Nächster Verhandlungstag

Prozess gegen Egisto Ott: Chefinspektor soll BVT-Liste für Kickl übermittelt haben

Ex-BVT-Beamter Egisto Ott am 7. März 2025, anlässlich eines Prozesses wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung von Amtsgeheimnissen im Straflandesgericht in Wien. 
Veröffentlicht: 07. März 2025 11:59 Uhr
Der Prozess gegen den ehemaligen Chefinspektor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Egisto Ott, ist am Freitag fortgesetzt worden. Zwei neue Gesichter sind indes auf der Anklagebank dazugekommen.

Schwere Geschütze hat der Staatsanwalt am Freitag am Wiener Landesgericht im Prozess gegen den früheren Chefinspektor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Egisto Ott, einen ehemaligen freiheitlichen Nationalratsabgeordneten und nunmehrigen parlamentarischen Mitarbeiter und zwei weitere Angeklagte aufgefahren. Ott habe sich "vom Staatsschützer zum Gefährder staatlicher Organisationen" entwickelt, bemerkte der Anklagevertreter.

Ott habe "Polizeikolleginnen und Polizeikollegen" gefährdet und speziell einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts mit der Weitergabe personenbezogener Daten - dessen Geburtsdatum und polizeilichen Werdegang - an Dritte sogar "in Lebensgefahr gebracht", sagte der Staatsanwalt. Ott habe weiters "die Zusammenarbeit von Österreich und befreundeten ausländischen Nachrichtendiensten" gefährdet und das Vertrauen der heimischen Bevölkerung in die Institutionen und Funktionsträger "untergraben". Zur Motivation des strafrechtlich relevanten Vorgehens verwies der Staatsanwalt auf die erste, aus Vorwürfen gegen Ott herrührende Suspendierung des Ex-BVT-Chefinspektors, der "in die Sicherheitsakademie, zur Polizeischule abgeschoben" worden sei. Das habe bei Ott "Hass und Wut auf das BVT geschürt."

Ott: "In Österreich ist nichts geheim"

Ott selbst erklärte in seiner Einvernahme als Beschuldigter, er habe keine Amtsgeheimnisse preisgegeben: "In Österreich ist nichts geheim." Er habe dem Ex-Politiker zwar die Namen von Teilnehmern eines Geheimdiensttreffens in Warschau und die Mitglieder der "Soko Tape" genannt, letztere seien aber "im öffentlichen zugänglichen Bereich im Internet" einsehbar gewesen, behauptete Ott. Bezüglich des Geheimdiensttreffens habe er seine Informationen aus "verschiedenen Lokalen" erhalten, in die er "jemanden hingeschickt" habe, "weil dort BVT-Beamte sitzen, am Abend selbstverständlich illuminiert" und sich austauschen würden. Dort hätten "meine Leute die Ohrwaschln aufgesperrt und zu später Stunde zugehört". Details dazu wolle er nicht coram publico darlegen, betonte Ott. "Ich werde nicht preisgeben, wie ich arbeite. Das sollen die sich selber erarbeiten", fürchtete er offenbar Nachahmer. Er habe jedenfalls "keine Quellen aus dem BVT angezapft. Ich habe noch nie jemanden anderen in Schwierigkeiten gebracht", insistierte Ott.

Wiederholt wies Ott auf angebliche Missstände im BVT hin, den ehemaligen BVT-Leiter Peter Gridling bezichtigte Ott in seiner Beschuldigteneinvernahme wörtlich des "Hochverrats". Von diesen Missständen habe er dem Ex-nationalratsabgeordneten erzählt: "Ich habe das Recht in Anspruch genommen, einem Politiker, dem ich vertraue, von diesen Missständen zu berichten." Seinen Vorgesetzten hätte er nicht vertraut. Die hätten "in tausend Jahren nichts abgestellt."

Er selbst sei seit 2011 "gefährdet", weil der Iran gegen ihn eine Fatwa erlassen habe, behauptete Ott. Das BVT und dessen Nachfolgebehörde Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DNS) hätten nie etwa zu seinem Schutz unternommen, rügte Egisto Ott, wobei er die DSN als "das schwarze Netzwerk" bezeichnete. Dem Staatsanwalt unterstellte er, dieser könne "nicht Sinn erfassend lesen, das ist die Wahrheit", was ihm eine Mahnung zur Mäßigung seitens der Richterin einbrachte. Diese hatte den Angeklagten zu Beginn der Befragung als Chefinspektor angesprochen, was Ott mit der Bemerkung "Bitte ohne Chefinspektor, ich lege keinen Wort auf Titel" abstellte.

Otts Verteidiger: "Aus politischen Gründen angeklagt"

"Er war und ist Staatsschützer", hatte zuvor einer der beiden Verteidiger Otts, der Wiener Anwalt Joseph Phillip Bischof, bekräftigt. Ott habe als Polizeibeamter "maßgeblich zur Aufklärung der Briefbomben-Serie beigetragen" und bei der Befreiung von österreichischen Geiseln im Ausland mitgewirkt: "Er war und ist Staatsschützer. Er ist kein Lebensgefährder." In ungewöhnlich deftigen Worten geißelte Bischof in Richtung der Staatsanwaltschaft die lange Ermittlungsdauer des Verfahrens: "Wenn ich sieben bis acht Jahre in den Hut scheiß', bin ich als Verteidiger zu recht weg vom Fenster."

Bischof und der zweite Verteidiger Jürgen Stephan Mertens betonten die Schuldlosigkeit des 62-Jährigen. Ott sei auch nicht "von Hass getrieben", sondern sei "ein Kritiker", wie Bischof anmerkte. Er sei im BVT "massiv auf die Nerven gegangen, weil er so viel kritisiert hat."

"Er ist aus politischen Gründen angeklagt. Er war sehr unangenehm", sagte im Anschluss Mertens. Ott - laut Mertens der SPÖ zurechenbar - sei "vom von der ÖVP umgefärbten Innenministerium" mit einer Fülle von Vorwürfen überzogen worden. Dabei habe er keine Amtsgeheimnisse weitergegeben. Die Informationen seien zum Teil "sogar im Amtsblatt gestanden", bemerkte Mertens.

Ex-Nationalratsabgeordneter für Staatsanwalt im Zentrum des Verfahrens

Im Zentrum des Verfahrens sah der Staatsanwalt jenen Ex-Politiker, der von 2017 bis 2019 für die FPÖ als Abgeordneter dem Nationalrat angehörte. Unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) kam es am 28. Februar 2018 zu einer umstrittenen, später für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchung beim BVT. Der frühere Nationalratsabgeordnete habe "die Hausdurchsuchung im BVT in der öffentlichen Meinung rechtfertigen" und "die Führungsebene des BVT diskreditieren" wollen. Das würden "über 100 Seiten an Chatprotokolle" belegen, meinte der Staatsanwalt. Zu diesem Zweck habe er sich von Ott und der Drittangeklagten, einer ehemaligen Kabinettsmitarbeiterin Kickls mit Informationen über BVT-Beamte und deren Kontakte beschaffen lassen. Der Staatsanwalt bezeichnete Ott und die 53-jährige Frau wörtlich als "Zulieferer".

Laut Anklage soll es zwischen Ott und dem Ex-Politiker ab August 2018 eine "Kooperation" gegeben haben. Der Ex-Politiker, der dem parlamentarischen BVT-U-Ausschuss angehörte und kurzzeitig auch FPÖ-Sicherheitssprecher war, habe sich von Ott Informationen über ein Treffen des so genannten Berner Clubs - eine Zusammenkunft der Geheimdienst-Direktoren sämtlicher EU-Staaten, der Schweiz und Norwegens - beschafft. Ott - zu diesem Zeitpunkt bereits vom Dienst suspendiert - soll dem Politiker eine Liste mit den Namen von BVT-Beamten übermittelt haben, die an dieser länderübergreifenden Begegnung von Nachrichtendienst-Mitarbeitern teilgenommen hatten. Auch auf die Zusammensetzung der "Soko Tape", die nach dem Ibiza-Video zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe eingerichtet wurde, soll der Ex-Politiker Ott angesetzt haben. Er soll weiters die so genannten Pilnacek-Chats weitergeleitet und verbotenerweise Fotos im U-Ausschuss aufgenommen und diese an Ott gesendet haben.

Eine Anklageschrift und drei Strafanträge

Prozessgegenständlich sind mittlerweile nicht weniger als drei Strafanträge und eine Anklageschrift. Neben der ehemaligen Kickl-Mitarbeiterin ist auch ein deutscher Bekannter Otts mitangeklagt. Beide bekannten sich eingangs des Verfahrens "nicht schuldig". Inkriminiert sind die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs, der Verletzung von Amtsgeheimnissen und datenschutzrechtlicher Bestimmungen.

Die Verhandlung wird am kommenden Montag mit drei Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen sind der ehemalige BVT-Chef Peter Gridling, ein BVT-Beamter sowie ein Vertreter der DSN. Ein weiterer Zeuge ist erkrankt und fällt daher aus. Weitere Verhandlungstermine sind vorerst noch nicht anberaumt worden. Dass die Hauptverhandung am Montag abgeschlossen werden kann, erscheint eher unwahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt seit 2017 gegen Egisto Ott wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs und weiterer Delikte. Am 29. März 2024 wurde er fest-und bis zum 26. Juni desselben Jahres in U-Haft genommen. Ausschlaggebend für die Inhaftierung waren Informationen, Ott habe Diensthandys von drei früheren Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) und einen Signa-Laptop mit geheimen Information eines EU-Staates dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben. Auch diese Vorwürfe bestreitet Ott in aller Entschiedenheit. Bezüglich der Spionage-Vorwürfe sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen.

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Ex-BVT-Beamter Egisto Ott am 7. März 2025, anlässlich eines Prozesses wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung von Amtsgeheimnissen im Straflandesgericht in Wien. 
Ex-BVT-Beamter Egisto Ott am 7. März 2025, anlässlich eines Prozesses wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung von Amtsgeheimnissen im Straflandesgericht in Wien. 
Ex-BVT-Beamter Egisto Ott am 7. März 2025, anlässlich eines Prozesses wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung von Amtsgeheimnissen im Straflandesgericht in Wien. 
Ex-BVT-Beamter Egisto Ott am 7. März 2025, anlässlich eines Prozesses wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung von Amtsgeheimnissen im Straflandesgericht in Wien. 

(Quelle: apa)

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06.11.2024
Ex-BVT-Chefinspektor

Egisto Ott steht erstmals vor Gericht

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