Begeben wir uns in die Lungauer Gemeinde Ramingstein: ein besonderer Ort, nicht nur weil er der einzige im Gebirgsgau ist, der unter 1.000 Metern Seehöhe liegt. Hier im Dreiländereck Salzburg, Kärnten und Steiermark, ganz im Südosten des Landes, bestand seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein ewiger Machtkampf rund um die Kirche des beschaulichen Ortes.
Grenzfall: Kirche gehört zu steirischer Pfarre
Denn das Gotteshaus, heute fünf Kilometer von der steirischen Grenze entfernt, gehörte - obwohl auf Salzburger Boden stehend - zur steirischen Pfarre Stadl an der Mur. Eine mehrere Meter hohe und rund zwei Meter dicke Talsperre gleich hinter der Kirche hielt die Steirer nicht von ihrem kirchlichen Einfluss in Salzburg ab; ein Umstand, der damals nicht ungewöhnlich war, da die kirchlichen Grenzen meistens älter als die politischen waren und daher in vielen Fällen nicht übereinstimmten. Ständig mussten zwischen den Pfarren Tamsweg und Stadl Verträge geschlossen werden, um die Ausübung der Seelsorge in Ramingstein zu organisieren. Wenn auch der Widerstand des Stadler Pfarrers begreiflich war, schließlich ging es hier um viel Geld (die heutige Kirchensteuer gab es natürlich noch nicht), so konnte er trotz Macht und Mauer die Ramingsteiner Entwicklung zur Seelsorgestation und schließlich zum Vikariat nicht aufhalten. Doch der Umfang der erlaubten Seelsorge des Ramingsteiner Vikars war anfangs noch recht bescheiden.
Krichliche Grenze wird politischer angepasst
Neue Verträge mussten her. Im Jahre 1789 fanden die Unstimmigkeiten endlich ein Ende. In einem Vertrag zwischen den Ordinariaten Salzburg und Leoben wurden die kirchlichen Grenzen den politischen angepasst. Für Ramingstein hieß das, dass es nun zu einem Vikariat der Pfarre Tamsweg wurde. Doch die Abhängigkeit sollte nicht allzu lange dauern: Im Jahr 1813, nach jahrhundertelangem Streit, hatte es Ramingstein geschafft und wurde zu einer selbstständigen Pfarre.
Die Wallfahrtskirche Maria Hollenstein
Zur Pfarre Ramingstein gehört heute auch die Wallfahrtskirche Maria Hollenstein. Der Vikar des Ortes baute das Kirchlein 1745 gegen den Willen des Consistoriums auf dem damaligen Gebiet der Pfarre Stadl. Ein genialer Schachzug: Denn schließlich war das Kirchlein der Grund der Abtrennung des Salzburger Anteils der Pfarre Stadl. Auch heute noch wird Maria Hollenstein im Kendlbrucker Graben von vielen Gläubigen besucht. So soll doch das Quellwasser neben der Kirche heilende Wirkung haben und bei Augenerkrankungen aller Art zur Genesung beitragen. Auch viele Brautpaare werden hier getraut, und von den Ehen, die hier geschlossen werden, sagt man, sie seien besonders glücklich.
Dieser "Grenzfall" ist ein weiterer aus der erfolgreichen Serie "Salzburger Grenzfälle", die jeden ersten Mittwoch des Monats auf SALZBURG.AT, der Plattform für die Europaregion, im Internet unter www.salzburg.at , veröffentlicht werden. Die Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Salzburger Grenzen und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik Salzburgs.
(Quelle: salzburg24)