Die Regierung in Baku führt nach Medienberichten den Absturz einer Passagiermaschine der Azerbaijan Airlines in Kasachstan mit 38 Toten auf einen Beschuss durch eine Flugabwehrrakete über Russland zurück. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi meldete am Donnerstag, dies sei ihr durch ranghohe Staatsvertreter in Aserbaidschan bestätigt worden. Es wurden aber keine Namen genannt. Vier mit den Ermittlungen vertraute Personen sprachen ebenfalls von einem Abschuss.
Kasachstan und USA gehen von Abschuss aus
„Niemand behauptet, dass es absichtlich passiert ist“, sagte einer der Insider zur Nachrichtenagentur Reuters. Angesichts der Fakten erwarte die Regierung aber, „dass die russische Seite den Abschuss des aserbaidschanischen Flugzeugs zugibt“. Auch ein US-Regierungsvertreter sah erste Hinweise darauf hindeuten, dass ein russisches Flugabwehrsystem das Flugzeug getroffen haben könnte, berichteten unter anderem die Sender CNN und ABC News unter Berufung auf den Beamten. Das Weiße Haus verwies jedoch auf die noch andauernden Ermittlungen.
In Baku berief sich das Internetportal caliber.az ebenfalls auf nicht genannte aserbaidschanische Regierungsquellen. Demnach sei das Flugzeug am Mittwoch beim Anflug auf die Stadt Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien von einer Flugabwehrrakete des Typs Panzir S getroffen worden. In mehreren Regionen des russischen Nordkaukasus seien um diese Zeit ukrainische Drohnen in der Luft bekämpft worden.
Nach Angaben von caliber.az baten die Piloten um eine Notlandung auf den nächstgelegenen russischen Flughäfen Mineralnye Wody oder Machatschkala. Dies sei nicht genehmigt worden, sodass die Crew das beschädigte Flugzeug über das Kaspische Meer hinweg nach Aktau in Kasachstan gesteuert habe.
Untersuchung zu Flugzeugabsturz ausständig
Offiziell äußerte sich Kasachstan zurückhaltend. Derzeit könne man weder bestätigen noch dementieren, dass die russische Luftabwehr die Maschine abgeschossen habe, sagte der Vize-Regierungschef des Landes. Die Untersuchung habe noch zu keinem Ergebnis geführt, fügte ein Staatsanwalt hinzu.
Das westliche Verteidigungsbündnis NATO forderte Aufklärung. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Familien und Opfern des Azerbaijan Airlines-Fluges J28243“, schrieb Nato-Sprecherin Farah Dakhlallah auf X. „Wir wünschen den bei dem Absturz Verletzten eine schnelle Genesung und fordern eine umfassende Untersuchung.“
Videos zeigen, wie die fast nicht mehr steuerbare Maschine aus Aserbaidschan aus geringer Höhe an der Küste des Kaspischen Meeres abstürzte, ohne den nahe gelegenen Flughafen der Stadt Aktau zu erreichen. Die Agentur Tengrinews veröffentlichte ein Video aus der Kabine der Unglücksmaschine, das heruntergefallene Sauerstoffmasken zeigt, ebenso wie aufgeregte Rufe von Passagieren und die Aufnahme eines bärtigen Mannes, der immer wieder „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) ruft.
Laut dem kasachischen Verkehrsministerium hatte sich die Linienmaschine auf dem Weg von Aserbaidschans Hauptstadt Baku nach Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien befunden. Das Flugzeug vom Typ Embraer 190 sei vom Kurs abgekommen und in rund drei Kilometern Entfernung von Aktau, einer Hafenstadt an der Ostküste des Kaspischen Meeres, „notgelandet“.
Videos zeigen tödlichen Flugzeugabsturz
Auf von russischen Medien veröffentlichten Videos war zu sehen, wie ein Flugzeug auf dem Boden aufschlägt und ein großes Feuer ausbricht. Andere Aufnahmen zeigten ein teilweise ausgebranntes Flugzeug am Boden. Der Vorderteil des Flugzeugs war komplett zerstört. Die Maschine habe nach dem Absturz Feuer gefangen, teilte das kasachische Katastrophenschutzministerium mit. 150 Einsatzkräfte seien entsandt worden, der Brand sei inzwischen gelöscht.
Die kasachischen Behörden hatten zunächst die Zahl von 14 und später dann von 28 Überlebenden genannt – im weiteren Verlauf des Tages berichtete aber die aserbaidschanische Generalstaatsanwaltschaft von 32 Überlebenden. Das kasachische Gesundheitsministerium hatte zuvor auch mitgeteilt, 26 Überlebende seien ins Krankenhaus gebracht worden. Zehn von ihnen seien in einem lebensbedrohlichen Zustand.
An Bord der Maschine hatten sich nach Angaben von Azerbaijan Airlines 62 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder befunden. Bei den Fluggästen handelte es sich laut dem kasachischen Verkehrsministerium um 37 Aserbaidschaner, 16 Russen, sechs Kasachen und drei Kirgisen. Am Abend veröffentlichte die kasachische Agentur Tengrinews eine komplette Passagierliste, auf der auch die Staatsangehörigkeit fast aller Insassen aufgeführt wird. Bei einer Frau fehlten alle Angaben zur Person, ein elfjähriges Mädchen wurde mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgelistet. Nach Angaben der regionalen Gebietsverwaltung wurde die Elfjährige verletzt. 14 Überlebende hatten die Staatsangehörigkeit von Aserbaidschan, zehn von Russland und zwei von Kirgistan.
Die Behörden in Kasachstan und Aserbaidschan leiteten Ermittlungen zu dem Unglück ein. Die aserbaidschanische Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, ein Ermittlerteam sei nach Kasachstan entsandt worden. Das kasachische Innenministerium erklärte, die Ermittlungen bezögen sich unter anderem auf den Vorwurf der „Verletzungen der Sicherheitsvorschriften“ im Flugverkehr.
Aus dem Büro des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew hieß es, der Staatschef habe einen Besuch in Russland abgebrochen, wo er an einem informellen Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) teilnehmen sollte. Alijew habe „die sofortige Einleitung dringender Maßnahmen zur Untersuchung der Unglücksursache“ angeordnet.
Aserbaidschans First Lady Mehriban Alijewa, die zudem erste Vizepräsidentin des Kaukasuslandes ist, sprach den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme aus. Auch der russische Präsident Wladimir Putin bekundete nach Angaben des Kreml sein Beileid.
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(Quelle: apa)