Unter großem Medienandrang hat am Donnerstag am Obersten Gerichtshof (OGH) im Wiener Justizpalast das Berufungsverfahren in der Buwog-Causa rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser begonnen. Erstinstanzlich und nicht rechtskräftig wurde Grasser im Dezember 2020 am Wiener Straflandesgericht wegen Untreue, Beweismittelfälschung und illegaler Geschenkannahme zu acht Jahren Haft verurteilt. Bei seiner Ankunft zur heutigen Verhandlung wollte Grasser kein Statement abgeben.
Für das Verfahren beim OGH sind vier Tage anberaumt, ein früheres Urteil ist möglich. Dies kann von einer Aufhebung des Spruches des Schöffensenates aus dem Jahr 2020 bis zu einer vollinhaltlichen Bestätigung reichen. Neben Grasser wurden im Strafverfahren unter Richterin Marion Hohenecker unter anderem auch Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger und der Lobbyist Peter Hochegger nicht rechtskräftig verurteilt, auch sie haben sich an den OGH gewandt. Hochegger wird laut seinem Anwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen.
Am Donnerstag haben sich die Verteidiger Grassers auf die seinerzeitige Richterin im Strafverfahren, Marion Hohenecker, eingeschossen. Sie sei für das Verfahren, in dem Grasser 2020 acht Jahre Haft nicht rechtskräftig ausgefasst hatte, gar nicht zuständig gewesen und habe sich über das Recht gesetzt, lautete der Vorwurf am ersten Verhandlungstag im Wiener Justizpalast.
Der Prozess am Landesgericht Wien mit der nicht rechtskräftigen Verurteilung von Grasser im Dezember 2020 sei "politisch motiviert" gewesen, das 1.300 Seiten lange Urteil werde "einer Prüfung nicht standhalten", so die Sicht von Grasser-Anwalt Manfred Ainedter. Und Kollege Norbert Wess ergänzte: "Das Verfahren war nicht fair". Es habe einen objektiven Anschein der Befangenheit der Richterin gegeben. Wess führte etwa aus, dass die Verteidigung und die Angeklagten bei der Sitzordnung benachteiligt worden seien. Ebenfalls kritisiert wurden von Wess umfangreiche Bild- und Tonaufnahmen im Gericht, auch in den Pausen.
Keine neue Beweisaufnahme
Die Berichterstatterin des Fünf-Richterinnen-Senats wird heute zunächst den bisherigen Verfahrensgang skizzieren, anschließend tragen die Verteidiger ihre Sicht vor. Danach kommt die Vertretung der Generalprokuratur zu Wort, ehe die Angeklagten Gelegenheit haben, allfällige Schlussworte an den Senat zu richten. Neue Beweisaufnahmen sind keine vorgesehen.
Buwog-Causa beschäftigt seit rund 20 Jahren Republik
Die Verhandlung am OGH ist der (vorläufige) Schlussstrich unter einen Immobiliendeal, der seit nunmehr 21 Jahren die Republik beschäftigt. Damals gingen rund 60.000 Bundeswohnungen um 961 Mio. Euro an ein Konsortium rund um die Immofinanz des umstrittenen Managers Karl Petrikovics, der unterlegene Bieter CA Immo hatte gerade einmal 1 Mio. Euro weniger für die Wohnungen geboten. Das sorgte zwar für Überraschung, dass diese Privatisierung möglicherweise geschoben war, stellte sich aber erst ein paar Jahre später heraus, als bekannt wurde, dass zwei Grasser-Freunde - Meischberger und Hochegger - bei dem Immofinanz-Deal 9,6 Mio. Euro an Provision mitgeschnitten hatten.
Die Frage lautete danach: Hatte Grasser seinen Freunden, die die Immofinanz berieten, verraten, wie hoch das Angebot für einen Zuschlag sein müsse und damit die Republik geschädigt? Der Ex-Finanzminister verneint das wortreich bis heute.
(Quelle: apa)