Seit 40 Jahren besteht zwischen Salzburg und Singida in Tansania eine Städtekooperation, seit 30 Jahren ist die Entwicklungszusammenarbeit auf die gleichnamigen Regionen ausgeweitet. Viele Projekte wurden seither mit Mitteln aus Salzburg erfolgreich abschlossen, das neue Mädchenwohnheim ist nun ein weiterer Meilenstein – und bedeutet vor allem für die Mädchen und die Familien vor Ort einen großen Schritt in Richtung Empowerment. Denn noch immer sind viele von ihnen im Kreislauf von Beschneidung, Kinderheirat, Teenagerschwangerschaft und Gewalt gefangen.
Die Region Singida liegt im ostafrikanischen Tansania und ist mit einer Fläche von 49.000 Quadratkilometern etwa so groß wie die Slowakei. Zwei Millionen Menschen leben in der Region, rund 230.000 in der gleichnamigen Stadt.
20 Zimmer, 40 Stockbetten, 80 Mädchen
Rund ein Jahr hat der Bau des Mädchenwohnheimes in Mwasauya in Singida gedauert. Insgesamt 40 Stockbetten und 20 Zimmer bieten Platz für 80 Mädchen. Eine Solaranlage liefert Strom für die Abendstunden. 58 Mädchen seien bereits eingezogen, erzählen die Verantwortlichen aus Salzburg im Gespräch mit SALZBURG24, und bald werde es ganz voll sein. Dann soll das Wohnheim der angrenzenden Schule übergeben werden. „Das Heim wird mit einem eigenen Betriebs- und Finanzierungskonzept ins Schulsystem integriert“, schildert Dieter Rachbauer, Projektleiter des Vereins „Salzburg-Singida“.
Rund 125.000 Euro hat der Bau des Heims gekostet – Geld, das zu 100 Prozent aus Salzburg stammt, rund 90 Prozent von Stadt und Land, der Rest wurde mit Spenden an den Verein gestemmt, so Rachbauer. Salzburg könne mit vergleichsweise wenig Geld viel erreichen. Denn durch das Heim eröffne man 80 Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren den Weg in die Sekundarschule – und das für die nächsten 20 bis 25 Jahre.
Schule für Mädchen in Singida nicht selbstverständlich
Dass Mädchen in die Oberstufe gehen, ist in Singida alles anderes als selbstverständlich. Nach sieben Jahren Grundstufe werden sie oft verheiratet. „Die Eltern sehen keinen Grund, ihre Tochter weiter in die Schule zu schicken, außerdem wird sie im Haushalt gebraucht“, erzählt Programmleiterin Andrea Rainer. „Es geht also darum, die Barrieren für Mädchen und deren Eltern so niedrig wie möglich zu machen. Denn nur dann ist die Chance, dass sie in die Schule gehen, größer.“ Eine weitere Barriere ist der oft sehr weite Weg von ihrem Zuhause bis in die Schule. „Wenn die Kinder Pech haben, haben sie sechs, sieben oder zehn Kilometer Fußweg. Die Schule dauert bis vier Uhr nachmittags und dann gehen die noch drei Stunden bis sie zu Hause sind. Sie müssen morgens in der Dämmerung los und kommen abends in der Dämmerung an. Das ist weder für Burschen noch für Mädchen zumutbar.“
Die Problematik sei der tansanischen Regierung bewusst. Der Plan sei auch, in jedem Bezirk ein Hostel neben der Sekundarschule aufzustellen. Nur fehle eben schlicht und einfach das Geld dafür. Entsprechend ist das Land auf Projekte wie dieses angewiesen.
Verein vergibt Stipendien
Im Salzburger Mädchenwohnheim finden vor allem jene Teenager einen Platz, die von weiter entfernt kommen und weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Der Verein vergibt zudem auch Stipendien, bezahlt Schuluniformen, Fahrräder und Lehrmaterial. „Mit dieser Form der Unterstützung erhöhen wir die Chance, dass sie die Schule ordentlich abschließen, sie leichter einen Job finden, eigenes Einkommen erwirtschaften und schließlich auch auf Augenhöhe mit ihrem zukünftigen Mann verhandeln können.
Empowerment braucht Zeit
Der Weg zu einem selbstbestimmen Leben von Frauen in Singida sei aber noch ein langer, ist sich Rainer im Klaren. „Das funktioniert weder ohne die Männer, noch können wir von Außen etwas drüberstülpen. Daher müssen wir mit unseren Projekten auch sehr behutsam sein“, sagt die Entwicklungshelferin. „Wir wollen den Communities und Dorfgemeinschaften bewusst machen, dass es für Mädchen und Frauen auch innerhalb ihrer Traditionen Gestaltungsmöglichkeiten für sie gibt, sie sich also trauen können, ihre eigene Idee vom Leben zu entwickeln.“
"Salzburg-Singida" mit erfolgreichen Gesundheitsprogrammen
In den vergangenen 40 Jahren seit Salzburg in Singida Entwicklungszusammenarbeit leistet, hat es bereits eine Reihe messbarer Veränderungen gegeben. Vor allem im Gesundheitsbereich, weiß Rachbauer. So konnte etwa mit einem Programm, das über sechs Jahre lang an mehreren Gesundheitsstationen lief, die Müttersterblichkeit, die in fast allen afrikanischen Ländern sehr hoch ist, reduziert werden. „Wir haben geschaut, dass Schwangere zu Vorsorgeuntersuchen gehen, auf ihre Ernährung achten oder dass sie ihr Kind nicht alleine, sondern in Anwesenheit einer Hebamme zur Welt bringen. Keine einzige Mutter ist in den letzten zwei Jahren gestorben und die Anzahl der Kinder mit Mangelernährung ist massiv zurückgegangen. Zahlen und Daten bestätigen den Erfolg des Projektes“, freut sich Rachbauer.
„Salzburg-Singida“ feiert am 13. September ein großes Jubiläumsfest zu 40 Jahre Städtepartnerschaft und 30 Jahre Regionalkooperation. Ein Erfolgsprojekt, das die Schwächsten der Gesellschaft unterstützt. Darauf können wir alle stolz sein.
Salzburg und Entwicklungszusammenarbeit
Die Entwicklungspolitik des Landes Salzburg geht im Übrigen auf das Jahr 1963 zurück. In diesem Jahr wurden erstmals Mittel für Entwicklungshilfeprojekte im Ausland im Landesbudget vorgesehen. 1985 wurde ein entwicklungspolitischer Beirat eingerichtet. Heute unterstützt das Land neben Singida auch die Regionalkooperation mit San Vicente (El Salvador) mit jährlich 70.000 Euro, dazu kommen zahlreiche kleiner Projekte. Die Liste von 2023 ist hier abrufbar.
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(Quelle: salzburg24)