Ausgerufene Duelle finden nicht immer statt. Trotz deutlicher Verluste hat die ÖVP die Vorarlberger Landtagswahl klar auf Platz eins abgeschlossen und kann nun zwischen den Freiheitlichen und den Grünen einen Koalitionspartner aussuchen. Die FPÖ würde in eine Regierungszusammenarbeit deutlich gestärkt gehen, während der bisherige Partner eine herbe Niederlage hinnehmen musste. SPÖ und NEOS stagnierten.
Laut vorläufigem Endergebnis inklusive Foresight-Wahlkartenprognose kam die ÖVP auf 38,3 Prozent, was einem Minus von 5,3 Punkten entsprechen würde. Die FPÖ verdoppelt sich auf 28 Prozent, was für Christof Bitschi nach der Delle in Folge der Ibiza-Affäre vor fünf Jahren nun ein freiheitliches Rekordergebnis ist. Die Grünen erreichen Platz drei mit 12,5 Prozent, ein Minus von gut sechs Punkten. Die SPÖ würde mit 9,1 Prozent gerade noch vor den NEOS mit 8,9 Prozent bleiben. Für die Sozialdemokraten wäre das ein Verlust von 0,4 Punkten, während die NEOS im selben Ausmaß zulegten.
Rechnerisch gehen sich zwei Zweier-Koalitionen aus, nämlich Schwarz-Blau und Schwarz-Grün. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) erfreute sich an einem "klaren Auftrag" des Wählers und will ab Dienstag mit allen Parteien in Sondierungen gehen. Nach der kommenden Woche will der Landes-VP-Chef mit einem Partner in Koalitionsverhandlungen treten. Die Regierung soll bis zur konstituierenden Sitzung des Landtags in vier Wochen stehen.
Auch wenn Wallner keine direkte Präferenz äußerte, scheint die FPÖ die besseren Karten zu haben. Denn der Landeshauptmann betonte, dass sich aus dem Ergebnis (thematisch) auch ein "starker Veränderungswunsch" ablesen lasse, was nicht unbedingt nach einer Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den Grünen klang.
FPÖ-Bitschi sieht sich in der Regierung
An die Regierung denken darf so FP-Spitzenkandidat Bitschi. Erstmals nach 15 Jahren könnte die FPÖ wieder in Führungsverantwortung gelangen. Nach seinem Politikverständnis sollen die beiden erstplatzierten Parteien - ÖVP und FPÖ - versuchen eine Regierung zu bilden, sagte er am Wahlnachmittag. Zur APA meinte er, keine Vorbedingungen zu haben, schon gar keine personellen. Fragen wie etwa ob die FPÖ im Gegensatz zu den Grünen den Posten des Landesstatthalters anstreben würde, stellten sich erst ganz am Ende der Verhandlungen.
Die Freiheitlichen konnten speziell in den kleineren Gemeinden reüssieren, wo sie der ÖVP oft zweistellige Verluste zufügten. Die Volkspartei rettete sich mit einem überraschend guten Abschneiden in mittleren und größeren Gemeinden als erste ins Ziel. So verlor man etwa in der Landeshauptstadt Bregenz nur 1,5 Prozentpunkte, in Feldkirch auch nicht viel mehr. Bitter für die ÖVP ist, dass sie zumindest vor Auszählung der Wahlkarten Platz eins in Lustenau und Hohenems an die FPÖ abgeben musste.
Für die Grünen könnte nach zehn Jahren in der Regierung die Oppositionsbank drohen. Spitzenkandidat Daniel Zadra sah diesbezüglich den Landeshauptmann am Zug. Falsch gemacht haben will man nicht viel. Ebenso wie die Listenersten von SPÖ und NEOS, Mario Leiter bzw. Claudia Gamon sah er das unter den Erwartungen gebliebene Abschneiden im ÖVP-Manöver, ein Duell um den Landeshauptmann auszurufen, begründet. Gamon meinte, sie fürchte, dass letztlich auch die Stimmen gegen einen Landeshauptmann Bitschi in Schwarz-Blau münden würden.
Personell dürfte sich zumindest fürs erste nach der Wahl nicht viel tun. Auch bei den Wahlverlierern wurde betont, dass keine Personaldebatte anstehe.
Vorarlberg-Wahl 2019
Beim Urnengang 2019 war die ÖVP mit großem Abstand auf Platz eins gekommen: Damals erreichte die Volkspartei 43,53 Prozent. Platz zwei ging mit Respektabstand an die Grünen, die auf 18,89 Prozent kamen. Dahinter lagen die FPÖ mit 13,93 Prozent, die SPÖ mit 9,46 Prozent und die NEOS mit 8,51 Prozent.
Wahlberechtigt waren 271.882 Personen, 455 davon leben im Ausland. Im Vergleich zur Landtagswahl 2019 mit 270.521 Wahlberechtigten dürfen heuer um 1.360 Personen (0,5 Prozent) mehr ihre Stimme abgeben.
Reaktionen aus Salzburg
Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer gratuliert seinem Vorarlberger Amtskollegen Landeshauptmann Markus Wallner zum vorläufigen Ergebnis der Landtagswahlen. „Trotz starker Konkurrenz und nicht einfachen Vorzeichen für die ÖVP konnte Markus Wallner klar den ersten Platz behaupten. Die Vorarlberger Volkspartei ist auch weiterhin die stärkste politische Kraft im Bundesland. Mit Markus Wallner wird es auch weiterhin stabile politische Verhältnisse in Vorarlberg geben und wir werden die starke Zusammenarbeit im Sinne der beiden Länder weiter fortsetzen“, so Haslauer abschließend.
Für LH-Stv. Marlene Svazek setzt sich der Bundestrend in Vorarlberg fort. Sie gratuliert Christof Bitschi und seinem Team zu dem starken Ergebnis und sieht darin eine Bestätigung der erfolgreichen freiheitlichen Politik in den Bundesländern. „Dieses Ergebnis ist nicht nur ein Ruf nach Verantwortung, sondern auch ein klares Warnsignal nach Wien“, erklärt Svazek. Sie sieht die Verluste der ÖVP als eine Folge der „demokratiepolitisch fragwürdigen Haltung“ von Nehammer und co. nach den Nationalratswahlen vom 29. September: „Die Zugewinne der Freiheitlichen in Vorarlberg zeigen deutlich, dass die Menschen nicht nur mehr für eine Veränderung bereit sind, sondern sie ausdrücklich wollen“, so Svazek abschließend.
Die Landessprecherin der Salzburger Grünen, Martina Berthold, sprach von Verlusten, die schmerzen. "Die Krisen der vergangenen Jahre sind auch nicht spurlos an den Vorarlberger Grünen in Regierungsverantwortung vorbeigegangen. Rein rechnerisch geht sich aktuell eine schwarz-grüne Zusammenarbeit knapp aus. Der Ball liegt nun also bei der ÖVP. Sie entscheidet, ob Vorarlberg mit den Grünen den positiven Weg des Miteinanders, für starken Klimaschutz, konsequenten Naturschutz und soziale Sicherheit weitergeht." Vorarlberg brauche eine verlässliche Regierung, die Brücken baut und nicht spaltet.
NEOS-Landessprecherin Lisa Aldali befürchtet mit dem heutigen Wahlausgang "Stillstand statt der Umsetzung von Reformideen". Erfreulich sei aber, dass auch die NEOS ein Plus vor dem Ergebnis hätten. Das von der Volkspartei "inszenierte" Duell mit der FPÖ um den Landeshauptmann-Sessel dürfte ihrer Partei Stimmen gekostet haben, vermutete sie im APA-Gespräch. Auch angesichts des Termins - zwei Wochen nach der Nationalratswahl - sei es heute "sicher keine leichte Wahl" gewesen.
Den SPÖ-Landesvorsitzenden David Egger-Kranzinger erreichte die APA am Flughafen Hamburg kurz vor dem Abflug. Er meinte, dass die Vorarlberger SPÖ "unter schwierigen Vorzeichen das Bestmögliche herausgeholt" habe. "Leider setzt sich der bundesweite Trend fort und der erwünschte Effekt bleibt weiterhin aus."
(Quelle: apa)