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Psychologin Nina Pichler über Autismus im Sonntagstalk: "Kinder spüren deutlich, wenn ein Kind anders ist"

Veröffentlicht: 30. März 2025 09:14 Uhr
Ein Prozent der Bevölkerung lebt Schätzungen zufolge im Autismus-Spektrum. In Österreich sind das ca. 87.000 Menschen. Doch was bedeutet die Diagnose wirklich und wie wirkt sich eine autistische Störung im Alltag aus? Darüber haben wir anlässlich des Welt-Autismus-Tags am 2. April mit der Salzburger Psychologin Nina Pichler im heutigen Sonntagstalk gesprochen.

Am 2. April ist Welt-Autismus-Tag. Dieser Tag soll Aufmerksamkeit für die oft unsichtbaren Hürden im Alltag unzähliger Betroffener schaffen. Denn auf den ersten Blick ist eine Autismus-Störung für das Umfeld nicht immer zu sehen, zu spüren ist sie für die meisten Betroffenen aber sehr deutlich. Nina Pichler ist Klinische und Gesundheitspsychologin im Ambulatorium für Entwicklungsdiagnostik und Therapie der Lebenshilfe Salzburg. Seit über sieben Jahren arbeitet sie im Bereich der Frühintervention für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen und der Begleitung ihrer Familien. Im Sonntagstalk gibt sie uns Einblick in das Leben im Autismus-Spektrum.

Sonntagstalk mit Nina Pichler: Auszug zum Nachlesen

SALZBURG24: Welche Einschränkungen gibt es im Alltag?

NINA PICHLER: Das fängt bei ganz alltäglichen Routinen an, also vom Anziehen angefangen über Haare waschen, also wenn sensorische Besonderheiten da sind. Aber natürlich auch der öffentliche Raum, der bietet besonders viele Umgebungen und Gegebenheiten, wo es schwierig wird, weil viele Reize zusammenkommen. Das können Einkaufszentren sein, oder öffentliche Verkehrsmittel, alles, was nicht direkt im total gewohnten Setting ist.

Sie haben gerade Einkaufszentren angesprochen. Da hat die REWE-Gruppe zum Beispiel im Vorjahr in Salzburger Supermärkten ein Projekt gestartet, wodurch in ausgewählten Filialen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Kund:innen eingegangen werden soll. Also das heißt außerhalb der Stoßzeiten wird die Beleuchtung gedimmt, der Geräuschpegel gesenkt, es gibt Sonnenbrillen und die Belegschaft arbeitet ein bisschen langsamer. Ist das für Betroffene hilfreich?

Ich glaube schon. Manche Personen sind sehr stark sensorisch empfindsam und reagieren auf diese Reize besonders stark. Für sie ist es definitiv eine riesige Erleichterung. Diese unkontrollierbaren Stressoren nehmen alle Ressourcen weg von der Person, die versucht zu funktionieren.

Und es ist sicher hilfreich und es hilft auch als Sensibilisierungsthema für andere. Ich habe mit Kolleginnen vor Kurzem darüber geredet und wir empfinden es auch als total angenehm. Also wenn man gestresst ist im Alltag, ist es total fein, wenn man in ein Geschäft kommt und es passiert alles ein bisschen langsamer und es ist ruhiger und vielleicht ein bisschen eine angenehmere Atmosphäre. Ich glaube, das tut jedem gut.

Auf TikTok und Instagram wimmelt es derzeit auch von Posts und Videos, die sich mit Symptomen von psychischen Auffälligkeiten beschäftigen, also ADHS, Autismus und es gibt auch Selbsttests. Kann das auf dem Weg zu einer Diagnose hilfreich sein? Wie schätzen Sie das als Psychologin ein?

Es kann den ersten Ansporn geben, dass man sagt, das könnte es sein. Ich höre was, wo ich mich drin wiedererkenne oder in Teilen wiedererkenne. Es sollte die Motivation geben, um dann wirklich professionelle Hilfe zu suchen und das von Fachkräften diagnostizieren zu lassen.

Manche suchen die Diagnose auch erst im Erwachsenenalter. Meistens fallen sie in den Asperger-Autismus hinein. Sie haben ein funktionierendes Leben, eine Arbeit, Familie vielleicht. Aber da gibt es trotzdem immer wieder Beziehungsthemen oder Probleme mit der sozialen Interaktion oder am Arbeitsplatz. Sie empfinden das dann als Erleichterung, wenn sie einen Namen für diese Schwierigkeiten haben, die man schon ein Leben lang mit sich herumträgt.

Und es ist einfach eine große Erleichterung, wenn man sagen kann, meine Vernetzung im Hirn, die ist einfach anders. Es ist nicht meine Schuld.

Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's ab sofort wieder jede Woche. Am kommenden Sonntag spricht Anna Gruber mit DJ Dominique Jardin über Elektronische Musik und die Lage von Frauen in der Szene. Einfach reinhören!

Bildergalerien

(Quelle: salzburg24)

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