FPÖ und ÖVP beginnen am Freitag offiziell die Koalitionsverhandlungen. Internationale Medien schreiben über die Regierungsbildung in Österreich und die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP:
"Forbes" (USA)
"Diese Entwicklung verdient aus vier Gründen Aufmerksamkeit. Österreich könnte das erste entwickelte, 'bisher unauffällige' europäische Land werden, in dem eine umstrittene rechtsextreme Partei an der Spitze der Regierung steht. Zweitens könnte die FPÖ kontroverse politische Maßnahmen wie Massenabschiebungen einleiten. Drittens besteht die Gefahr, dass sie sich mit anderen pro-russischen/rechtsnationalen Regierungen (vor allem Ungarn und der Slowakei) abstimmt, um die EU zu untergraben und einen kontroverseren Ton anzuschlagen. Schließlich könnte Österreich zu einem Einfallstor für russische Einmischung in Europa werden.
Große EU-Länder und die Europäische Kommission werden dies als Rückschritt betrachten. Österreich wird wahrscheinlich nicht mit Geldstrafen wie Ungarn konfrontiert werden, aber die sicherheitspolitische Zusammenarbeit wird sich verschlechtern."
"Bloomberg" (New York)
"Aber wie anstößig man die Geschichte und die Ideen der FPÖ auch finden mag, wenn die laufenden Koalitionsgespräche erfolgreich verlaufen und Kickl Bundeskanzler wird, gibt es weniger Anlass zu existenzieller Sorge als zu der Frage, was liberalere Parteien falsch gemacht haben und wie man die unabhängigen Institutionen bewahren kann, die freie Gesellschaften von unfreien unterscheiden. Das ist weltweit eine wachsende Herausforderung, denn der öffentliche Glaube an den einzigartigen Wert der Demokratie schwindet."
"The Economist" (London)
"Als eher zufällig an die Parteispitze gekommener Politiker hätte Kickl eher die Macht hinter dem Thron sein sollen als die Person, die darauf sitzt. Klein, bebrillt und langweilig, hat er sein Philosophiestudium und seinen Militärdienst nicht abgeschlossen. Statt in einem Wirtshaus ein Bier nach dem anderen hinunterzukippen und Schnitzel zu verzehren, trinkt der spindeldürre Herr Kickl lieber Wasser. (...)
Er hat die ÖVP gemahnt, 'keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage und keine Obstruktionspolitik' zu betreiben. Außerdem ist (ÖVP-Chef Christian) Stocker ein gewiefter Verhandlungsführer, der bei den Grundsätzen der Außen- und Sicherheitspolitik seiner Partei nicht leicht nachgeben wird. (...) Trotzdem wird die FPÖ laut Umfragen bei vorgezogenen Neuwahlen noch besser abschneiden. (...) Das sollten die ÖVP-Verhandler im Hinterkopf behalten."
"Süddeutsche Zeitung" (München)
"Man schaut ja in niemandes Hirn hinein, aber vielleicht ist es so, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl gar nicht Kanzler werden will; zumindest jetzt nicht. Vielleicht ist es auch so, dass der Bundespräsident Alexander Van der Bellen ihn aus der Partie zu nehmen hofft, indem er ihm den Auftrag gegeben hat - spekulierend, dass Kickl scheitern wird und ausreichend FPÖ-Wähler ihm dies übel nehmen.
Jedenfalls hat Kickl nach herkömmlichem mitteleuropäischem Ermessen rasch viel dafür getan, dass seine designierten Partner von der ÖVP eigentlich kaum anders können, als die Finger von einer Koalition mit ihm zu lassen. Sonst geben sich mögliche Partner vor Verhandlungen gern konziliant. Der Schafspelz ist das opportune Kleidungsstück für einen Wolf in der Anschleichphase. Der Wolf Kickl aber kommt umstandslos im Wolfspelz daher. Indem er von der ÖVP die 'Einsicht' verlangt, 'wer Fehler der Vergangenheit zu verantworten hat', verlangt er, dass die sich öffentlich klein macht; dass sie nicht als Partner, sondern als Büßer in die Gespräche mit ihm geht.
Sollte es hinter der väterlichen Stirn des Bundespräsidenten einen Sinn für Raffinesse geben, müsste man Van der Bellen für seinen Auftrag an den FPÖ-Chef womöglich gratulieren. Auf der Basis von Kickls Äußerung darf eigentlich niemand bei Verstand ein Bündnis mit diesem erwägen. Aber was weiß man schon, wie stark Selbstachtung in der ÖVP noch verbreitet ist."
"Berliner Zeitung"
"Jahrelang wurde der Chef der extrem rechten FPÖ in Österreich, Herbert Kickl, gedemütigt, verspottet, verachtet. (...) Er wurde ausgegrenzt, was sachlich zwar berechtigt war - immerhin hat die FPÖ über Jahre die Ausländer zu Sündenböcken erklärt und beispiellos hetzerische Kampagnen gefahren. Doch Kickls politische Gegner haben nicht erkannt, dass die Lösung einer Anti-Ausländer-Stimmung nicht darin bestehen kann, noch mehr Ausländer ins Land zu lassen. Österreich muss ein 18-Milliarden-Euro-Haushaltsloch stopfen und hat keine Spielräume mehr - weder für In- noch für Ausländer.
Nach dem Zusammenbruch der Brandmauer der anderen Parteien gegen die FPÖ hat Kickl am Dienstag eine Pressekonferenz gehalten, um vorzustellen, wie er den Auftrag zu Regierungsbildung mit der ÖVP auszufüllen gedenkt. Alle, die gedacht hatten, Kickl würde seinen oftmals brachialen Rhetorik-Stil etwas zügeln, sahen sich getäuscht (...).
Kickl sagte, es falle ihm nicht leicht, mit der ÖVP zu sprechen - zumal die ihn erst vor wenigen Jahren im Zug der Ibiza-Affäre aus dem Amt gejagt hatte. Die Rachegelüste waren in dem Statement nicht zu überhören. Und es ist durchaus vorstellbar, dass Kickl jetzt gar nicht Kanzler werden will, sondern auf Neuwahlen setzt. Angesichts des Komplett-Versagens aller anderen Parteien ist es nicht auszuschließen, dass die FPÖ weiter in Richtung 40 Prozent steigen könnte. Die Töne gegenüber der ÖVP hören sich jedenfalls als knallharte Erpressung an."
"Frankfurter Rundschau"
"Bei der Regierungsbildung in Österreich lässt Kanzleranwärter Herbert Kickl von der extrem rechten FPÖ keinen Zweifel daran, wer künftig das Sagen hat: Für die anstehenden 'Verhandlungen' fordert er de facto eine Unterwerfung der konservativen ÖVP, die nach ihrer Kehrtwende nun als Juniorpartner unter Kickl mitregieren möchte. (...)
Zugleich kündigte Kickl eine 'neue Ära' an mit einem 'kerngesunden Patriotismus'. Sollte sich die ÖVP ihm nicht unterordnen, drohte er unverhohlen: 'Ja dann war's das wieder, dann gibt's eben Neuwahlen.'
Dem FPÖ-Mann ist klar, dass er dann erneut zulegen würde. Ende September 2024 wurde die FPÖ mit 28,8 Prozent stärkste Partei im Nationalrat, jetzt liegt sie in den Umfragen bei 35. Österreich schwenkt massiv nach rechts (...)."
"Politico" (Online)
"Während Österreich kurz davor steht, seine erste weit rechts geführte Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg zu bilden, wird sich der unmittelbarste Konflikt zwischen Wien und Brüssel nicht auf Russland-Sympathien oder Anti-Migranten-Rhetorik konzentrieren. Stattdessen zeichnet sich ein Streit über die öffentlichen Ausgaben ab. Das Alpenland, das einst für seine Budgetdisziplin gelobt wurde, läuft Gefahr, von der Europäischen Kommission wegen übermäßiger öffentlicher Ausgaben zwischen 2024 und 2026 bestraft zu werden.
Um nicht von einem EU-Verfahren wegen exzessiven Budgetdefizits betroffen zu sein, muss Wien der Kommission nun bis zum 21. Jänner einen glaubwürdigen Plan zur Ausgabenkürzung vorlegen. Die Chancen, die Frist einzuhalten, werden davon abhängen, ob die Gespräche zwischen der weit rechts stehenden Freiheitlichen Partei (FPÖ), deren Vorsitzender Herbert Kickl als Favorit für das Amt des Bundeskanzlers gilt, und der konservativen Volkspartei (ÖVP) zu einer raschen Einigung führen. Ein weiteres Scheitern der Gespräche würde dazu führen, dass Österreich eine entscheidende EU-Frist für die Vorlage des Ausgabenkürzungsplans verpasst - und peinlicherweise im selben Topf wie das hoch verschuldete Italien und Frankreich landen würde."
(Quelle: apa)