Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) machte in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte. Was als Algorithmus zur Musterkennung begann, wurde nun zu einer generativen KI, mit der sich in wenigen Sekunden Bilder, Texte oder Videos erstellen lassen. Das öffnet neben ungekannten Möglichkeiten auch zahlreichen Gefahren – wie etwa der Manipulation – Tür und Tor und wirft zudem die Frage danach auf, auf welche Zukunft wir zusteuern.
Die einfache Handhabung von Künstlicher Intelligenz, wie das nun in Form von ChatGPT der Fall ist, stellt damit gewissermaßen einen Meilenstein dar. "Wobei nicht technologisch per se, aber kulturell. Dass die Verwendung von ChatGPT so explodiert ist, liegt daran, dass wir zur Eingabe menschliche Sprache verwenden. Und menschliche Sprache ist im Grunde die Software der Kultur", führt der Salzburger KI-Experte Momo Feichtinger im Interview mit SALZBURG24 aus. Die Menschen seien es gewohnt, mit anderen zu chatten, der Umgang mit Künstlicher Intelligenz in Form eines Chat-Bots ist somit einfacher als zuvor. "Das ist neu und hat diese Paradigmenänderung der großen Menge klargemacht."
KI-Revolution erfordert grundlegendes Neudenken
Bei KI handelt es sich damit neben der Industrialisierung oder der Einführung des Internets um eine weitere Revolution in der Geschichte der Menschheit. "Ich bezeichne dies als Momente, in denen sich Effektivität grundlegend geändert hat. Jede dieser Revolutionen war mit einer neuen Technologie verbunden. Beim Internet war es das erste Mal so, dass wir Informationen teilen konnten. Jetzt ist es das erste Mal so, dass wir sie intelligent verarbeiten und neu schaffen können", so der KI-Experte weiter. Künstliche Intelligenz erfordere somit ein komplettes Umdenken – nicht nur in der Arbeitswelt.
Während der Umgang der breiten Masse mit KI noch weitgehend spielerisch ist, warnen Tech-Expert:innen weltweit, darunter X-Chef Elon Musk, vor einer unregulierten Nutzung. In einem offenen Brief forderten im Frühling dieses Jahres zahlreiche Fachleute eine sechsmonatige Entwicklungspause, um Sicherheitsstandards für die Technologie festlegen zu können. Gewarnt wird etwa vor einer Flut von Propaganda und Fake News sowie der Vernichtung vieler Arbeitsplätze und einem generellen Kontrollverlust.
Droht uns ein Realitätsverlust?
Neben der Manipulation oder der militärischen Nutzung von KI warnt Feichtinger hier vor einem Realitätsverlust. "KI kann nun Sprache. Das ist das, worauf wir unser Weltbild aufbauen. Wenn sie also nun plötzlich bessere Religionen erfindet, besser überzeugen kann als ein Mensch oder Beziehungen vortäuscht – dann glaube ich, ist die größte Gefahr, dass wir hier einen Realitätsverlust erleben." Neben den Gefahren könne KI allerdings auch zu enormen Durchbrüchen in der Wissenschaft führen und potenziell die Lebensqualität der Menschen verbessern.
Drei Szenarien zur Zukunft mit Künstlicher Intelligenz
Szenario 1: Dystopie
Wohin die Reise mit der KI letztendlich führt, könne man verständlicherweise nicht genau sagen. Feichtinger gibt dazu aber Einblick in drei mögliche Szenarien. "Zum einen ist es möglich, dass sich die Zukunft in Richtung Dystopie entwickelt. Das würde so aussehen, dass wir eine Weltregierung einsetzen, die von einer Über-KI kontrolliert wird. Ich persönlich denke nicht, dass das passiert. Aber immerhin zehn Prozent der KI-Forscher glauben, dass KI zur Zerstörung der Menschheit führen kann."
Szenario 2: Utopie
Das Gegenteil wäre die Utopie: "Das heißt, wir würden in Fülle leben. Jeder würde ein bedingungsloses Grundeinkommen haben und die Menschen würden nur noch das machen, was ihnen wirklich Freude bereitet. Zudem würden wir in Symbiose mit KI arbeiten", beschreibt der 27-Jährige dieses Szenario.
Szenario 3: Scheinutopie
Als "Scheinutopie" bezeichnet Feichtinger das seiner Meinung nach wahrscheinlichste Szenario. "Ich glaube, dass wir in eine Zeit kommen werden, in der es mehr Fülle für alle geben wird, in der wir mehr erreichen und es vielen wirklich gut geht. Viele Menschen würden aber mit der Frage nach dem Sinn zu kämpfen haben." Gerade die Frage nach dem "warum bin Ich?" würde damit auch spirituelle Auswirkungen haben. Über ein universelles Grundeinkommen hätte laut Feichtinger eine Regierungsinstanz oder Firma zudem einfache Kontrolle über die Menschen: "Diese Scheinutopie wirkt also auf den ersten Blick besser. Wenn wir aber genauer hinschauen, geht es vielen in Wirklichkeit aber schlechter und sie haben Angst, dass, wenn sie etwas Falsches machen, sie potenziell aus der Gesellschaft fliegen."
Welche Zukunft es letztendlich wird, das haben die Menschen jetzt in der Hand. Allzu weit entfernt ist sie allerdings nicht mehr, die Entwicklung habe in Teilen sogar schon begonnen, ist sich der Salzburger KI-Experte sicher.
(Quelle: salzburg24)