtwerte man heranzieht. Laut älterem Richtwert der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) könnte man Entwarnung geben. Laut neuerem Richtwert etwa aus dem wallonischen Teil Belgiens wäre die tolerierbare tägliche Dosis beim Verzehr der Getreideprodukte für Erwachsene um das Eineinhalbfache überschritten, für Kleinkinder um das Vierfache, so Burtscher-Schaden.

Nimmt man "die wohl bisher einzigen in der EU durchgeführte Untersuchung von Getreideerzeugnissen auf TFA aus dem Jahr 2016" zum Vergleich, habe sich die TFA Belastung seitdem verdreifacht, erklärte er weiters. Damals lag der Mittelwert, den ein Labor in Stuttgart (Deutschland) im Auftrag der EU-Kommission ermittelt hat, bei 48 Millionstel Gramm.

"Es besteht dringender Handlungsbedarf, weitere TFA-Emissionen in die Umwelt zu verhindern", hieß es. "GLOBAL 2000 appelliert eindringlich an die österreichische Bundesregierung, insbesondere Landwirtschafts- und Umweltminister Norbert Totschnig sowie Gesundheitsministerin Korinna Schumann, alle Pestizidprodukte mit PFAS-Wirkstoffen umgehend zu verbieten", sagte Burtscher-Schaden: "Ebenso muss die Regierung dem geplanten EU-weiten PFAS-Gruppenverbot zustimmen, das auch F-Gase aus der Kältetechnik einschließt."

Kritik an Global 2000 kam von der Interessengemeinschaft der Pflanzenschutzmittel-produzierenden Unternehmen (IGP) und der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ). Der Umweltschutzorganisation wurde eine "völlig einseitige, unseriöse Kampagne gegen die Landwirtschaft" (LKÖ) bzw. "fragwürdige NGO-Kampagnen, die in ein Wirkstoffsterben mündeten", vorgeworfen. "Wer behauptet, für Landwirte zu sein, sollte seinen Worten Taten folgen lassen und die systematische Diffamierung und Zerstörung der heimischen Landwirtschaft einstellen. Alles andere ist zynisch", sagte Christian Stockmar, Obmann der IGP. Global 2000 negiere "völlig, dass das mittlerweile viel größere Problem das Fehlen von Pflanzenschutzwirkstoffen und somit der Schutz der Ernten ist, weshalb immer mehr pflanzliche Kulturen aus dem österreichischen Anbau zu verschwinden drohen bzw. bereits verschwunden sind", kritisierte LKÖ-Generalsekretär Ferdinand Lembacher.

(Quelle: apa)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken