Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz gab am Sonntag Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bekannt, am Montag bei einem Treffen der EU-Umweltminister:innen für das EU-Renaturierungsgesetz stimmen zu wollen. "Jetzt zu zögern, geht sich mit meinem Gewissen nicht aus", sagte Gewessler am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Wien. Der Koalitionspartner ÖVP reagierte empört und warf Gewessler "Verfassungs- und Gesetzesbruch" vor. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach von "Koalitionsbruch".
Gewessler: "Signal der Entschlossenheit"
Sie habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, wolle aber "ein Signal der Entschlossenheit und des Mutes setzen", sagte Gewessler. "Im entscheidenden Moment will ich das Richtige tun und mich nicht verstecken." Allfälligen Gegenwind "halte ich aus", hielt sie fest: "Wenn ich in 20 bis 30 Jahren mit meinen Neffen und Nichten spazieren gehe, möchte ich ihnen die Schönheit des Landes zeigen." Auf die Frage eines Medienvertreters, ob sie infolge ihrer Entscheidung einen Koalitionsbruch mit der ÖVP befürchte, meinte Gewessler: "Keineswegs". Sie habe sich ihre Zustimmung mit mehreren Rechtsgutachten absichern lassen.
Der Koalitionspartner ist allerdings schwer verärgert und beurteilte das anders. Die Klimaschutzministerin "begeht vorsätzlich einen Verfassungs- und Gesetzesbruch. Das ist in höchstem Maße unverantwortlich und befremdlich, ist sie doch wie alle übrigen Regierungsmitglieder vom Bundespräsidenten auf die Verfassung angelobt", richtete Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) der grünen Regierungskollegin aus. Unabhängig von der Sache gehe es darum, "dass Recht Recht bleiben muss. Die Ideologie darf niemals über dem Recht stehen", sagte Edtstadler.
"Die Klimaschutzministerin ist verfassungsrechtlich an die Stellungnahme der Bundesländer gebunden und auch an das Bundesministeriengesetz, wonach sie das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium herzustellen hat. Sich über die Verfassung und über Gesetze zu stellen, ist eine neue Dimension. Das muss und wird rechtliche Konsequenzen haben", kündigte Edtstadler in einer der APA übermittelten Stellungnahme an. Um welche "rechtlichen Konsequenzen" es sich handelt, war am Sonntag nicht zu eruieren - dies werde noch beraten, hieß es aus der ÖVP zur APA. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte am Rande der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, es gebe klare Regeln. "Ich gehe davon aus, dass die Ministerin die Verfassung einhalten wird, auf die sie angelobt ist."
Haslauer: "Undemokratisch und äußerst bedenklich"
"Der im Zuge der heutigen Presseerklärung von Bundesministerin Gewessler zu Tage getretene Alleingang, der EU-Renaturierungsverordnung die Zustimmung zu erteilen, ist ein Affront gegenüber den Bundesländern und der ländlichen Bevölkerung", so Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) in einer Aussendung am Sonntag. Gewessler stelle damit ihre Sicht über die Interessen der Länder. Das Vorgehen sei undemokratisch und äußerst bedenklich. Nach Ansicht Haslauers sei es zudem "rechtswidrig, dieser EU-Verordnung unabgestimmt und trotz fehlender Zustimmung der Bundesländer den 'Sanctus' auszusprechen."
Svazek: "EU-ideologisches Wahlkampfmanöver"
Auch Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) kommentierte die Ankündigung Gewesslers in einer Aussendung am Sonntag. "Statt einer verantwortungsvollen Umweltpolitik im Sinne Österreichs, zündet die Grüne Ministerin ein EU-ideologisches Wahlkampfmanöver auf dem Rücken unserer Land- und Forstwirtschaft." Svazek kritisiert vor allem das Hinwegsetzen über die mehrheitliche Aussprache der Länder. Nehammer müsse nun durchgreifen und Führungsstärke beweisen.
Berthold: Gewessler übernimmt Verantwortung
Nach Ansicht der Landessprecherin des Salzburger Grünen, Martina Berthold, übernimmt ihre Parteikollegin Verantwortung. "Sie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, letztendlich jedoch die richtigen Prioritäten gesetzt und eine klare Haltung bezogen. Damit folgt sie den Forderungen der Menschen in Österreich, die den Schutz unserer Natur einfordern. Das zeigt eine aktuelle Umfrage."
NEOS und SPÖ unterstützen Gewesslers Vorgehen
Zuspruch erhielt Gewessler auch von den NEOS. "Die Menschen in Österreich haben null Verständnis für das gegenseitige Blockieren in einer gescheiterten Koalition und das ewige Hickhack zwischen Bund und Ländern. Sie erwarten sich zu Recht, dass Regierende ihrer Verantwortung nachkommen und arbeiten", so NEOS-Klima- und Umweltsprecher Michael Bernhard nach der Ankündigung von Ministerin Gewessler.
SPÖ-Vorsitzendes Andreas Babler und SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr meinten in einer gemeinsamen Stellungnahme, es sei zwar "bedauerlich, dass sich die Ministerin viel zu lange Zeit gelassen hat, Verantwortung zu übernehmen, aber es ist gut und wichtig, dass sie diesen wichtigen Schritt nun geht." Es sei "letztendlich ein guter Tag für den Schutz unserer Umwelt".
Greenpeace: "Umwelthistorischer Meilenstein"
Als "umwelthistorischen Meilenstein" bezeichnet Alexander Egit, der Geschäftsführer von Greenpeace Österreich, die Zustimmung von Umweltministerin Leonore Gewessler zum Renaturierungsgesetz. Es handle sich dabei um das wichtigste Naturschutzgesetz der Europäischen Union. Scharfe Kritik übt der Greenpeace-Geschäftsführer hingegen an der ÖVP: "Greenpeace begrüßt ausdrücklich, dass sich Umweltministerin Gewessler konsequent und mit starkem grünen Rückgrat gegen die naturfeindliche Blockiererpartei ÖVP durchgesetzt hat."
Als "weise und verantwortungsbewusste Entscheidung" bezeichnet der Präsident des Umweltdachverbandes, Franz Maier, das Vorgehen Gewesslers. "Spätestens seit dem Beschluss der Wiener Landesregierung am 11. Juni 2024 für das EU-Renaturierungsgesetz, war klar, dass keine einheitliche Bundesländer-Stellungnahme mehr vorliegt und der Weg frei ist, diesem wichtigen Gesetz endlich zuzustimmen." Europa könne seinen Wohlstand nur bewahren, wenn es die Folgen der ökologischen Krisen eindämmt und ihre Ursachen bekämpft.
(Quelle: salzburg24)