"Schmähdeckel"

Massive Kritik am Mietpreisdeckel aus Salzburg

Veröffentlicht: 30. August 2023 14:16 Uhr
Zuerst abgelehnt, danach teils emotional diskutiert und nun von der Bundesregierung beschlossen: Der Mietpreisdeckel. Salzburgs SPÖ-Chef David Egger ortet einen "Schmähdeckel", Kay-Michael Dankl von der KPÖ Plus eine "Alibi-Aktion".
SALZBURG24 (KAT)

Der am Mittwoch vorgestellte Mietpreisdeckel ist Teil eines weiteren Anti-Teuerungspakets der österreichischen Bundesregierung. Konkret soll der Anstieg der Mieten für die kommenden drei Jahre auf maximal fünf Prozent beschränkt werden. Von der Bremse würden alle gesetzlich regelbaren Mietverhältnisse erfasst. Dazu zählen etwa Mietverhältnisse im geförderten Wohnbau sowie bei Kategorie- und Richtwertmieten. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach von 1,2 Millionen Verträgen, für die Entlastungen greifen werden. Laut den Grünen entspricht das drei Viertel aller Mietverhältnisse in Österreich. Regelrecht „begeistert“ zeigt sich die Klubobfrau der Grünen in Niederösterreich, Helga Krismer: „Endlich wird eine langjährige Forderung der Grünen umgesetzt“, freut sie sich in einer ersten Reaktion.

"Schlagzeilentaugliches Mietpreisdeckelchen"

Auf wenig Begeisterung stoßen die Maßnahmen hingegen beim Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). „Bestenfalls ein schlagzeilentaugliches Mietpreisdeckelchen“, kommentiert ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. „Das ist nicht mehr als ein erster Ansatz, aber viel zu wenig. Und bei Lebensmitteln und Energie, wo der Handlungsbedarf genau so groß ist, tut sich noch weniger. Die hohe Inflation kann man nicht in den Griff bekommen, wenn man so gut wie nichts gegen die großen Inflationstreiber unternimmt“, so Katzian weiter. ÖGB-Ökonomin Angela Pfister hält die Mietpreisbremse gar für einen „schlechten Scherz.“

Salzburgs Rote üben massive Kritik

Für Salzburgs SPÖ-Chef David Egger ist der türkis-grüne Mietpreisdeckel ein „Schmähdeckel“. Die Bundesregierung habe in den vergangenen beiden Jahren einen Anstieg der Mieten um 25 Prozent zugelassen. „Mittlerweile kann sich jeder Vierte das Wohnen kaum noch leisten und Menschen müssen oft mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Viele Salzburger:innen sind verzweifelt und haben Angst vor weiteren Mietpreiserhöhungen“, so Egger in einer Aussendung.

Geht es nach den Roten, so sollen die Mieten zwischen sechs und neun Prozent sinken. „Darüber hinaus sollen die Mieten in den nächsten beiden Jahren nicht mehr steigen und diese dann mit maximal zwei Prozent gedeckelt werden“, führt der SPÖ-Chef aus. „Besonders perfide ist, dass im Wohn-Hochpreis-Land Salzburg die türkis-grünen Pläne kaum Wirkung haben. Geförderte Mietwohnungen dürfen in Salzburg schon jetzt pro Jahr nicht um mehr als zwei Prozent teurer werden. Und vor allem: Der Bundes-Mietpreisdeckel gilt nicht für freie Mietverhältnisse. Das ist die größte Gruppe in Salzburg.“ Bis eine neue Wohnbauförderung in Salzburg am Tisch liegt, dauere es laut Angaben von FPÖ-Wohnbaulandesraut Zauner noch bis ins Jahr 2025, kritisiert Egger.

Bremse hat laut Dankl "null Effekt"

Enttäuscht von den Plänen der Bundesregierung ist Kay-Michael Dankl von der KPÖ Plus Salzburg. ÖVP und Grüne würden die privaten Mietwohnungen ausschließen, die seit dem Vorjahr um bis zu 16 Prozent teurer geworden seien. Bei Altbau- und Genossenschaftswohnungen liege die angekündigte fünf-Prozent-Grenze über der erwarteten Inflation von vier Prozent. Deshalb hätten die Maßnahmen „null Effekt“. „Das ist keine Mietenbremse, sondern eine Alibi-Aktion. So wird keine einzige überteuerte Miete gesenkt“, sagt Dankl. „Würde die Bundesregierung statt der Republik ein Auto lenken, würde sie mit Karacho an die Wand fahren, dann auf die Bremse steigen, in drei von vier Fällen ohne Wirkung, und den Totalschaden als Entlastung verkaufen.“

FPÖ fühlt sich kopiert

Bestätigt, aber auch kopiert fühlt sich die FPÖ: „ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer veranschaulicht auch beim Thema Wohnen, dass er die Forderungen der FPÖ übernimmt, weil der ÖVP selber nichts einfällt. Das war beim Bargeld so, das ist jetzt auch beim Wohnen so. Das Gute daran: Die Österreicher profitieren davon, und das ist gut so“, sagt FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Pressemitteilung. "Bei einer erwarteten Inflation von vier Prozent über einen Fünf-Prozent-Deckel zu reden, scheint der falsche Zeitpunkt", so das Urteil der NEOS.

Mietervereinigung sieht "ersten Schritt"

Kritik kommt von der Mietervereinigung. „Das kann nur ein erster Schritt sein, denn es ist keine Lösung für alle Mieter, es ist zu wenig und es kommt viel zu spät“, prangert Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ), in einer Aussendung an. „Wir brauchen eine echte Mietpreisbremse und kein Schmähpaket.“ Für den ungeregelten privaten Mietsektor, der rund 425.000 Haushalte in Österreich umfasse, bleibe die Regierung jede Lösung schuldig: „Hier wird die Teuerung weiterhin mit voller Wucht durchschlagen“, fürchtet Niedermühlbichler. Gerade im ungeregelten privaten Bereich würden aufgrund fehlender gesetzlicher Preisgrenzen die höchsten Nettomieten verlangt.

Anzeige für den Anbieter APA Infografik über den Consent-Anbieter verweigert

Für Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, ist der heute von der Regierung angekündigte Mietpreisdeckel eine überfällige Maßnahme. „Die Mietpreisbremse lag als Forderung schon lange am Tisch. Das Zögern der Regierung hat hunderttausenden Mieter:innen alleine für die Erhöhung im April diesen Jahres Mehrkosten von rund 162 Millionen Euro gekostet“, prangert Fenninger in einer Presseaussendung an. „Viele Menschen haben sich verzweifelt an die Volkshilfe gewandt, weil sie sich ihre Miete nicht mehr leisten konnten. Das ist auch eine enorme psychische Belastung für Familien. Gut, dass die Regierung spät aber doch handelt. Aber es müssen weitere, strukturelle und langfristig wirksame Maßnahmen gegen die Teuerungen folgen“, sagt Fenninger in einer ersten Stellungnahme.

Für die Expert:innen der Volkshilfe ist der avisierte Preisdeckel für Mieten allerdings zu hoch angesetzt. „Die Inflationsrate für das kommende Jahr wird mit vier Prozent prognostiziert. Auf den mittlerweile dramatisch hohen Mieten noch einmal eine Erhöhung von bis zu fünf Prozent zu setzen, ist eindeutig zu viel. Hier wäre eine Atempause für die Mieter*innen und ein Aussetzen von Mieterhöhungen für zumindest zwei Jahre eine effektivere Maßnahme, wenn die Politik will, dass sich Menschen das Leben leisten können sollen. Auch die Begrenzung auf zwei Jahre sollte überdacht werden, in Spanien wurde eine maximale Mieterhöhung von zwei Prozent pro Jahr dauerhaft eingeführt“, gibt Fenninger zu bedenken.

 

Mietpreisdeckel für Caritas nicht genug

Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich, berichtet in einer Aussendung davon, dass die Kosten rund um Wohnen, Heizen und Energie armutsbetroffene Haushalte in besonderer Weise belasten. „Wenn die Bundesregierung hier bei den Mieten dämpfend eingreifen will, halte ich das für einen wichtigen und richtigen Schritt. Diese Reform kommt spät. Doch besser spät als nie. Fraglich ist nur, ob die Maßnahme weitgehend genug ist und auch all jene Menschen umfasst, die diese Unterstützung dringend benötigen. Und klar ist auch: Auch eine Mietpreisbremse kann die längst überfällige Reform der Sozialhilfe nicht ersetzen.“

Ähnlich sieht das AK-Präsidentin Renate Anderl: „Endlich kommt die Bundesregierung in Sachen Mieten bremsen in die Gänge, allerdings zu spät und nicht ausreichend.“ Sie fordert weitere Maßnahmen, um die Menschen in diesen schwierigen Zeiten zu entlasten. Die Forderungen hier im Überblick:

  • Die ungeregelten Mieten (also außerhalb der Mietpreisüberprüfung) sollen ebenso gedeckelt werden, denn das seien die teuersten Mieten überhaupt.
  • Die 5 Prozent-Bremse soll auch rückwirkend für 2022 und 2023 umgesetzt werden. Die Kategorie-Mieten werden Ende dieses Jahres bereits um rund 24 Prozent gestiegen sein, die ungeregelten Mieten um rund 23 Prozent und die Richtwertmieten um rund 15 Prozent. Wenn das nicht umgesetzt wird, darf die zukünftige Erhöhung bei nur 2 Prozent pro Jahr liegen.
  • Mietpreisbremse soll umgehungssicher werden. Zur Erklärung: Nach der Erhöhung 2023 steht 2025 wieder eine Richtwerterhöhung an. Ohne Mietenbremse würde diese die Inflation 2023 und 2024 abbilden, also knapp 12 Prozent gemäß aktueller Prognosen. Wenn mit dieser Bremse dann 10,3 Prozent im Jahr 2025 zulässig sind – also zwei Mal um 5 Prozent – dann sei das nur Augenauswischerei.
  • Verbesserungen in Wohnpolitik und Wohnrecht, wie die Bekämpfung von Leerstand, öffentliche Grundstücke für geförderten Wohnbau, Regulierung von plattformbasierter Kurzzeitvermietung, Gebot zur unbefristeten Vermietung und ein Zurückdrängen der befristeten Verträge, um die Wohnsicherheit zu erhöhen.

Wie zufrieden seid ihr mit der vorgeschlagenen Lösung der österreichischen Bundesregierung? Schreibt uns eure Meinung zum Mietpreisdeckel gerne in die Kommentare!

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken