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Eva Glawischnig gibt Rücktritt bekannt - Grünen-Nachfolge noch unklar

Nach der Rücktrittsverkündung war Glawischnig sichtlich erleichert.
Veröffentlicht: 18. Mai 2017 06:11 Uhr
In der Nacht auf Donnerstag wurde bereits spekuliert, seit kurz nach 10 Uhr ist es fix: Grünen-Chefin Eva Glawischnig tritt zurück und legt alle Ämter nieder. Beim emotionalen Abschied gab sie gesundheitliche Bedenken und eine Verantwortung der Familie gegenüber als Gründe an. Die Tiroler Landeschefin Ingrid Felipe soll die Nachfolge antreten, auch Salzburgs Astrid Rössler gilt als Kandidatin. Wer die Parteispitze übernimmt, soll am Freitag in einem Bundesparteivorstand in Salzburg geklärt werden. Interimistisch leiten jedenfalls ihre Stellvertreter Felipe und Werner Kogler ab sofort die Geschicke.
SALZBURG24 (Florian Gann)

Eva Glawischnig ist als Bundessprecherin der Grünen zurückgetreten. Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Donnerstagvormittag nannte sie hierfür gesundheitliche Gründe. Glawischnig war allerdings nach dem ausbleibenden Aufschwung nach der Bundespräsidentenwahl, aber auch nach dem Rausschmiss der Jungen Grünen aus der Bundespartei parteiintern unter Druck geraten.

Glawischnigs Rücktrittserklärung in Kurzform:

Glawischnig legt alle Funktionen zurück, Nachfolge ungewiss

Sie legt alle Funktionen zurück, jene als Bundessprecherin, als Klubobfrau und ihr Nationalratsmandat. Wer die Nachfolge Glawischnigs in der Partei übernimmt, blieb vorerst offen. Die scheidende Parteichefin verwies auf den erweiterten Bundesvorstand am Freitag in Salzburg. Eine persönliche Empfehlung verweigerte sie, verwies aber auf die Bedeutung von Frauen in politischen Führungspositionen.

Hier könnt ihr die Entwicklungen im Liveticker nachlesen.

"Persönliche Gründe" für Rücktritt

Ihre Entscheidung zum Rückzug sei "eine zutiefst persönliche" gewesen, so Glawischnig, die mehrfach mit den Tränen kämpfte. Getroffen habe sie diese, als klar war, dass es bald Neuwahlen geben werde. Einen sonstigen unmittelbaren politischen Anlass bestritt sie. Sie wolle ihren Kindern weiter in Gesundheit zur Verfügung stehen.

Glawischnig appellierte an die Parteien, sich darauf zu besinnen, "was wirklich relevant ist" und sich nicht darauf zu konzentrieren, wie man Wählerängste mobilisiere. Als "überzeugte Parlamentarierin" warnte sie auch vor dem "Wunsch und Konzept des sogenannten starken Mannes".

Von der "Kärntner Wirtshaustochter" zur Parteispitze

Sie selbst, die "Kärntner Wirtshaustochter", habe als Umweltaktivistin und Juristin begonnen und als Quereinsteigerin bei den Grünen ihre politische Heimat gefunden. Lange sei sie Nummer zwei hinter Alexander Van der Bellen gewesen, und 2008 habe sie die Parteispitze übernommen. "Jetzt ist für mich der Zeitpunkt gekommen, diese Führung abzugeben."

Glawischnig erinnerte an ihre politischen Erfolge, zuallererst den nach langen Jahren geschafften Einzug in den Kärntner Landtag: "Das einzige Mal, wo mir Johannes Voggenhuber (der langjährige EU-Mandatar war einer ihrer vehementesten Gegner in der Partei, Anm.) gratuliert hat."

Als sie die Partei übernommen habe, habe man ihr prophezeit, sie werde nach Van der Bellen ein Drittel der Wähler verlieren. Statt dessen habe man als Team "die erfolgreichste Phase in Österreich" geschafft, mit Zugewinnen in Nationalrats- und Landtagswahlen, fünf Prozent plus bei den Europawahlen und vielen Beteiligungen in Landesregierungen. Als Höhepunkt nannte sie das Projekt, Alexander Van der Bellen als ersten grünen Präsidenten Europas in die Hofburg zu bringen. "Das habe ich und wir maßgeblich unterstützt."

Analyse des Rücktritts:

"Körperliche Warnsignale": Glawischnigs angeschlagene Gesundheit

Wichtig sei es, mutig zu sein. Die Sicherung der Lebensgrundlagen, Umwelt- und Klimaschutz, Gleichstellung und Seriosität in der Politik nannte sie als ihre Hauptthemen. Zum Rücktritt bewegt hätten sie auch "körperliche Warnsignale, die ich ernst nehmen muss". Als Mutter, die von ihren Kindern noch gebraucht werde, habe sie ihre Gesundheit nicht weiter aufs Spiel setzen wollen, erinnerte sie an ihren kürzlich erlittenen allergischen Schock. Sie bedankte sich bei ihren Mitarbeitern, Weggefährten und ihrer Familie.

Sie erinnerte an die verstorbenen SPÖ-Politikerinnen Barbara Prammer und Sabine Oberhauser, denn beide seien für Lösungen und Sachlichkeit gestanden, nicht für ein "Duell der Eitelkeiten". "Ich war sehr oft die einzige Frau in politischen Runden", stellte sie fest und meinte, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe, würde die politische Kultur anders aussehen.

An alle Social Media-Nutzer appellierte sie weiters, die Debattenkultur zu verändern, damit nicht der Hass dominiert. Als Privatperson werde sie auch weiterhin gegen Hass im Netz mit Musterklagen vorgehen. Dies will sie "mit aller Kraft weiter betreiben".

"Sexistische Machos": Auch Medien bekommen Kritik ab

Auch "einige Persönlichkeiten" in der Medienbranche kritisierte sie, da diese das Klima in der Republik "regelrecht vergiften" und journalistische Sorgfalt vermissen ließen - oder weil sie "einfach sexistische Machos sind". Bei dem Medientermin saß übrigens auch der "Krone"-Kolumnist Michael Jeannee, der Glawischnig immer wieder in seiner Kolumne heftigst angegriffen hatte, im Publikum.

Glawischnig will klare Parteispitze

Von einer Ämtertrennung zwischen Partei und Mandat hält sie wenig, Glawischnig empfahl dazu einen Blick nach Deutschland. Die Entscheidung hierzulande für eine klare Parteispitze sei historisch relevant gewesen. Ihr Ansatz sei immer "mehr Sichtbarkeit von Weiblichkeit" gewesen, meinte sie zur Frage, ob sie einen Mann oder eine Frau präferieren würde. "Führungskompetenz muss nicht immer in Anzügen und Slim Fit daherkommen", sagte sie.

Felipe, Lunacek, Rössler und Co: Wer übernimmt die Grünen?

Die Tiroler LHStv. Ingrid Felipe hat sich nach dem Rückzug Glawischnigs vorerst nicht dazu geäußert, ob sie deren Nachfolgerin an der Parteispitze werden will. Man habe "eine Reihe geeigneter NachfolgerInnen", postete Felipe auf Facebook. Auch sie verwies auf den am Freitag stattfindenden Bundesvorstand der Grünen.

"Wir werden gemeinsam entscheiden, wer am geeignetsten ist, im Herbst ein starkes Gegenstück zu den nach rechts driftenden Parteien zu sein", meinte die 38-Jährige, die auch stellvertretende Bundessprecherin ist. An "Spekulationen und Gerüchten" werden sich die Tiroler Grünen nicht beteiligen, hieß es indes vonseiten der Landespartei.

Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler wird ebenfalls als mögliche Nachfolgerin gehandelt. Sie hielt sich zum Thema Nachfolge aber ebenfalls bedeckt. "Kein Kommentar", hieß es von ihrer Seite.

Nachfolge-Entscheidung könnte in Salzburg fallen

Auch die Vizepräsidentin des EU-Parlaments und grüne Delegationsleiterin Ulrike Lunacek gibt sich in der Nachfolgefrage bedeckt. Sie fühle sich geehrt, die Entscheidung aber werde spätestens beim Bundeskongress am 25. Juni getroffen, sagte Lunacek am Donnerstag in Straßburg. Die Entscheidung könnte aber schon am Freitag beim Bundesparteivorstand in Salzburg fallen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich am Donnerstag im Namen der Republik bei der scheidenden Grünen Bundessprecherin für ihre langjährige politische Tätigkeit bedankt. Seine Zusammenarbeit mit ihr sei "immer von Vertrauen und tiefem Respekt geprägt" gewesen, sagte ihr Vorgänger an der Grünen Parteispitze.

Von den anderen Parlamentsparteien erntete Glawischnig nach ihrem Rücktritt "Respekt und Anerkennung". Durch die Bank sprach ihr die politische Konkurrenz Dank für die "gute Zusammenarbeit" aus.

So reagieren Österreichs Politiker auf den Abgang

SPÖ-Vorsitzender, Bundeskanzler Christian Kern zeigte sich überzeugt, dass Eva Glawischnigs ehrliches Engagement über die Parteigrenzen hinweg weiterhin sichtbar sein wird." SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler betonte, mit Glawischnig sei es zu jeder Zeit möglich gewesen, "für die Sache zu arbeiten. In der Bildungspolitik war sie über weite Strecken eine wichtige Verbündete."

Klubobmann Andreas Schieder hat sie im Parlament "als Politikerin mit großem Engagement in der inhaltlichen Auseinandersetzung und fairen, respektvollen Umgang mit den politischen Mitbewerbern erlebt". Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) dankte für Glawischnigs Einsatz für den Parlamentarismus und lobte ihre "aufrichtige, faire und respektvolle Art, Politik zu machen".

Auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka dankte Glawischnig für die "gute Zusammenarbeit im Parlament". Lopatka verwies auf zahlreiche wichtige Punkte, in denen man Konsens erzielt habe, etwa auf das Rederecht für Europaparlamentarier oder auf die neuen Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse.

Versöhnliche Worte von Strache und Kickl

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat den Rücktritt Glawischnigs zweischneidig kommentiert. Einerseits würdigte er die Parteiobfrau als Person, kritisierte aber ihre Partei scharf. Man habe politisch zwar so manchen Strauß ausgefochten, sagte er am Donnerstag. Er und FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl zollten Glawischnig für ihren Schritt dennoch Respekt.

"Großen Respekt" zollte auch der NEOS-Vorsitzende Matthias Strolz Glawischnig für ihre Entscheidung. Nach achteinhalb Jahren an der Parteispitze und angesichts der Umstände ist das für ihn "auch ein nachvollziehbarer Schritt". "Trotz inhaltlicher Unterschiede war mit Eva Glawischnig immer ein guter Austausch möglich", sagte Strolz.

"Persönlich betroffen" vom Rückzug Glawischnigs zeigte sich Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar, weil er die "offene und konstruktive Zusammenarbeit" mit ihr geschätzt habe. Lugar meinte angesichts des Rückzuges von Eva Glawischnig, dass sich alle im politischen Zirkus die Frage stellen sollten, "ob der permanente Dauerangriff und die Suche nach 'der' Schlagzeile es wert sind, dass sich jetzt schon sehr junge Politiker aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen müssen".

(APA/SALZBURG24)

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(Quelle: salzburg24)

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