Nur virtueller Kontakt

Kein Besuchsrecht für Scheidungs-Kinder

Veröffentlicht: 19. März 2020 12:30 Uhr
Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus haben auch gravierende Auswirkungen auf tausende Scheidungskinder und ihre Eltern. Scheidungskinder müssen derzeit nämlich im Haushalt des betreuenden Elternteils bleiben und dürfen den zweiten Elternteil weder besuchen noch von diesem besucht werden, bestätigte die Sprecherin des Justizministeriums, Christina Ratz, am Donnerstag auf APA-Anfrage.

"Aufgrund der aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung darf das Kind den Haushalt des betreuenden Elternteils bis auf weiteres nicht verlassen", heißt es in einem Text, den das Justizministerium auch auf seiner Homepage veröffentlichen wollte. Auch ein Besuch des anderen Elternteils ist demnach nicht gestattet.

Kontakt während Coronavirus virtuell aufrechterhalten

"Der Kontakt soll stattdessen möglichst via Telefon, Videochat etc. aufrechterhalten werden", empfiehlt das Justizministerium. Die Maßnahmen beziehen sich somit nur auf den körperlichen Kontakt, nicht aber auf das Kontaktrecht an sich.

Nicht erziehenden Eltern von im Ausland lebenden Kindern empfiehlt die Bundesregierung ebenfalls, den Kontakt "ohne physische Begegnung" aufrecht zu erhalten. Zugleich wird betont: "Allfällige Ein- und Ausreisesperren ändern nichts an der familienrechtlichen Rechtslage." Wenn physische Kontakte nicht möglich seien, müsse der Kontakt nicht völlig abgebrochen werden und könne über Telefon, Videotelefonie oder Skype ausgeübt werden.

Rückführungen entführter Kinder weiter möglich

Rückführungen entführter Kinder seien weiterhin möglich, weil es sich um "dringende Angelegenheiten des Kindschaftsrechts" handle. "Inwieweit es allerdings faktisch möglich ist, die Rückführung in der Praxis umzusetzen, wenn Einreisesperren bestehen und Flugverbindungen reduziert werden, muss im Einzelfall geprüft werden."

Die Beantragung von Kindesunterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss bei Gericht sei ebenfalls weiterhin möglich. Wer einen Unterhaltstitel hat, kann den Vorschuss bis 30. April 2020 selbst dann gewährt bekommen, wenn zuvor kein Exekutionsantrag eingebracht worden sei. Nicht im Einsatz seien Besuchsbegleiterinnen, Kinderbeistände und Familienberatungsstellen, wobei aber auch hier technische Hilfsmittel wie Videokonferenzen zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte eingesetzt werden können.

Opposition kritisiert neue Regelung

Der politische Schulterschluss im Kampf gegen das Coronavirus wackelt: FPÖ und NEOS haben am Donnerstag Kritik am Besuchsverbot geübt. Die Maßnahme "schießt über das Ziel hinaus und muss dringend geändert werden", schrieb FPÖ-Chef Norbert Hofer in einer Aussendung. "Das ist nicht durchdacht und eine falsche Maßnahme", kritisierte Hofer. "Hier muss die Justizministerin eine Änderung der Bestimmungen veranlassen." Der FPÖ-Chef argumentierte, dass einige Kinder immer noch in Schulen seien und dort mit Menschen in Kontakt seien. "Am Nachmittag darf das Kind zum Spielplatz gehen und trifft womöglich auch dort auf andere Kinder und Elternteile - aber wenn der Vater des Kindes sein Besuchsrecht wahrnehmen und das Kind sehen will, dann ist das aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht mehr erlaubt."

Ähnlich äußerte sich der stellvertretende oberösterreichische Landeshauptmann Manfred Haimbuchner (FPÖ). "In dieser Krisensituation müssen wir Familienstrukturen stärken, statt sie zu schwächen." 

NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard warnte, dass "ein Quasi-Besuchsverbot bestehende Familienkonflikte verschärfen kann". Es sei zwar gut, dass die Regierung bei der Einschränkung von sozialen Kontakten auch in der Familie konsequent sei, "allerdings appelliere ich, dass das mit Augenmaß passiert. Dass Kinder von geschiedenen Elternteilen einen Elternteil nicht mehr sehen dürfen, ist ein gravierender Eingriff in die Rechte von Kindern."

(Quelle: apa)

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