Grenznah

Einzelhandelsforscher warnt vor Einkaufszentren-Ruinen in Österreich

Veröffentlicht: 21. März 2015 12:00 Uhr
Der vorübergehende Stopp für große neue Verkaufsflächen im Einzelhandel in Salzburg hat im Bundesland eine intensive Debatte losgetreten. Bei einer Diskussionsveranstaltung am Donnerstagabend warnte der Einzelhandelsforscher Roland Murauer vor Einkaufszentren-Ruinen und zerstörten Ortskernen.

In Österreich verfüge man bereits über zwei bis drei Mal mehr Verkaufsfläche als im EU-Schnitt.

Ortskerne sterben aus

Murauer ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens CIMA. Er wird eigenen Angaben zufolge immer wieder um "Fünf nach Zwölf" von Kommunen geholt, wenn deren Ortskerne bereits kaum noch wiederzubeleben seien. Er sieht eine bedenkliche Entwicklung: "In Leonding (bei Linz, Anm.) steht ein Einkaufszentrum mit 45.000 Quadratmetern leer, in Altheim in Oberösterreich ein Fachmarktzentrum mit 4.000 Quadratmetern", nannte er nur zwei Beispiele. Dennoch würden weiterhin laufend neue Verkaufsflächen entstehen.

Profitiert nur die Immobilienbranche?

Die Filmemacherin Ulli Gladik, die für ihre Dokumentation "Global Shopping Village" jahrelang zu diesem Thema in Europa recherchiert hat, ortet eine Ursache: "Es werden weiter Einkaufszentren gebaut, die niemand mehr braucht, nur weil große Mengen Geld für diese Investitionen vorhanden sind." Selbst Entwickler von Einkaufszentren äußerten sich in ihrem Film kritisch zum ungebremsten Wachstum. "Der Handel selber wird nicht mehr weiter expandieren, weil die Kaufkraft ausgeschöpft ist. Nur die Immobilienbranche profitiert", stimmte Murauer in diese Bedenken mit ein.

 

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Salzburg: Mehr Verkaufsflächen als im EU-Schnitt

Er untermauerte die aktuellen Entwicklungen mit Zahlen: Im gesamten Bundesland Salzburg stünden pro Einwohner bereits 1,94 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung, im Ballungsraum um die Landeshauptstadt sogar 2,8 Quadratmeter. Salzburg befinde sich damit österreichweit nicht an der Spitze, habe aber zwei bis drei Mal mehr Verkaufsfläche als der EU-Schnitt. "Die Verkaufsflächen-Problematik wird sich noch verschärfen", warnte der Berater, und zwar nicht nur durch weitere Neubauten: "Der Online-Handel wird 15 bis 20 Prozent der Flächen kosten." Weitere Ruinen seien daher zu befürchten.

In einer Umfrage sprach sich der Großteil der SALZBURG24-User (69,35 Prozent) gegen neue Shoppingcenter aus. Nur 22,58 Prozent wollen weitere Einkaufszentren in Salzburg.

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Einkaufszentren schaffen nicht unbedingt Arbeitsplätze

Aber auch das wiederholt vorgebrachte Argument, Einkaufszentren würden neue Arbeitsplätze schaffen, wurde bei der Diskussion relativiert. Gladiks Film zeigte anhand des Beispiels Fohnsdorf in der Steiermark auf, dass dort das Einkaufszentrum "Arena" zwar zunächst neue Jobs gebracht hat, innerhalb weniger Jahre seien aber in den Zentren der Nachbargemeinden - etwa in Judenburg oder Zeltweg - mehr Arbeitsplätze verschwunden. Eine Geschäftsfrau etwa schilderte, dass sie früher acht Mitarbeiter gehabt hätte, heute stünde sie alleine im Geschäft. Und eine Brotverkäuferin schließt nur mehr Samstagvormittag auf, weil während der Woche niemand mehr im Ort sei.

Ähnliche Probleme bei Möbelhäusern

Neben dem Geschäft über das Internet sieht Murauer noch eine weitere Entwicklung problematisch: In Möbelhäusern werde bereits 40 Prozent des Umsatzes nicht mit Möbeln gemacht, sondern mit anderen Waren, in Baumärkten verhalte es sich nicht viel anders. Und Filmemacherin Gladik hat noch eine weitere Tendenz beobachtet: In Wien seien früher florierende Geschäfte im Erdgeschoß nach und nach leer gestanden: "Jetzt findet man Garagen drinnen."

„Qualitative statt quantitativer Entwicklung“

Für den Einzelhandelsforscher kann der Ausweg nur "qualitative statt quantitative Entwicklung" heißen, weil die Kaufkraft nur einmal verteilt werden könne. Ähnlich sieht es die Salzburger Raumordnungsreferentin LHStv. Astrid Rössler (Grüne), die für ihren vorübergehenden Stopp für weitere Einkaufszentren von einzelnen Seiten auch scharf kritisiert wird. Sie will den Konsens in der Raumordnungspolitik - vor allem mit den Gemeinden - über die das Ziel "Eindämmung der Zersiedelung" erreichen. Rössler träumt von Siedlungsräumen mit Fußläufigkeit, von "lebbaren, schönen Orten, wo ich beim Bäcker oder im Schreibwarengeschäft einkaufen kann, mit familiengeführten Unternehmen und persönlicher Begegnung".

(APA)

 

(Quelle: salzburg24)

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