„Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“ Dieser Spruch steht so in der Speisekarte eines klassischen Salzburger Wirtshauses neben dem veganen Gemüseschnitzel. Obwohl vegane und vegetarische Ernährung längst kein Trend mehr ist, sondern voll in unserer Gesellschaft angekommen ist, wehren sich noch viele Wirtsleute dagegen. Erst kürzlich entbrannte eine Diskussion nach einem Antrag der Grünen Wirtschaft, eine vegane bzw. vegetarische Kochlehre in Österreich anzubieten. Der Gastronomie-Fachverband lehnte diese Idee erstmal ab. Es würden konkrete Inhalte fehlen, hieß es.
Vegane Lokale werden immer mehr
Dabei wachsen Nachfrage und Angebot im Bereich veganer Lokale auch in der Stadt Salzburg gleichermaßen. Vor allem die junge Generation hat ihre Essgewohnheiten längst adaptiert. So baut das erste und wohl bekannteste vegetarische Restaurant, "Green Garden", in der Landeshauptstadt sein Angebot derzeit aus und stellt auf 100 Prozent vegane Gerichte um. Diesen Trend spricht auch die Interessensvertretung "Koch.Campus" von führenden Köpfen der Szene an, zu der auch der Gollinger Koch und Gastronom Andreas Döllerer zählt. "Es ist Zeit, die Ausbildung in allen ihren festgefahrenen Strukturen aufzubrechen und zu modernisieren", so Obmann Hans Reisetbauer.
Koch.Campus fordert die Einführung einer vegetarisch-veganen Kochausbildung mit anschließender Option einer Zusatzausbildung mit Fleisch und Fisch, um eine breitere Zielgruppe ansprechen zu können. Doch obwohl sich damit auch Szene-Größen, die täglich in der Gastronomie arbeiten, dafür einsetzen, schiebt die Wirtschaftskammer (WKÖ) dieser Idee einen Riegel vor. Der WKÖ-Gastro- Spartenobmann, Mario Pulker, verwies am Dienstag gegenüber der APA darauf, dass für eine neue Lehre und auch für ein Pilotprojekt die rechtlichen Voraussetzungen nötig seien, die nicht in erster Linie bei der WKÖ, sondern beim Gesetzgeber und auch bei der Sozialpartnerschaft gemeinsam lägen.
Vegane Ausbildung braucht Zeit
So einfach sei es nämlich nicht, eine neue Ausbildung aus dem Boden zu stampfen. „Man darf nicht glauben, dass so etwas jetzt beschlossen wird und im Herbst geht’s los“, erklärt WKS-Branchensprecher Albert Ebner gegenüber SALZBURG24. Der Prozess würde Jahre dauern. Daher sei man bemüht, die vegetarische bzw. vegane Kochkunst in die bestehende Lehre einzubinden. Denn dass fleischlose Gerichte gefragter sind, denn je, merkt Ebner auch in seinem Betrieb in Hintersee (Flachgau). „Die Leute leben gesünder, treiben mehr Sport und wollen auch dementsprechend essen“, so der 51-Jährige.
Rudi Obauer fordert umfassende Lebensmittelkenntnisse
Die ganze Diskussion ist dem Starkoch Rudi Obauer aus Werfen (Pongau) viel zu "politisch". Der 62-Jährige verfolge das Thema ganz genau und könne mit der Schwarz-Weiß-Malerei gar nichts anfangen. „Ein Koch muss alles können. Das fängt bei uns im Betrieb mit dem Unkrautzupfen an und hört beim kompletten Zerlegen einer Sau und dem richtigen Aufschneiden einer Kokosnuss auf“, ärgert sich Obauer gegenüber S24 über eine „falsche Diskussion“. Fleisch- und fleischlose Küche bzw. die Lehre zu trennen, mache gar keinen Sinn. „Für mich ist ein Koch ein Lebensmittelveredler“. Und dafür müsse man sich ein grundlegendes Wissen aneignen.
Der Pongauer lebt seit Jahren nach seiner Philosophie der integrativen Küche. Darunter versteht er, offen gegenüber Gerichten und Zutaten aus aller Welt zu sein und diese an regionale Gegebenheiten anzupassen. Ein Kochbuch unter dem Motto „In der Heimat verwurzelt und offen für die Welt“, brachte ihm und seinem Bruder Karl jüngst eine Goldmedaille in Schweden ein. Menschen oder Zubereitungsarten auszuschließen, komme für die Brüder nicht infrage.
Kochausbildung müsse angepasst werden
Kritik übt Rudi Obauer an der Kochausbildung in Österreich. „Ich habe meine Prüfung 1979 abgelegt und sie ist heute immer noch gleich wie damals“. Das sei eben nicht mehr zeitgemäß, weshalb Lehrpläne unbedingt angepasst werden müssten. Nur so sei es möglich, den Gästen auch abwechslungsreiche Essen zu servieren. „Denn was ist eigentlich österreichische Küche?“, stellt der Koch eine Frage in den Raum. „Es gibt nicht nur Schnitzel. Der richtige Mix ist wichtig“. Weil die Lehrlinge im Obauer-Betrieb so umfänglich ausgebildet werden, hätte das Werfener Restaurant auch keinen Nachwuchs-Mangel.
Vegane Lokale finden kaum Lehrlinge
Ganz im Gegensatz zu exklusiv veganen Lokalen. Denn das Problem für diese Betriebe sei, dass sie eigentlich keine Kochlehrlinge finden. Um solche ausbilden zu dürfen, müssen Restaurants nämlich heimische Küche anbieten. Und was war nochmal österreichische Küche?
"Vielleicht würde eine Neuausrichtung der Ausbildung den Beruf nicht nur generell attraktiver machen, sondern auch den Nebeneffekt aufweisen, dass mehr junge Frauen den Weg in diese männerdominierte Branche suchen“, schlägt die Vereinigung "Koch.Campus" vor. Lehrlinge, die nicht mit Fleisch arbeiten wollen, sollten aber nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Auch dafür hätte der erfahrene Rudi Obauer einen Kompromiss als Lösung parat. „In der Theorie muss jeder alles wissen. Aber bei der praktischen Prüfung soll der Veganer dann eben ein fleischloses Gericht kochen“. So könne man nach der abgeschlossenen Ausbildung seinen weiteren Berufsweg individuell gestalten.
„Vegetarischer Koch“ sei nicht realistisch
Defensiver zeigt sich WKÖ-Spartenobmann Mario Pulker. "Der Job wird nie vegetarischer Koch heißen", sagte Pulker, vorstellbar sei gegebenenfalls beispielsweise "vegetarischer Speisenzubereiter". Man könne nicht Maurer werden, wenn man keine Mauer mit Zement errichten wolle, weil man den nicht angreife, argumentierte der Gastronomen-Vertreter. Ein Gespräch mit verschiedenen Befürwortern sei jedoch geplant.
Bis es zu handfesten Ergebnissen kommt, wird aber wohl noch so mancher Schweinsbraten von veganem Küchenpersonal zubereitet werden (müssen).
(Quelle: salzburg24)