Lesekreise, in denen Studierende kritische Literatur diskutieren – es klingt eigentlich harmlos, was die Gruppierung „Aktion451“ in Österreichs Uni-Städten organisiert. Der Verfassungsschutz sieht das aber anders: Es soll sich um eine „Tarngruppe“ der Identitären Bewegung handeln, die im rechtsextremen Spektrum, konkreter in der „Neuen Rechten“, zu verorten ist. Nach Wien, Graz und Linz ist die „Aktion451“ nun auch in Salzburg aktiv. Ein erster Lesekreis soll kommendes Wochenende stattfinden – allerdings nicht an der Universität. Diese habe der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) bereits zugesichert, ihre Räumlichkeiten nicht für Veranstaltungen der Gruppe zur Verfügung zu stellen, betont Cedric Keller, Vorsitzender der ÖH Salzburg, am Donnerstag im Gespräch mit SALZBURG24.
Gruppierung laut Verfassungsschutz ideologisch „Neue Rechte“
Die „Aktion451“ selbst versteht sich als Gruppe gegen angebliche Denkverbote und sogenannte „antiweiße Ideologie“ an den Universitäten. Kritische Bücher und Gedanken seien dort nämlich ihrer Ansicht nach unerwünscht. Inspiration bei der Namensgebung holte man sich vom dystopischen Roman „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury, in dem ein autoritärer Staat Bücher verbrennt und Lesen als rebellisch gilt. Denselben Geist ortet die Gruppierung an den Hochschulen, die sie mit der Aktion „zurückerobern“ will. Die Waffen dazu? „Unsere Bücher“, heißt es auf der Homepage. Laut Eigenangaben soll es mittlerweile an 17 deutschsprachigen Hochschulen solche Studentengruppen geben.
Das Selbstverständnis der „Aktion451“ steht im starken Kontrast zur Einordnung durch die Sicherheitsbehörden. Der österreichische Verfassungsschutz bezeichnet die Gruppe etwa als eine „Tarngruppe der Identitären“ und ordnet sie damit dem rechtsextremen Spektrum zu. Konkreter: Der „Neuen Rechten“. Diese habe sich die „Überwindung der herrschenden demokratischen, rechtsstaatlichen und gesellschaftlichen Ordnung“ zum Ziel gesetzt hat und wirke gezielt meinungsbildend auf den öffentlichen Diskurs ein. Neben dem „schrittweisen Abbau der demokratischen und liberalen Grundprinzipien“ habe dieser Einschlag der Rechtsextremen vor, „grundlegende Menschenrechte im Verfassungsrang infrage zu stellen und allenfalls zu ändern.“ Fälschlicherweise werde behauptet, es gebe Denk- und Bücherverbote an den Universitäten. Gelesen werden in den Lesezirkeln der „Aktion451“ beispielsweise Werke von Martin Sellner, Ernst Jünger, Julius Evolas – allesamt Autoren, denen Einfluss auf die sogenannte „Neue Rechte“ nachgesagt wird.
Kein Raum für Lesezirkel in der Uni Salzburg
Der erste Lesekreis der „Aktion451“ in Salzburg ist für diesen Sonntag angekündigt. Gelesen wird Sellners neustes Werk „Remigration“. Wo genau, ist allerdings bislang nicht bekannt. Fest steht nur: Irgendwo in der Salzburger Innenstadt und nicht in den Räumlichkeiten der Uni Salzburg. Das sei auch ein zentrales Anliegen der ÖH, betont Keller. Ideologisch finde man es „sehr verwerflich“, was in den Lesekreisen propagiert werde. Man wolle jedenfalls weiterhin im Austausch mit der Raumverwaltung der Uni Salzburg stehen, um auch in Zukunft zu vermeiden, dass die „Aktion451“ hier Platz findet. Weitere Maßnahmen seien nicht geplant. „Das kann sich aber ändern, wenn sich unser Wissensstand ändert.“
Der neue Rektor der Uni Salzburg, Bernhard Fügenschuh, ließ in einem Statement an S24 wissen: „Eine Universität ist ein Ort des intellektuellen Austausches, der für den Fortschritt in den wissenschaftlichen Disziplinen wesentlich ist. […] Darüber hinaus soll eine Universität immer eine Plattform für öffentliche Diskussionen bieten, egal ob es sich um politische Themen oder andere aktuelle Fragen handelt.“ Gegensätzliche Positionen dürfen auch an einer Universität „mit gebotener Diskussionskultur“ und wissenschaftlichem Hinterfragen besprochen werden, so Fügenschuh. Fragen zum geplanten Umgang mit der „Aktion451“ wurden nicht beantwortet.
Rechte Lesekreise im Stil der Identitären
Der Ansatz, durch ein Rebellen-Image an österreichischen Unis Fuß zu fassen, ist kein neuer, wie Rechtsextremismus-Expertin Bianca Kämpf vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes gegenüber SALZBURG24 betont: Auch die Identitäre Bewegung selbst habe das vor dem Verbot ihres Lambda-Symbols im Jahr 2021 versucht. Ganz im Stil von identitären Gruppen und Ablegern gebe sich die „Aktion451“ außerdem modern und grafisch ansprechend, schildert Kämpf: Ihre Auftritte in den Sozialen Medien sollen Wiedererkennungswert schaffen. Zentrale Feindbilder seien „linke Studierende und Fraktionen innerhalb der ÖH“. Die Lesekreise seien der Gruppierung nach als „niederschwelliger Einstieg“ gedacht. Daneben gibt es laut der Expertin aber auch eine Sektion für Aktionen auf der Straße und in den Unis.
„Aktion451“ eng mit rechtsextremer Szene vernetzt
Bei den Mitgliedern der „Aktion451“ handelt es sich laut Verfassungsschutz aber nicht nur um Anhänger der Identitären Bewegung. Am ersten öffentlichen Auftritt der Gruppierung im September 2023 nahmen demnach auch Teile der FPÖ-Jugend und sowie Mitglieder rechtsextremer deutschnationaler Burschenschaften teil. Die Universität Wien hatte damals einen Vortrag des deutschen Publizisten und Rechtsextremen Götz Kubitschek zum Buch „Fahrenheit 451“ in ihren Räumlichkeiten untersagt. Daraufhin wurde der Auftritt in den öffentlichen Raum verlegt – nämlich auf die Stiegen vor der Uni. Die abgesagte Veranstaltung hatte der Ring Freiheitlicher Studenten organisiert. Offiziell eingeladen wurde zu der rechten Kundgebung dann von der damals neu gegründeten Gruppe „Aktion451“. Kubitschek selbst rief dort dazu auf, Lesezirkel an den Unis zu gründen, die sich den Romantitel Bradburys auf die Fahnen schreiben sollten. Bei der Kundgebung wurde auch angekündigt, sich „unseren Platz an den Unis zurück erkämpfen zu wollen“. Es kam laut Medienberichten zu gewalttätigen Ausschreitungen. Die Ideologie der „Neuen Rechten“ sei zudem generell mit Gewalt- und Waffenfantasien verbunden und im gesamten rechtsextremistischen Spektrum ein überdurchschnittlich starker Waffenbesitz bei Aktivistinnen und Aktivisten feststellbar, schildert der Verfassungsschutz.
Die „Aktion451“ war am Donnerstag für SALZBURG24 nicht erreichbar.
PDF: Verfassungsschutzbericht 2023
(Quelle: salzburg24)