NS-belastet

Straßenumbenennung: Heinrich-Damisch-Straße wird zur Helene-Thimig-Straße

v.l.n.r KPÖ PLUS-Gemeinderat Nikolaus Kohlberger, Bürgerlisten-Gemeinderat Markus Grüner-Musil und SPÖ-Gemeinderat Sebastian Lankes
Veröffentlicht: 28. November 2024 15:29 Uhr
Die Umbenennung der ersten NS-belasteten Straße in der Stadt Salzburg ist nun fix. Aus der Heinrich-Damisch Straße im Stadtteil Parsch wird die Helene-Thimig-Straße.

Nach langen Diskussionen, wie die Stadt Salzburg mit nach NS-Tätern oder -Profiteuren benannten Straßen umgehen soll, wurde nun eine erste Umbenennung fixiert. Der Kulturausschuss des Gemeinderats hat am Donnerstag mehrheitlich beschlossen, die Heinrich-Damisch-Straße im Stadtteil Parsch zur Helene-Thimig-Straße werden zu lassen. Beide Persönlichkeiten waren den Salzburger Festspielen eng verbunden. In der Stadt tragen nur vier Prozent der Straßen den Namen einer Frau.

SPÖ, KPÖ Plus und Bürgerliste stimmten für, ÖVP und FPÖ gegen die Umbenennung. Volkspartei und Freiheitliche hatten sich bereits in der vorherigen Funktionsperiode der Stadtregierung stets gegen eine Änderung ausgesprochen, damals noch mit knapper Mehrheit. Mit der Gemeinderatswahl im Frühjahr 2024 haben sich die Mehrheitsverhältnisse aber geändert. Die erste Umbenennung erfolgt im Rahmen eines Pilotprojekts. Die Stadt will daraus Erfahrungen sammeln, wie man weitere Umbenennungen reibungslos abwickeln könnte. Der finale Beschluss zur Helene-Thimig-Straße fällt im Gemeinderat.

Historiker legten 2021 Politik Umbenennung in 13 Fällen nahe

Eine Historikerkommission hatte in der Stadt drei Jahre lang die Rollen von 66 "braunen" Straßennamenspaten aufgearbeitet und im Juni 2021 einen 1.100 Seiten umfassenden Abschlussbericht vorgelegt. Bei 13 Personen waren die Verstrickungen mit dem NS-Regime so gravierend, dass die Politik auch eine Umbenennung in Erwägung ziehen sollte, befand die Kommission. Eine politische Mehrheit fand sich aber damals nicht. Später wurden in den 13 Fällen lediglich Texte für Zusatztafeln beschlossen.

Unter den "hoch belasteten" Personen finden sich etwa der Dirigent Herbert von Karajan, der Automobilkonstrukteur Ferdinand Porsche, der Bildhauer Josef Thorak oder der Gründer des Salzburger Adventsingens, Tobias Reiser. Der Musikschriftsteller Heinrich Damisch (1872-1961) war eine prägende Figur bei der Gründung der Salzburger Festspiele. Er hatte jedoch eine nachweisliche Nähe zum Nationalsozialismus, war frühes NSDAP-Mitglied und galt als radikaler Antisemit.

Umbenennung der Straße 2025

Die Umbenennung soll 2025 realisiert werden. An der Damisch-Straße liegen acht Adressen mit 34 Haupt- und Nebenwohnsitzmeldungen und vier aufrechten Gewerben. Die Stadt will den betroffenen Anrainerinnen und Anrainern die organisatorische Umstellung erleichtern und etwaige Kosten, etwa für Adressänderungen, Autobeschriftungen, etc. übernehmen. Freilich zeigten sich zuletzt in Zeitungsberichten einzelne Bewohner der Heinrich-Damisch-Straße nicht glücklich über die Umbenennung.

Wer war Helene Thimig?

Helene Thimig wurde 1889 in Wien geboren, stammte aus einer bekannten Wiener Theaterdynastie und schlug selbst eine Schauspielkarriere ein. 1907 debütierte sie im Stadttheater Baden bei Wien. Zehn Jahre später, ab 1917, war Thimig bei Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin engagiert. Thimig und Reinhardt gingen eine Beziehung ein und heirateten Mitte der 1930er Jahre. Thimig war in den folgenden Jahren zentral in den Aufführungen der Salzburger Festspiele. Im Jahr 1937 verließen Thimig und Reinhardt nach den Festspielen Österreich, um für ein Projekt in die USA zu reisen. Nach dem Anschluss war es für Reinhardt, der jüdischer Herkunft war, nicht mehr möglich, nach Österreich zurückzukehren. Thimig wäre dies sehr wohl möglich gewesen, sie blieb aber bei ihrem Mann in den USA, wodurch sie ihren gesamten Besitz in Österreich verlor. Thimig blieb auch nach dem Tod Max Reinhardts im Jahr 1943 in ihrem Exil in den USA. Erst im Jahr 1946, nach dem Sturz des NS-Regimes, kehrte sie nach Österreich zurück. Wo sie zwar willkommen geheißen wurde, allerdings lange um die Rückgabe ihres Besitzes und das Erbe ihres Mannes kämpfen musste.

In den folgenden Jahrzehnten übernahm Thimig wichtige Rollen bei den Salzburger Festspielen und leitete von 1948 bis 1954 das von ihrem verstorbenen Mann gegründete „Max Reinhardt Seminar“. Sie verstarb 1974 in Wien.

Statements von SPÖ, KPÖ PLUS und Bürgerliste

SPÖ-Gemeinderat Sebastian Lankes spricht von einem Meilenstein: „Mit der Umbenennung der Heinrich-Damisch-Straße in Helene-Thimig-Straße setzt die Stadtpolitik in Sachen Erinnerungskultur einen wichtigen Meilenstein. Ich freue mich, dass diese Auszeichnung mit Helene Thimig einer Frau zuteilwird, die eine wichtige Rolle in der österreichischen Kulturszene des letzten Jahrhunderts hatte und nach ihrer Rückkehr nach Österreich lange um ihr Erbe kämpfen musste.“

Gemeinderat Nikolaus Kohlberger von der KPÖ PLUS dazu: „Für die KPÖ PLUS ist es seit langer Zeit ein politisches Anliegen, die Umbenennung von belasteten Straßennamen voranzutreiben, die zum Beispiel bekennende Nationalsozialisten und Antisemiten ehren. Die Würdigung von Helene Thimig im Straßenbild ist erinnerungspolitisch ein wichtiger erster Schritt in die Richtung einer weiteren Aufarbeitung unserer Stadtgeschichte.“

Bürgerlisten-Gemeinderat Markus Grüner-Musil führt aus: „Die Heinrich-Damisch-Straße wird endlich umbenannt! Diese Umbenennung war längst überfällig. Die Bürgerliste hat sich in den letzten Jahrzehnten konsequent für eine kritische Aufarbeitung der NS-Geschichte in unserer Stadt engagiert – nun endlich findet sich im Gemeinderat die nötige Mehrheit. Die Umbenennung in Helene-Thimig-Straße ist auch als klares Bekenntnis gegen Antisemitismus und Fremdfeindlichkeit in der Gegenwart zu verstehen. Diese erste Umbenennung ist wissenschaftlich fundiert. Bei 13 Straßen, darunter die Damisch-Straße, sehen die Expert:innen dringenden Handlungsbedarf. Der umfangreiche Historiker:innen-Bericht kann auf der Homepage der Stadt Salzburg nachgelesen werden – eine Lektüre, die ich sehr empfehle! Städte wie Linz haben gezeigt, dass Straßen-Umbenennungen administrativ gut umsetzbar sind. Ich bin überzeugt, dass uns das auch in Salzburg gut gelingen wird, und dass die Anrainer:innen in den betroffenen Straßen nicht alleingelassen, sondern organisatorisch und finanziell bestmöglich unterstützt werden.“

(Quelle: salzburg24)

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