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Asyl: Regierung plant Verfassungsgesetz für Quartiere, Aufnahmestopp in Traiskirchen

Die Regierungsspitze erörtert die heiklen Entwicklungen
Veröffentlicht: 31. Juli 2015 07:16 Uhr
Die Regierung plant eine Verfassungsänderung, damit der Bund künftig selbst Asylquartiere errichten kann, wenn die Länder säumig bleiben. Zudem soll eine Unterbringungsquote von ein bis zwei Prozent pro Einwohner auf die Gemeinden heruntergebrochen werden. Das kündigten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Freitag bei einer Pressekonferenz an.

Das geplante Gesetz ist Teil eines am Freitag präsentierten fünf Punkte umfassenden Programms, das auch noch die Erhöhung des Tagsatzes für unbegleitete Minderjährige und eine Regierungs-"Task Force" für das Asylthema vorsieht, weiters eine "Entlastung" des Lagers in Traiskirchen und das Anstreben einer "gemeinsamen europäischen Lösung".

Faymann und Mitterlehner betonten, dass die verfassungsrechtliche Ermächtigung zu einer "Ersatzvornahme" des Bundes, so der Terminus, ausschließlich Liegenschaften betreffen werde, die im Einflussbereich des Bundes stehen. Eingriffe in Privatrechte seien keinesfalls geplant. In Kraft treten soll das Gesetz so bald wie möglich, die beiden stellen auch eine Sondersitzung des Nationalrats in den Raum. Es braucht allerdings die Stimmen von FPÖ oder Grünen für die nötige Zweidrittelmehrheit.

Gemeinde- und Bezirksquoten von ein bis zwei Prozent der Bevölkerung kommen./APA/HERBERT NEUBAUER Salzburg24
Gemeinde- und Bezirksquoten von ein bis zwei Prozent der Bevölkerung kommen./APA/HERBERT NEUBAUER

Mödlhammer zufrieden mit Gemeindequote

Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer (ÖVP) begrüßte am Freitag im Gespräch mit der APA die neuen Regeln für die Flüchtlingsunterbringung. Die Regierung habe weitgehend seinen Vorschlag übernommen, ist Mödlhammer sowohl mit der Deckelung von ein bis zwei Prozent für die Gemeinden als auch damit zufrieden, dass die Bürgermeister "aus der baurechtlichen Verantwortung genommen" werden. Mit der Neuregelung muss das Innenministerium keine baurechtliche und brandschutzrechtliche Bewilligung des Bürgermeisters mehr einholen, wenn es in Bundesgebäuden Flüchtlinge unterbringen will. Wichtig ist für Mödlhammer, dass dies auch im Gesetz ausdrücklich auf Bundesliegenschaften und das Asylwesen beschränkt wird - und dass die Bürgermeister damit damit keine Haftung (samt Risiko eines Amtsmissbrauchs-Vorwurfes) mehr tragen für diese Bundesmaßnahme.

Die Unterbringungsquote - ein bis zwei Prozent der Einwohner pro Gemeinde - sei keine verpflichtende, sondern verhindere, dass in manchen Gemeinden "Ghettos" entstehen. Auch diese habe er beim Asylgipfel im Juni vorgeschlagen.

Aufnahmestopp im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen

Die Flüchtlingskrise erreichte durch die schlimmen Zustände in Traiskirchen, die sogar Amnesty International auf den Plan riefen, einen vorläufigen Höhepunkt. Größte Herausforderung ist wohl die Entlastung des überfüllten Erstaufnahmezentrums in Traiskirchen (Niederösterreich). Der am Freitag für Traiskirchen verhängte Aufnahmestopp wird voraussichtlich ab Mittwoch gültig sein, hieß es aus dem Büro von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) zur APA.

Hygienische Situation "dramatisch"

Der gesundheitsbehördliche Bescheid soll am Montag sowohl an das Innenministerium als auch an den Betreiber des Erstaufnahmezentrums zugestellt werden. Unter anderem sei die hygienische Situation in Traiskirchen "dramatisch". Das Ergebnis der gesundheitsbehördlichen Überprüfung im Erstaufnahmezentrum zeige zwar einen stabilen Gesundheitszustand der dort untergebrachten Flüchtlinge. Viele registrierte Asylwerber habe man aber zu einer medizinischen Erstuntersuchung nicht antreffen können. "Daher ist eine Einschätzung des Gesundheitszustandes dieser nicht angetroffenen Asylwerber nicht möglich mit einem Restrisiko aus medizinischer Sicht", heißt es in der Aussendung des Landes Niederösterreich.

Die Lage in Traiskirchen würde sich durch die weitere Aufnahme von Asylwerbern "noch unübersichtlicher" gestalten "und daher ein zusätzliches Gefahrenpotenzial aus medizinischer Sicht in sich bergen", wird die Aufnahmesperre weiter argumentiert. Überdies sei aufgrund des "eklatanten Überbelags" auch die hygienische Situation "dramatisch". "Mit dieser Maßnahme setzt die Behörde einen klaren Schritt um durch einen Aufnahmestopp einen weiteren Zulauf ins Lager Traiskirchen zu verhindern", kommentierte Landeshauptmann Pröll den von ihm verhängten Aufnahmestopp. Zuletzt hatten sich mehr als 4.500 Flüchtlinge im überfüllten Erstaufnahmezentrum befunden, davon an die 2.300 ohne Bett.

Die Zustände in Traiskirchen sind schlimm./APA Salzburg24
Die Zustände in Traiskirchen sind schlimm./APA

Wien nimmt Mädchen auf

Am Freitagvormittag gab es zumindest für einen Teil der unbegleiteten Minderjährigen gute Nachrichten. Die Stadt Wien nimmt alle unbegleiteten Mädchen, die sich derzeit in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen befinden, auf. Die rund 50 minderjährigen Mädchen werden zu Mittag vom Arbeitersamariterbund abgeholt und in eine leer stehende Liegenschaft der Stadt Wien gebracht.

Schlagzeilen wie aus Dritte-Welt-Land

Am Mittwoch machten aus Österreich plötzlich Schlagzeilen wie aus einem Dritte-Welt-Land die Runde. Es war bekannt geworden, dass Amnesty Österreich von der Zentrale in London den Auftrag für eine international autorisierte "Research-Mission" erhalten hat. Laut Amnesty Österreich-Generalsekretär Heinz Patzelt soll eine Mannschaft aus London gemeinsam mit einem österreichischen Team überprüfen, wie es aus menschenrechtlicher Sicht um das heimische Flüchtlingswesen bestellt ist. Die Genehmigung des Innenministeriums ist am Donnerstagabend eingetroffen.

(APA)

Links zu diesem Artikel:

  • Amnesty prüft Traiskirchen

(Quelle: salzburg24)

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