Gedenken

Widerstand gegen NS-Diktatur bei Eisenbahnern in Saalfelden

Der Sozialdemokrat und Eisenbahner Karl Reinthaler überlebte ein Lager mit Zwangsarbeit, später wurde er Bürgermeister von Saalfelden.
Veröffentlicht: 11. Mai 2025 08:32 Uhr
In Saalfelden ist am Samstag der vierte „Ort des Gedenkens“ eröffnet worden : Ein Kunstprojekt, das dem Eisenbahner Karl Reinthaler gewidmet ist, der während des NS-Regimes durch Zivilcourage auffiel und dafür sechs Jahre in Haft saß.

In Saalfelden ist am Samstag der vierte Salzburger "Ort des Gedenkens" eröffnet worden. Im Auftrag des Landes wird bis 2027 in jedem der sechs Bezirke des Bundeslandes jährlich ein Kunstprojekt auf Zeit umgesetzt, das an verschiedene Formen des Widerstands gegen das NS-Regime erinnern soll. In der Pinzgauer Stadt rückt rund um die Biografie des Wagenmeisters und Lokführers Karl Reinthaler (1913-2000) nun ein Jahr lang der Widerstand der Eisenbahner in den Mittelpunkt.

Eisenbahner für Erhalt des NS-Systems elementar

Die Berufsgruppe der Eisenbahner war für den nationalsozialistischen Systemerhalt elementar, betonen die am Projekt beteiligten Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair. Nicht nur für die Verlagerung von Kriegsgerät, Soldaten oder Nachschub an die Front, später auch zum Transport von Menschen in Konzentrations- und Vernichtungslager. Viele Mitarbeiter der Reichsbahn waren nationalsozialistisch organisiert oder Mitläufer, manche richteten sich auch gegen die NS-Diktatur.

Saalfelden war damals ein betriebsamer Bahnhof. Die Opposition zum Regime war dort allerdings nicht von Sabotageakten getragen. Im Pinzgau wurden andere Mittel gewählt als das Durchschneiden von Bremskupplungsschläuchen oder Vertauschen von Wagenbezettelungen, um Züge an falsche Zielbahnhöfe zu schicken: Im Vordergrund stand die Verbreitung von Information und Flugzetteln, die Unterstützung von Verfolgung betroffener Familien, aber auch passiver Widerstand im Alltag.

Sechs Jahre Zuchthaus wegen Geldspende

Einer der Widerständler war Karl Reinthaler, der - anders als manche seiner Eisenbahner-Kollegen im Ort - nicht den Kommunisten beitrat, sondern stets ein überzeugter Sozialdemokrat blieb. Er war politisch gar nicht im Widerstand organisiert, fiel aber durch Schwarzhören, Schmuggeln von Zeitungen oder das Verlassen des Saalfeldener Bahnhofsrestaurants bei Propagandareden auf. Er wurde schon 1939 bei der Gestapo aktenkundig, weil er den Einmarsch in Polen und die Bezeichnung der Polen als "Untermenschen" kritisiert hat. Ins Gefängnis brachte ihn aber, dass er eine Kioskbesitzerin finanziell unterstützte. Die Frau hatte ihren Laden schließen müssen, weil ihre Söhne als Kommunisten verhaftet worden waren.

Reinthaler wurde von der Wirtin des Bahnhofsrestaurants denunziert, 1942 von der Gestapo verhaftet und zu sechs Jahren Haft verurteilt. Im Zuchthaus musste er Zwangsarbeit verrichten. Erst mit Ende der NS-Herrschaft kam Reinthaler 1945 frei. Er litt aber sein Leben lang unter den Folgen der Haft, die auch seine spätere politische Karriere behinderten. Zwischen 1972 und 1979 war er dennoch SPÖ-Bürgermeister von Saalfelden und gab später als Zeitzeuge Interviews.

Vierteljahrhundert nach Tod: Audiostationen holen Widerständler zurück

Ihm wird in Saalfelden nun mit dem Kunstprojekt "Der kürzeste Weg" von Rosa Andraschek und Simon Nagy gedacht. Fünf Audio-Stationen in der Stadt spielen ein Jahr lang kurze Auszüge aus dem vermutlich letzten Interview mit Reinthaler von Mitte der 1990er Jahre ab. In ihnen berichtet er über seine Erfahrungen während der NS-Zeit. Kurze Passagen werden dabei mit größeren Themen verknüpft, etwa die Rolle der Eisenbahnen im NS-System, Formen des Widerstands, Denunziation und Beteiligung der Bevölkerung am Terror, Saalfelden während der NS-Zeit und nach der Befreiung. Sobald der Bewegungsmelder einer Station ausgelöst wird, erklingt Reinthalers Erzählung. Sie wird abgespielt, solange jemand vor der Station steht.

Titelgebend war die Aufforderung der Gestapo bei Reinthalers Verhaftung, vom Heizhaus in den Ort den "kürzesten Weg" zu gehen. Eine sechste Audiostation erinnert an zehn weitere Widerstandskämpfer aus Saalfelden, vor allem kommunistische Eisenbahner, die 1942 gemeinsam mit Reinthaler verhaftet wurden oder später in Haft kamen.

Langzeitprojekt im Auftrag des Landes

"Orte des Gedenkens" thematisiert sechs Jahre lang im Auftrag des Landes anhand von Einzelschicksalen unterschiedliche Aspekte des Widerstands in Salzburg. Nach dem christlich-sozialen (Flachgau) und kommunistischen Widerstand (Tennengau) stand bisher die Unterstützung von Deserteuren (Pongau) im Fokus. Das Projekt leistet neben der historischen Aufarbeitung und künstlerischen Intervention auch Vermittlungsarbeit: In Saalfelden werden ein Jahr lang Diskussionsabende, Vorträge und Workshops zum Thema veranstaltet.

(Quelle: apa)

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