„Kommunikation ist das wichtigste Instrument, das wir zur Verfügung haben“, sagt Christoph Dachs, Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin. Gestartet hat der heute 65-Jährige im Jahr 1990 als Wahlarzt in Hallein-Rif (Tennengau). Vier Jahre später stellte er auf eine Kassenpraxis um. Seit Anfang des heurigen Jahres führt der Mediziner seine Ordination als Übergabepraxis und bereitet sich langsam aber sicher auf den Ruhestand vor. Aktuell arbeitet er mit seinen zwei Nachfolgerinnen zusammen, die seinen Vertrag übernehmen werden. Wir haben den Hausarzt zum Sonntagstalk in seiner Ordination getroffen und mit ihm darüber gesprochen, was sich in der Medizin in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, welche Chance Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bringen, warum das Gesundheitssystem aus seiner Sicht wenig bis gar keine Struktur hat und wie sich der Anspruch der Menschen an die Medizin verändert hat.
Sonntagstalk mit Christoph Dachs: Ein Auszug zum Nachlesen
SALZBURG24: Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job?
CHRISTOPH DACHS: (Lacht) Die größten Herausforderungen im Job sind, dass man immer dranbleibt, sich wissenschaftlich immer wieder gut aufstellt, dass man zur Selbstkritik und Selbstreflexion fähig ist und immer wieder hinterfragt, ob das, was man alltäglich tut, in Ordnung ist oder man etwas nachschärfen muss. Die Medizin entwickelt sich sehr schnell weiter. Die Basics sind allerdings da und die haben wir auch intus. Aber ich muss mich auskennen bei neuen Medikamenten oder bei neuen Therapieformen. Ich muss mich nicht im Detail auskennen – ich werde sicher nicht einem Gynäkologen Konkurrenz machen oder mich in diffizile (schwierige, Anm.) internistische Maßnahmen einmischen. Aber wir müssen uns zumindest auskennen, was da passiert und überlegen ob das, was im Moment mit dem Patienten passiert, gut für ihn ist oder nicht, weil wir so nah an ihm dran sind.
Was sind die häufigsten Anliegen, mit denen die Menschen zu Ihnen kommen?
Wenn man es ganz medizinisch betrachtet, ist einer der häufigsten Anlässe zur Konsultation Kreuzschmerz oder Schmerz am Bewegungsapparat. Natürlich auch Infektionen – gerade in der jetzigen Zeit. Das ist auch unser tägliches Geschäft. Wir haben Schwindel als nicht so seltenes Symptom. Aber was auch dazukommt ist diese psychosomatische Komponente, dass man oft Symptome nicht gleich einordnen kann. Man geht in die Erforschung und kommt drauf: Da ist eine starke psychische Komponente mit dabei. Dabei ist auch wichtig zu sagen, dass nicht alles psychisch ist.
Hat sich die Beziehung zu den Patientinnen und Patienten in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten verändert? Oder ist das etwas, das immer gleichgeblieben ist?
Es hat sich verändert – ganz klar. Das hat mehrere Aspekte. Das eine ist, dass ich mittlerweile ein älterer Herr bin, der ein ganz anderes Auftreten und eine ganz andere Autorität hat. Am Anfang ist es mir sehr häufig passiert, dass Patienten aufgetreten sind – vor allem ältere Herren – die gesagt haben: „Der soll machen und nach unseren Vorstellungen reagieren.“ Das passiert mir heute nicht mehr, weil ich die Autorität und das fachliche Wissen habe, dass ich sagen kann: „Das tun wir nicht, sondern wir gehen diesen oder jenen Weg.“
Natürlich hat sich die Gesellschaft auch verändert. Auch Corona hat einiges dazu beigetragen, dass eine gewisse Skepsis mitschwingt, dass auch eine Wissenschaftsfeindlichkeit um sich greift, die mich ein bisschen irritiert. Allerdings kann ich das mit Gesprächen mit den meisten Patienten gut diskutieren. Und die meisten Patienten folgen doch meinen Argumenten. Es geht jetzt sehr häufig auch um Nahrungsergänzungsmittel, die von so vielen Leuten geschluckt werden. Wenn ich ihnen sage: „Nein, das ist nicht notwendig, du hast genug, außer du hast eine Erkrankung, die einen Vitaminmangel verursacht.“ Dann sind die Patienten eher dankbar, weil sie sehr viel Geld für solche Dinge ausgeben, die aus meiner Sicht nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Ein großer Teil der Hausärztinnen und Hausärzte geht langsam in Pension, manche haben das schon getan. Wie steht es um den Nachwuchs?
Das ist sicherlich die große Frage. Ich bin selber ein Baby-Boomer. Meine Generation geht jetzt in Pension, ich bin offiziell eigentlich auch schon in Pension. Da muss der Generationenwechsel stattfinden. Ein Thema, das uns die Sache erschwert, ist, dass die Allgemeinmedizin immer mehr weiblich wird. Das ist prinzipiell sehr gut, ich habe selber zwei Nachfolgerinnen, die meinen Kassenvertrag übernehmen werden. Es sind sehr nette, sehr engagierte Kolleginnen, mit denen ich sehr glücklich und zufrieden bin. Die andere Geschichte ist, dass sie nur in Teilzeit arbeiten, weil sie Familie haben. Ärztinnen haben meist einen Partner, der auch Akademiker ist, seinen Job hat und 40 Stunden oder mehr arbeitet. Das heißt, die Betreuung der Familien bleibt meist wieder bei den Frauen hängen. Und deshalb ist es auch vollkommen einzusehen, dass sie sagen: „Wir können nicht so viel arbeiten.“ Aber das verschärft das ganze Problem noch einmal. Das heißt, wir müssen daran arbeiten. Wir orten aber doch, dass deutlich mehr Interesse an der Allgemeinmedizin besteht.
Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's jede Woche. Am kommenden Sonntag, 27. April, ist der Salzburger Veranstalter Werner Purkhart zu Gast bei Moritz Naderer. Die beiden sprechen über bevorstehende Events in Salzburg und die Entwicklung der Kulturszene. Einfach reinhören!
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(Quelle: salzburg24)