Heimliche Tonaufnahmen

ÖVP-Chef Karl Nehammer steht zu Sobotka

"Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was hier gerade passiert", sagte ÖVP-Chef Karl Nehammer im Pressefoyer nach dem Ministerrat auf Journalistenfragen.
Veröffentlicht: 22. November 2023 10:01 Uhr
Nach den veröffentlichtem Gesprächsmitschnitt, in dem der verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka vorbrachte, stellt sich ÖVP-Chef Karl Nehammer hinter Sobotka.
SALZBURG24 (mem)

ÖVP-Chef Karl Nehammer steht zum zuletzt wieder in die Kritik geratenen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP). Dieser "hat mein Vertrauen", betonte der Kanzler am Mittwoch vor Journalisten. Der verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek hatte auf einer zuletzt veröffentlichten heimlichen Tonaufnahme behauptet, die ÖVP und namentlich Sobotka habe versucht, in Ermittlungen zu intervenieren. Nehammer ortete "einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung".

Der zuletzt suspendierte Sektionschef Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, ist vor wenigen Wochen verstorben. Nun ist eine heimliche Aufnahme eines Gesprächs Pilnaceks bei einer abendlichen Runde mit Bekannten im Wirtshaus Ende Juli aufgetaucht. Dabei ist Pilnacek zu hören, wie er sagt, die ÖVP habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen abdrehe, was er stets alles abgewehrt habe.

Sachverhalt für Nehammer "pietätlos"

Nehammer ortete "einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung". "Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was hier gerade passiert", sagte der Parteichef im Pressefoyer nach dem Ministerrat auf Journalistenfragen. "Um Politik zu machen, wird die Totenruhe gestört." Dies warf der Kanzler auch Journalisten vor: "Sie würden mir die Frage nicht stellen, würden Sie die Totenruhe nicht stören." Pilnacek könne sich nicht mehr dazu äußern. "Wir erleben hier gerade einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung", befand Nehammer, dies sei "moralisch nicht vertretbar". Er werde sich daher nicht an dieser Diskussion beteiligen.

Namentlich von Pilnacek genannt worden war der frühere Innenminister und heutige Nationalratspräsident Sobotka. Auf die Rücktrittsaufforderungen der Opposition geht die ÖVP weiterhin nicht ein: "Wolfgang Sobotka hat mein Vertrauen", unterstrich Nehammer auf eine entsprechende Frage. Auch Nehammer verwies wie schon sein Generalsekretär Christian Stocker tags zuvor darauf, dass Pilnacek in Untersuchungsausschüssen unter Wahrheitspflicht klar gesagt habe, dass es keine Interventionen gegeben habe.

Stocker sucht mögliche Hintermänner

Fragen zu möglichen Hintermännern der heimlichen Aufnahme nannte Stocker in einer weiteren Pressekonferenz einen Tag später und brachte auch einen Namen ins Spiel: Der frühere BZÖ-Politiker Stefan Petzner, der Verbindungen zur FPÖ habe. Petzner hatte in einem Interview auf oe24.tv am 6. November 2022 gesagt: "Auf den Wolfgang Sobotka kommt noch einiges zu, er weiß es nur noch nicht." Laut Stocker würden sich angesichts dieser Aussagen einige Fragen erheben, "die beantwortet werden müssen".

Beschuldigen will Stocker laut eigener Aussage Petzner nicht. "Ich unterstelle überhaupt nichts, aber ich stelle Fragen", meinte er auf Nachfrage. Die Aussagen des nunmehrigen Politberaters sei zudem vor dem angeblichen Aufnahmedatum des Tonbandmitschnitts mit Pilnacek getätigt worden. Die Frage sei also, welche Informationen Petzner hatte und von wem. "Das sind Fragen, die man stellen muss. Stefan Petzner wird sie beantworten müssen aus meiner Sicht", so der ÖVP-Generalsekretär. Petzner selbst war für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht erreichbar.

ÖVP sucht Hintermänner zu Pilnacek-Mitschnitt

Die ÖVP gab heute eine Pressekonferenz zum Thema "Wer sind die Hintermänner des Gesprächsmitschnitts?" mit ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker und brachte dabei den früheren BZÖ-Politiker Stefan …

Auch rechtliche Schritte überlegt die ÖVP nun gegen die noch nicht bekannten Hintermänner der Aufnahme. "Wir werden prüfen, welche strafrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht sind." Aber auch die Medien sieht Stocker in der Pflicht, "es ist jetzt an der Zeit hinzusehen". Abermals sprach der ÖVP-Generalsekretär von Geheimdienstmethoden und meinte: "Diese Methoden haben in der Vergangenheit in unserer Republik großen Schaden angerichtet."

SPÖ fordert Sobotka zum Rücktritt auf

Zu Wort meldete sich am Mittwoch noch einmal der einstige SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, Jan Krainer. Er forderte Sobotka ein weiteres Mal auf, dessen Amt zurückzulegen. Außerdem sieht Krainer nun nicht nur das Justizministerium in der Pflicht, sämtliche von Pilnacek erhobene Vorwürfe aufzuklären, sondern auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Es sei "an der Zeit, dass der erste Mann im Staat hier Wort ergreift, denn es kann ihm ja nicht egal ist, wer der Mann hinter ihm ist".

Einen Untersuchungsausschuss der Opposition zu Pilnaceks Aussagen - wie ihn tags zuvor Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer von sich aus für möglich gehalten hatte - erachtet Krainer für nicht notwendig, denn: "Die Frage der politischen Verantwortung ist hier gar keine Frage mehr."

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach sich bei einer Pressekonferenz für eine unabhängige Untersuchungskommission im Justizministerium aus, etwa unter Vorsitz einer Person wie der ehemaligen OGH-Präsidentin und Ex-NEOS Abgeordneten Irmgard Griss nach dem Vorbild jener Kommission nach dem Terroranschlag in Wien. Diese Frage habe sie auch mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) erörtert. Gleichzeitig brauche es eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bringe dagegen aufgrund der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit und der zu erwartenden "Schlammcatcherei" nichts.

Die Verteidigungslinie der ÖVP, wonach Pilnacek im U-Ausschuss Interventionen in Abrede gestellt habe, kann die NEOS-Chefin nicht nachvollziehen. Der ehemalige Sektionschef habe lediglich eigene Interventionen verneint, bezüglich solcher Versuche ihm gegenüber habe er sich der Aussage entschlagen.

(Quelle: apa)

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Von SALZBURG24 (alb)
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