Im Sommer passieren grundsätzlich mehr Unfälle im Freien als im Winter. In Österreich wurde im vergangenen Jahr ein Anstieg von sechs Prozent verzeichnet, 116.000 Kids wurden so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Behandlungskosten machten rund 162 Mio. Euro aus. Auch wenn mit 41 Prozent die meisten Unfälle zu Hause passieren, so folgen Freizeit und Sport mit 36 Prozent gleich dahinter. Tödliche Badeunfälle bei Kindern kommen im Bundesland Salzburg glücklicherweise selten vor, die letzten zwei Fälle ereigneten sich in den Jahren 2021 und 2017.
Frage nach der Haftung bei Unfall im Freibad
Wenn nun also ein zehnjähriges Kind gemeinsam mit seinen Eltern ein Freibad besucht – wer haftet im Falle eines Unfalls? "Beim Ticketkauf an der Kassa wird ein Vertrag mit dem Badebetreiber abgeschlossen. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Bademeister automatisch die Aufsicht übernimmt", erklärt Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), bei einem Medientermin am Dienstag.
Die Bademeister:innen schulden zudem keine lückenlose Beaufsichtigung des Badebereichs, das wäre laut Kaltenegger unzumutbar. Es könne aber zur parallelen Haftung der Eltern und des Bademeisters (bzw. des Badbetreibers) kommen. Wie sehr die Eltern ihre Kinder beaufsichtigen müssen, hänge von deren Schwimmkompetenz sowie der Situation im Schwimmbecken ab.
Müssen Eltern auch Freunde der Kinder beaufsichtigen?
Grundsätzlich gilt, dass die Eltern die Aufsichtspflicht für ihr Kind haben und diese bis zur Volljährigkeit besteht. Des Weiteren gibt es eine Aufsichtspflicht durch Vertrag – etwa bei Tagesmüttern – sowie eine faktische Aufsichtspflicht. Diese freiwillige Form entstehe etwa, wenn das eigene Kind Freunde zum gemeinsamen Spielen mitbringt: "Die Aufsichtspflicht entsteht dann faktisch – egal, ob das Kind zugestimmt hat oder nicht. Wichtig in diesem Fall ist es jedoch, die Eltern zu verständigen und Informationen einzuholen, etwa, ob das Kind schwimmen kann oder ob Medikamente benötigt werden", so der Jurist. Wer also den Freund oder die Freundin des eigenen Kindes zum Baden mitnimmt, ist aufsichtspflichtig. Unabhängig davon, ob die Eltern des befreundeten Kindes es wissen, oder nicht.
Keine fixe Altersgrenze bei Aufsichtspflicht
Die Aufsichtspflicht nimmt grundsätzlich mit fortschreitendem Alter ab, fixe Altersgrenzen gibt es allerdings nicht. Jedoch haben sich laut Kaltenegger allgemeine Grundsätze anhand der Rechtsprechung entwickelt: Bei Kleinkindern verlangt die Judikatur eine ständige und lückenlose Beaufsichtigung. Bei Kindern im Alter von drei oder vier Jahren muss man in der Nähe sein und immer eingreifen können. Im Vorschulalter besteht eine Kontrollverpflichtung in kurzen Abständen, ab dem Schulalter ist ein kurzfristiges Alleinbleiben tagsüber möglich.
Bei einem Unfall müssen seitens der Judikatur immer mehrere Umstände beurteilt werden:
- Wie alt ist das Kind?
- Wie entwickelt ist das Kind, etwa in Bezug auf das Gefahrenbewusstsein?
- In welcher Umgebung fand der Unfall statt – etwa im Freibad oder an einem Wildwasser?
- Gab es zuvor bereits solche Vorfälle?
"Es ist immer in der Zusammenschau zu beurteilen, wie alt und wie entwickelt das Kind ist, welche Vorerfahrungen bestehen und in welcher Umgebung es ist. Im Wald nahe dem eigenen Haus wird es bezüglich der Aufsichtspflicht weniger ein Problem sein, als an einer stark befahrenen Bundesstraße", erklärt der Jurist weiter.
Rechtliche Konsequenzen bei Verletzung der Aufsichtspflicht
Doch welche rechtlichen Konsequenzen drohen der aufsichtspflichtigen Person, sollte dem Kind etwas zustoßen? "Man darf nicht immer gleich von Strafen ausgehen. Die häufigsten Sanktionen sind zivilrechtliche Folgen. Das Kind hat gegen die Aufsichtspflichtigen einen Schadenersatzanspruch." Bei einem Unfall mit Verletzung betreffe dies beispielsweise die Behandlungs- und Heilungskosten, im schlimmsten Fall bei tödlichen Unfällen unter anderem Trauerschmerzensgeld und Begräbniskosten.
Zu arbeitsrechtliche Konsequenzen kommt es, sollte etwa eine/r Kindergärtner:in ihre Aufsichtspflicht verletzen. Strafrechtliche Konsequenzen sind dann möglich, wenn ein Kind verletzt oder gar getötet wurde. Hier kommen Delikte wie fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung zum Tragen. "Gerichte verhängen in solchen Fällen aber zumeist keine sehr hohen Strafen, weil der Elternteil durch tiefe Trauer um das Kind bereits genug gestraft ist", gibt der Jurist Einblick. Eine Ausnahme würde hier besondere Fahrlässigkeit oder Rücksichtslosigkeit darstellen.
Kaltenegger weist abschließend darauf hin, dass Rechtsfragen zur Aufsichtspflicht ohne exakte Kenntnis aller Umstände nur ganz grundsätzlich beantwortet werden können. Allein die Änderung eines winzigen Sachverhalts könne die Antwort nahezu ins Gegenteil verändern. Deshalb werden diese Sachverhalte in aller Regel in jahrelangen Gerichtsverfahren gelöst.
Beim Besuch im Freibad sollte jedenfalls der Spaß im Vordergrund stehen, nicht die Sorge um mögliche rechtliche Konsequenzen. Mit einem wachsamen Auge auf den Nachwuchs lassen sich gefährliche Situationen mitunter schon im Vorfeld vermeiden.
(Quelle: salzburg24)