Keine Motivationsrede für die bevorstehende Bürgermeister- und Gemeinderatswahl gab es heute von Salzburgs ÖVP-Chef Wilfried Haslauer. Stattdessen stellte er die Sinnfrage: „Wer sind wir eigentlich und wohin wollen wir?“ So fiel in seiner Grundsatzrede der Startschuss zum Neufindungsprozess der ÖVP.
Jedes Jahr Ende Jänner trifft sich die Salzburger Volkspartei zur Gemeindekonferenz. Die Red Bull Arena in Wals-Siezenheim (Flachgau) wurde diesmal zum Veranstaltungsort auserkoren. Rund 300 Funktionärinnen und Funktionäre kamen, darunter Bundesministerin Karoline „Karo“ Edtstadler, die schwarzen Mitglieder der Salzburger Landesregierung, Nationalratsabgeordnete und zahlreiche Bürgermeister aus den Gemeinden. Doch wer sich ein Einschwören auf die anstehende Bürgermeister- und Gemeinderatswahl am 10. März erwartet hatte, lag weit daneben. Denn Landeshauptmann Wilfried Haslauer stellte in seiner knapp einstündigen Grundsatzrede die Sinnfrage.
„Es geht jetzt nicht darum, wer die Wahl gewinnt“
Es gehe jetzt nicht so sehr darum, wer die Wahl gewinne. „Ich glaube, es gilt aufzuwachen. Jetzt geht es um systemrelevante Fragen, wie ‚Was wird aus unserem Menschenbild‘ oder 'Was wird aus unserer Demokratie?‘“ Die „Kraft der Mitte“, wie er die ÖVP einmal mehr bezeichnet, könne die Antwort auf diese Fragen sein. Aber zuerst müsse man sich mit sich selbst beschäftigen und sich als Partei neu definieren, sagt Haslauer. „Was ist unser Gesellschaftsbild?“, „Wer sind wir?“ und: „Warum sind wir ÖVPler?“ – mit diesen Fragen ruft Haslauer am Samstag einen Neufindungsprozess der Salzburger Volkspartei aus. „Wir alle müssen uns neu definieren, bewusst machen, wo wir stehen und wohin wir wollen.“
Christlich-soziale Werte als Vorgabe
Freilich gab der Salzburger Parteichef dabei durchaus eine Marschrichtung vor: die christlich-sozialen Werte seien es, die die ÖVP ausmachen. Das bedeute Würde, Hilfsbereitschaft, Solidarität, Vergebung und Verantwortung. Als Politiker brauche man Kompetenz, man müsse es gut meinen und integer für ein Land arbeiten. „Wir müssen uns bewusst machen, dass wir auch daran arbeiten müssen“, sagt Haslauer mit Anspielung auf diverse Korruptionsvorwürfe gegen ehemalige und aktive ÖVP-Politiker in Österreich. Die Integrität eines Politikers, einer Politikerin beginne schon im Kleinen auf Gemeindeebene, sagt der 67-Jährige.
Sachthemen riss Haslauer am Samstag nur kurz an. „Wir wissen ja alle, was unsere Themen sind“, meint er. So nannte er etwa Bildung als „unsere Überlebenschance, in die wir ein Leben lang investieren müssen“ oder bezeichnete das Eigentum als DNA der Volkspartei: Für die Parole „Wir müssen den Leuten ermöglichen, Eigentum aus normalen Einkommen zu schaffen“ gab es wenig überraschend lauten Zwischenapplaus.
Und zum Thema Migration meinte er: Neben aller Solidarität und Offenheit für Gäste und Zuzug müsse man sich klar sein, dass es keine völlige „Durchlässigkeit“ geben könne. „Menschen aus anderen Kulturen, die frauenfeindlich und intolerant sind und die Vorzüge unseres Systems ausnutzen, um es gleichzeitig zu bekämpfen, haben bei uns nichts verloren.“
Klare Abgrenzung zu FPÖ und KPÖ
Immer wieder teilte Haslauer die Politik in links und rechts – um sich davon abzugrenzen und sich den Platz in der Mitte zu holen. Entsprechend sprach er – und das, ohne Namen zu nennen – von „zwanghafter Gleichheit“, die das Land ruinieren würde, einem „totalitären System“ der FPÖ, gegen das man sich wehren und einem „militanten Natur- und Klimaschutz“ sowie einer „Bevormundung“, gegen die man ebenso ankämpfen müsse.
ÖVP-Neufindung: Startschuss beim Landeskongress
"Wer sind wir und was wollen wir werden" – Haslauer schickt seine Partei also wenige Wochen vor den Bürgermeister- und Gemeindratswahlen auf Identitätsfindung. Der Nachdenkprozess soll bei einem außerordentlichen Landeskongress seinen Anfang finden. In einem Jahr soll dann Bilanz gezogen werden.