Die EU-Kommission hat dem Mercosur-Abkommen mit den südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay vor knapp einer Woche grünes Licht gegeben. Es wäre die größte Freihandelszone der Welt, mit einem schrittweisen Abbau von rund 91 Prozent der Zölle auf EU-Exporte in die Mercosur-Länder. Unternehmen könnten laut EU-Angaben jährlich bis zu vier Milliarden Euro an Zollkosten sparen, die EU-Ausfuhren in die Region könnten den Berechnungen zufolge um bis zu 64 Prozent steigen – bei Industriegütern sogar um bis zu 94 Prozent.
Wirtschaft wittert Chancen, Landwirtschaft hat Sorgen
Die Salzburger Industriellenvereinigung (IV) sieht im Abkommen vor allem wirtschaftliches Potenzial: IV-Präsident Peter Unterkofler erklärte zuletzt via Aussendung, dass der Mercosur-Pakt entscheidend sei, um Exportmärkte breiter aufzustellen. "In geopolitisch unsicheren Zeiten und wirtschaftlichen Schwächephasen brauchen wir den Zugang zu neuen Märkten – nicht neue Handelsbarrieren." Gerade angesichts hoher US-Zölle könnten österreichische Unternehmen deutlich profitieren und neue Märkte erschließen.
Die Landwirtschaft reagiert dagegen weiterhin ablehnend. Österreichs Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger warnte in einer Medienmitteilung: "Dieses Handelsabkommen würde die wirtschaftliche Basis der Bauernfamilien und der heimischen Lebensmittelerzeugung massiv schwächen." Mit dem Abkommen würden unter anderem 99.000 Tonnen Rindfleisch, 180.000 Tonnen Hühnerfleisch und Millionen Tonnen Mais zollfrei nach Europa gelangen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisiert zudem, dass dies Ökosysteme wie den Amazonas zusätzlich massiv belasten würde.
Thomas Albrecht von der Salzburger Wirtschaftskammer (WKS) widerspricht im SALZBURG24-Gespräch am Montag entschieden: "Die heimische Landwirtschaft wird durch das Abkommen nicht unterwandert. Der Handel ist durch Quoten geregelt, eine Flut von Billigprodukten wird es nicht geben."
Kritik an Umwelt- und Sozialstandards
Die globalisierungskritische NGO Attac sieht dagegen vor allem ökologische und soziale Risiken. Studien zufolge könnten EU-weit bis zu 120.000 Jobs verloren gehen, in Österreich etwa 1.200 – vor allem in Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie und Dienstleistungen. Albrecht von der WKS ist gänzlich anderer Ansicht: "Durch das Abkommen und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Aufschwung werden Arbeitsplätze in Salzburg und Österreich gesichert."
Ein weiterer Kritikpunkt von Mercosur-Gegner:innen: Transport und Entwaldung für Rindfleisch- und Sojaproduktion würden die Treibhausgasemissionen steigen lassen. Attac bezeichnet die Klimaverpflichtungen des Abkommens als weitgehend symbolisch. Durch die Einbindung des Pariser Klimaabkommens sei es jedoch ein "sehr gutes und faires Abkommen", entgegnet Albrecht von der WKS dazu. "Die Passage mit dem Pariser Klimaabkommen findet sich in jenem politischen Teil des Abkommens wider, der vielleicht nie in Kraft tritt", heißt es hingegen seitens Greenpeace. Der Klimaschutz werde damit auf die lange Bank geschoben, wird kritisiert.
Wifo-Experte sieht Perspektiven für Österreich
Wifo-Ökonom Harald Oberhofer verwies im APA-Gespräch zuletzt auf Schutzklauseln, einen geplanten Ausgleichsfonds und die bestehenden Zollsätze über die Quoten hinaus. "Gerade für die unter den US-Zöllen leidende Austro-Industrie ergeben sich Chancen. Auch der Agrarsektor könnte mittelfristig profitieren", erklärt Oberhofer. Profitieren würden zudem Betriebe aus der heimischen Stahl- und Aluminiumwirtschaft, Maschinenbauunternehmen sowie die Arzneiproduktion, ergänzt Albrecht. Österreich sei stark von internationalen Handelsmöglichkeiten abhängig, ein bevorzugter Zugang zum Mercosur-Markt stärke die eigene Position in geopolitisch unsicheren Zeiten.
Zudem könnten geschützte heimische Produkte wie Gailtaler Almkäse, Steirisches Kürbiskernöl oder Tiroler Speck auch in den Mercosur-Staaten nach Herkunft geschützt werden. Die besonders kritisierten Rindfleischimporte sind zudem auf 99.000 Tonnen bzw. 1,5 Prozent des EU-Marktes gedeckelt. Alles darüber bleibt verzollt.
Mercosur-Abkommen: Politische Weichenstellungen
In Österreich gilt übrigens seit 2019 ein Parlamentsbeschluss gegen den Mercosur-Deal: Die Salzburger Industriellenvereinigung (IV) hat die Bundesregierung daher aufgefordert, die "ablehnende Haltung zu überdenken und sich der qualifizierten Mehrheit im EU-Rat anschließen." Um den Wirtschaftspakt zu verhindern, müssten vier EU-Mitgliedsstaaten, die mindestens 35 Prozent der Bevölkerung vertreten, gegen das Mercosur-Abkommen stimmen. Frankreich und Polen haben bereits signalisiert, ihre bisher kritische Haltung aufzugeben. Damit könnte die österreichische Stimme im EU-Rat letztlich keine entscheidende Rolle spielen. Das Mercosur-Abkommen wäre damit nur eine Frage der Zeit.
(Quelle: salzburg24)