Milliardenschweres Projekt

Neue Grubenlaufkäfer-Funde in Köstendorf setzen ÖBB-Hochleistungsstrecke unter Druck

Die Investitionssumme für den Ausbau der ÖBB-Strecke zwischen Köstendorf und der Stadt Salzburg wird aktuell auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt. (SYMBOLBILD)
Veröffentlicht: 19. September 2025 14:34 Uhr
Die Diskussionen um die geplante ÖBB-Hochleistungsstrecke zwischen Köstendorf und der Stadt Salzburg kommen nicht zur Ruhe. Eine Bürgerinitiative meldete nun erneute Funde des streng geschützten Grubenlaufkäfers – und kritisiert die ÖBB und Behörden scharf. Ist das ein weiterer Stolperstein für das Milliardenprojekt, dessen Baustart bereits verschoben wurde?

Das größte Bahninfrastrukturprojekt des Salzburger Flachgaus, die geplante Hochleistungsstrecke zwischen Köstendorf und der Landeshauptstadt, steckt weiterhin in einer konfliktgeladenen Phase. Während die offiziellen Genehmigungsverfahren voranschreiten, geraten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) erneut ins Visier einer Bürgerinitiative – diesmal wegen neuer Nachweise des streng geschützten Schwarzen Grubenlaufkäfers. Die Strecke soll das Bahnsystem im Zentralraum auf ein neues Niveau heben und die Weststrecke entlasten. Eine Neubaustrecke von über 20 Kilometern Länge – größtenteils im Tunnel – soll Kapazitätsengpässe beseitigen und Reisezeiten verkürzen. 

Grubenlaufkäfer-Funde mit Video dokumentiert

Die "Bürgerinitiative Bahntunnel Flachgau betroffene Bürger" dokumentierte die Funde über mehrere Jahre hinweg (2020 bis 2025) und veröffentlichte die Verortungen in einem YouTube-Video – jüngst wieder nahe dem geplanten Ostportal in Köstendorf. Die Standorte der Insekten wurden in mehreren Videos und Datensammlungen öffentlich gemacht. Aus Sicht der Naturschützer stellen insbesondere die geplanten Tunnelarbeiten, großflächigen Erdbewegungen und Veränderungen des Wasserhaushaltes eine ernsthafte Bedrohung für die Population dar. "Bei einem Baubeginn würden die Abflussleitungen stillgelegt und mit Schotter aufgefüllt, um Bahngeleise für den Aushub zu verlegen. Dadurch wäre einer der größten bekannten Lebensräume des Grubenlaufkäfers unmittelbar bedroht", heißt es in einer Aussendung.

Die Initiative kritisiert die aus ihrer Sicht unzureichende Berücksichtigung ihrer ehrenamtlich dokumentierten Funde im laufenden Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Die Funde seien von zwei Bürgerinitiativen unabhängig dokumentiert worden, wird betont. Sie fordern daher eine Wiederholung bzw. Nachbesserung der UVP und werfen den Behörden sowie den Auftraggebern parteiische Gutachten und mangelnde Artenschutz-Bemühungen vor. "Persönlich bin ich über die Suchergebnisse und Schlussfolgerungen zutiefst erschüttert", so Thomas Neff von der "Bürgerinitiative Bahntunnel Flachgau betroffene Bürger" und weiter: "Nicht erst seit unserer letzten mündlichen Verhandlung zur UVP denken wir, dass die Geltendmachung unserer Rechte und rechtlichen Interessen nicht immer vollinhaltlich nachgekommen wurde."

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ÖBB: Schutzmaßnahmen und veränderte Planung

Die ÖBB halten dem auf SALZBURG24-Anfrage am Freitag entgegen, dass Artenschutz und Naturschutz integraler Bestandteil der Projektplanung seien. Die inzwischen eingereichten UVP-Unterlagen wurden im Frühjahr 2024 öffentlich aufgelegt, die ausführliche öffentliche Verhandlung fand im Jänner 2025 statt. "Die ÖBB rechnen mit einem erstinstanzlichen Bescheid des Bundesministeriums für Innovation, Mobilität und Infrastruktur noch im Laufe dieses Jahres", erklärt ÖBB-Pressesprecher Robert Mosser gegenüber S24.

Im Zuge der Kritik und neuer Befunde haben die ÖBB wesentliche bauliche Änderungen zugesagt: Das erwartete Ausbruchmaterial – über drei Millionen Kubikmeter – soll nicht wie ursprünglich vorgesehen vor Ort gelagert, sondern vorwiegend per Bahn auf externe Deponien transportiert werden, um sensible Lebensräume rund um Köstendorf zu schützen. Auch die Vortriebsmethoden und Bauverfahren sollen angepasst werden, um die Eingriffe in die Umwelt zu minimieren. Die ÖBB betonen ihren "Anspruch auf nachhaltige, klimafreundliche Mobilität und artenschutzkonforme Umsetzung" – sämtliche Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume sowie Sach- und Kulturgüter würden im UVP-Verfahren geprüft und bewertet, entsprechende Maßnahmen seien definiert.

Hochleistungsstrecke in Köstendorf: Verzögerungen und Kostensteigerungen

Durch die langen und komplexen Genehmigungsverfahren – samt naturschutzrechtlicher Prüfung des Landes Salzburg, die noch nicht abgeschlossen ist – wurde der ursprüngliche Zeitplan deutlich nach hinten verschoben: "Der Baustart der Neubaustrecke ist derzeit frühestens für 2029 vorgesehen, die Fertigstellung wird für 2044 erwartet", schildert Mosser. Zuvor wurden die Jahre 2026 bzw. 2040 genannt. Laut ÖBB sind die Verzögerungen im Wesentlichen dem behördlichen Prüfaufwand und zusätzlichen ökologischen Begutachtungen geschuldet. Die Investitionssumme wird aktuell auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt. "Eine Kostenevaluierung des Gesamtprojektes ist im Laufen."

Auswirkungen auf Nah- und Fernverkehr

Die Bedeutung der neuen Trasse bleibe unbestritten, versichern die ÖBB: Nur mit ihrer Fertigstellung könne der Nahverkehr im nördlichen Flachgau künftig im Viertelstundentakt verkehren. Auch für den nationalen und internationalen Personen- und Güterverkehr wird eine erhebliche Kapazitätssteigerung erwartet. Prognosen gehen von Fahrzeitgewinnen im Fernverkehr von etwa fünf Minuten aus, die weitere Taktverdichtung befindet sich noch in Evaluierung.

Konflikt mit ÖBB um Umweltschutz und Bürgerbeteiligung

Während die ÖBB das Projekt als wichtigen Zukunftsimpuls sehen und auf den laufenden Austausch mit Gemeinden, Wassergenossenschaften, Bürgerinitiativen und Interessensgruppen verweisen, bleibt der Graben zur Bürgerinitiative tief. Sie kritisieren, dass ihre Einwände und biologischen Daten noch nicht ausreichend in die Entscheidungsgrundlagen eingeflossen seien – und verweisen neben dem Grubenlaufkäfer auch auf den streng geschützten Rotmilan und weitere brütende Vogelarten.

Ob der erneute Fund seltener Käfer tatsächlich zum Stolperstein für das Milliardenprojekt wird, ist nach wie vor offen. Sicher ist jedoch: Die Auseinandersetzung um Naturschutz, Anrainerschutz und Verkehrsmodernisierung steht vor einer weiteren Runde – und wird uns in Salzburg noch einige Jahre begleiten.

(Quelle: salzburg24)

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