Nach Angaben aus Ermittlerkreisen verdichteten sich unterdessen Hinweise auf ein Fehlverhalten des Fahrdienstleiters. "Die Untersuchungen gehen in Richtung des Fahrdienstleiters", sagte ein mit den Ermittlungen Vertrauter am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Die eingleisige Strecke sei für beide Züge freigegeben worden, obwohl die Systeme in solchen Fällen immer warnen. Ein Sprecher der deutschen Bundespolizei wollte sich allerdings nicht auf menschliches Versagen festlegen. "Das können wir nicht bestätigen. Es wird in alle Richtungen ermittelt."
Bad Aibling: Sonderkommission ermittelt
Um die Ursache für die verheerende Kollision zweier Regionalzüge der privaten Bayerischen Oberlandbahn auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim zu klären, arbeitet nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) eine 50-köpfige Sonderkommission. Zu den bisherigen Ergebnissen wollten die Pressestellen von Polizei und Staatsanwaltschaft unter Verweis auf laufende Ermittlungen keine Stellung nehmen.
Ermittlungen stehen noch am Anfang
Ein Polizeisprecher an Ort und Stelle sagte, zwar könne ein Fehler oder Vergehen - etwa des diensthabenden Fahrdienstleiters - nicht ausgeschlossen werden. Doch sei der Fahrdienstleiter bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Regionalzüge am Dienstag befragt worden. Daraus ergebe sich noch "kein dringender Tatverdacht", sagte Polizeisprecher Jürgen Thalmeier. Die Ermittlungen stünden noch am Anfang. Bahnchef Rüdiger Grube sagte: "Haben Sie Verständnis, dass ich den Untersuchungsergebnissen nicht vorgreifen möchte."
Menschliches Versagen?
Die Deutsche Presse-Agentur hatte "aus zuverlässiger Quelle" erfahren, dass die Tragödie im oberbayerischen Landkreis Rosenheim durch menschliches Versagen ausgelöst worden sei. Am Mittwoch ermittelten die Beamten auch im Stellwerk von Bad Aibling. Experten der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes waren an der Unfallstelle.
Zwei Blackboxes geborgen
Zwei der sogenannten Blackboxes aus den Zügen seien bereits geborgen worden, die dritte könnte noch am Mittwochnachmittag folgen, erklärte Dobrindt. Ohne eine Analyse der Daten dieser Fahrtenschreiber, die ähnlich wie in Flugzeugen Informationen über das Fahrzeug sammeln, sei eine Klärung des Hergangs schwierig, erläuterte der Minister.
Zugunglück: Keine weiteren Todesopfer
Nachdem in den Trümmern des Zuges niemand mehr vermisst wird, geht die Polizei davon aus, dass es bei der bereits am Vortag genannten Zahl von zehn Todesopfern bleibt. Auch die Schwerverletzten würden wohl alle überleben, hieß es.
Identitäten der opfer weitgehend geklärt
Die Ermittler stellten unterdessen die Identität von neun der zehn Opfer fest. Dabei handelt es sich ausschließlich um Männer im Alter von 24 bis 60 Jahren, wie Thalmeier sagte. Alle stammten aus der Region. Unter ihnen seien auch die zwei Lokführer sowie ein Lehr-Lokführer, der routinemäßig einen der beiden Männer auf seiner Fahrt begleitete. Österreicher seien weder unter den Toten, noch unter den Schwerverletzten, teilte Außenamtssprecher Thomas Schnöll der APA unter Berufung auf Informationen der deutschen Behörden mit. Der Einsatzleiter und Gesamtkoordinator der Tiroler Hilfskräfte bei dem Unglück, der Kufsteiner Bezirksrettungskommandant Gerhard Thurner, zollte seinen bayerischen Kollegen ein großes Lob.
17 Schwer und 63 Leichtverletzte
Neben den zehn Toten gab es 17 Schwer- und 63 Leichtverletzte. Von letzteren konnten viele das Krankenhaus nach einem kurzen Aufenthalt bereits wieder verlassen. Mehr als 300 Menschen erklärten sich nach dem Zugsunglück zu Blutspenden bereit.
Hohe Ausblidungsstandards
Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der österreichischen Gewerkschaft vida, hob in einer Stellungnahme die Bedeutung einheitlicher, hoher Ausbildungsstandards im europäischen Eisenbahnwesen hervor. "Die bisherigen Aktivitäten der Europäischen Kommission gehen hier leider den genau gegenteiligen Weg." Einheitliche Ausbildungsstandards, etwa für einen Fahrdienstleiter, suche man vergebens. Die European Railway Agency (ERA) versuche, die Anforderungen an Grundqualifikation beim Triebfahrzeugführer auf Volksschulniveau zu senken.
Bayern: Schwerstes Zugsunglück seit 40 Jahren
Es ist das schwerste Bahnunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren. Am Mittwoch traf schweres Gerät, darunter ein Spezialkran, für die Bergung der Zugwracks in Bad Aibling ein. Die Aufräumarbeiten werden durch die gleichen Umstände erschwert wie die Rettung der Opfer: Die Unglücksstelle liegt in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und ist nur schwer zu erreichen. Die Bergung der Trümmer wird daher wohl mehrere Tage dauern. Wegen des Unglücks hatten sich die Parteien in Bayern entschieden, auf den Politischen Aschermittwoch zu verzichten, bei dem traditionell mit markigen Worten in Bierzeltatmosphäre der politische Gegner ins Visier genommen wird.
(APA)
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(Quelle: salzburg24)