Welt

Alexander Van der Bellen 100 Tage Bundespräsident

Veröffentlicht: 28. April 2017 09:23 Uhr
Seit bald 100 Tagen ist Alexander Van der Bellen Bundespräsident, und nach seinen eigenen Worten ist er in seinem Amt angekommen. Doch gerade jetzt brachte ihm eine unbedachte Kopftuch-Äußerung den ersten "Shitstorm" seiner Amtszeit ein. Davon abgesehen gibt der frühere Grüne den Staatsmann, der auch die berühmte Tapetentür - Sinnbild für diskretes Verhandeln - zu bedienen weiß.
Bernadette Mauracher

Dass ein österreichischer Bundespräsident auf tagespolitische Wortmeldungen lieber verzichten sollte, hat Van der Bellen grundsätzlich verinnerlicht. Deutlich wurde dies beim Flüchtlingsthema: Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sprach vom "NGO-Wahnsinn", worauf ihn Van der Bellen nicht öffentlich abkanzelte, sondern subtilerweise Repräsentanten von Hilfsorganisationen zu sich lud und ihre Arbeit lobte.

Freude über VdB in Berlin

Auch allzu kritische Kommentare zu den europapolitischen Volten von SPÖ und ÖVP - von der Familienbeihilfen-Indexierung über das Flüchtlingsumverteilungsprogramm der EU bis hin zur Frage von Flüchtlingscamps in Afrika - verkniff sich das Staatsoberhaupt in guter Tradition ebenso, machte aus seiner eigenen Pro-EU-Haltung wie schon im Wahlkampf aber kein Hehl. Vor allem in Brüssel, aber auch in Berlin wurde dies bei seinen Antrittsbesuchen geradezu mit überschwänglicher Euphorie quittiert.

In Österreich versucht Van der Bellen, möglichst wenig Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass er das erste nicht von einer der beiden einstigen Großparteien gestellte Staatsoberhaupt ist, sondern Ex-Chef einer einstigen Bürgerschreck-Partei. Und so tut er alles, was seine Amtsvorgänger auch schon taten: Das Protokoll achten, Politiker und Sozialpartner zum Gespräch treffen, Regierungsmitglieder angeloben, das Bundesheer besuchen, Schnellstudierende auszeichnen, Staatsgäste empfangen und Gesetze beurkunden.

Dass Staatsoberhäupter in der Öffentlichkeit jedes Wort auf die Waagschale legen müssen, dürfte Van der Bellen wohl bewusst sein, war doch sein Vorgänger Heinz Fischer Meister des "Einerseits-Andererseits". Dazu kommt, dass sich sein persönlicher Mitarbeiterstab großteils aus den Reihen der Grünen rekrutiert. Der Hang zur Inszenierung und zur Kontrolle der Kommunikation ähnlich jenem von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist damit in der Hofburg angekommen.

Van der Bellen will Präsident für alle sein

Spaß an einem offenen Diskurs hat der einstige Uni-Professor aber allemal - und so ist es kein Wunder, dass jene Äußerungen, die bei seinen Medienbetreuern für Schweißausbrüche sorgen, oft bei Diskussionsveranstaltungen fallen: Sei es sein Sager zum solidarischen Kopftuchtragen, sein Achselzucken gegenüber dem Akademikerball oder das Ausplaudern seiner Reisepläne vor Schülern gleich an am ersten Arbeitstag als Bundespräsident.

Den Ton für seine Präsidentschaft gab Van der Bellen schon bei seiner Antrittsrede vor der Bundesversammlung vor. Er wolle - "eh klar" - ein Bundespräsident für alle in Österreich lebenden Menschen sein, sagte er und unterlief damit ironisch den Pathos des von seinem Stab erarbeiteten Redetexts. Die Wandlung scheint damit vollzogen: Vom links-intellektuellen Grünen-Chef über den wahlwerbenden Heimatfreund hin zum Staatsnotar für sechs Jahre.

(APA)

(Quelle: salzburg24)

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