An der ORF-Gremienreform, deren Beschluss Medienminister Andreas Babler (SPÖ) für diese Woche anpeilt, wird noch gefeilt. Am Dienstag wird sie im Verfassungsausschuss behandelt, doch ein Entwurf liegt den Oppositionsparteien wenige Stunden vor Beginn nicht vor. "Die neue Regierung tritt den Parlamentarismus mit Füßen", zeigte sich Sigrid Maurer, Mediensprecherin der Grünen, gegenüber der APA empört. Man befinde sich "in Endabstimmung", erklärte eine Sprecherin von Babler.
"Nach wie vor haben wir keinen Satz und kein Wort des Entwurfs zu Gesicht bekommen", so Maurer. "Absolutes Minimum der parlamentarischen Einbindung" wäre ihres Erachtens jedoch, eine Übermittlung des Gesetzestextes 24 Stunden vor dem Ausschuss. "Es wird hier ein wichtiges Gesetz ganz ohne Begutachtung und vorparlamentarischen Prozess durchs Parlament gepeitscht", so die Grünen-Politikerin. "Wir haben längst einen Antrag eingebracht, der auf effektivere und unabhängigere Gremien des ORF abzielt. Die Regierungsparteien sind aufgefordert rasch zu liefern oder unserem Antrag zuzustimmen", sagte sie.
Reparatur nach VfGH-Erkenntnis
Mit der geplanten ORF-Gremienreform reagiert die Regierung auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Das Höchstgericht stellte zu großes Gewicht der Regierung bei der Bestellung der ORF-Gremien fest. Eine Reparatur wurde bis Ende März aufgetragen. Die von Vizekanzler und Medienminister Babler vor wenigen Tagen skizzierten Pläne zur Reform sehen vor, dass die Bundesregierung künftig sechs (anstatt neun) Stiftungsräte bestellt, während der Publikumsrat neun (anstatt sechs) Mitglieder ins 35-köpfige oberste ORF-Gremium entsendet. Qualifikationsanforderungen sollen neu definiert und eine öffentliche Ausschreibung erfolgen. Neubestellungsmöglichkeiten nach einem Regierungswechsel werden gestrichen. Der Publikumsrat wird auf 28 Mitglieder etwas verkleinert. 14 Mitglieder sollen von der Regierung (bisher 17 Personen vom Bundeskanzler bzw. Medienminister) bestimmt und weitere 14 Mitglieder (bisher 13) direkt von im Gesetz festgelegten Stellen - darunter diverse Kammern, Kirchen und Parteiakademien - bestellt werden.
Der ORF-Stiftungsrat wird abseits von Bundesregierung und Publikumsrat auch von Bundesländern (9), Parlamentsparteien (6) und dem ORF-Zentralbetriebsrat (5) beschickt. Zu den Aufgaben der Stiftungsräte zählt es u.a. alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag Direktoren und Landesdirektoren zu bestellen. Die Gremienmitglieder genehmigen Finanzpläne und beschließen etwa auch Erhöhungen des ORF-Beitrags. Dieser soll jedoch per Gesetz bis 2029 eingefroren werden, was laut ORF-Generaldirektor Roland Weißmann einen Sparbedarf von ca. 220 Millionen Euro für das öffentlich-rechtliche Medienhaus mit sich bringt.
Neue Kräfteverhältnisse im ORF-Stiftungsrat
Im Zuge der Gesetzesnovelle soll das oberste ORF-Gremium neu konstituiert werden. Wer den Vorsitz übernimmt, war laut Babler bisher kein Thema. Die einzelnen Stiftungsräte sind mit Ausnahme weniger Personen in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. Derzeit haben ÖVP-nahe Räte mit ihnen nahestehenden Unabhängigen eine Mehrheit im Gremium. Mit der Neukonstituierung verliert der türkise "Freundeskreis" an Größe, während der SPÖ-nahe "Freundeskreis" Zugewinne verzeichnen dürfte.
Babler sprach mit Blick auf die geplante Gremienreform von einer "Entpolitisierung". Später in der Regierungsperiode soll eine größere ORF-Reform erfolgen, wobei die ORF-Gremien - entgegen einer Ankündigung im Regierungsprogramm - nicht erneut Thema sein sollen, so der Vizekanzler kürzlich vor Journalisten.
(Quelle: apa)