Berichte aus Flüchtlingscamp

Bande entführt Migranten in Grenzgebiet Bosnien-Kroatien

Die NGO "SOS Balkanroute" versorgt Geflüchtete in Biha mit Kleidung, Schuhen und Essen.
Veröffentlicht: 14. September 2025 10:12 Uhr
Im bosnischen Flüchtlingscamp Lipa berichten Geflüchtete von Gewalt, Entführungen und Erpressungen durch eine mafiöse Gruppierung namens BWK. Auch Misshandlungen durch kroatische Grenzbeamte sind weiterhin Thema. Viele Migranten wie der Nepalese Padam stecken seit Monaten fest.

Padam steht mit Badeschlapfen vor dem Flüchtlingscamp in Lipa in Nordbosnien. Es ist erst Anfang September, aber der Wind bläst so stark, dass es sich eher nach Anfang November anfühlt. Der Nepalese ist seit über einem Jahr in Bosnien. Ein Jahr, in dem er, wie viele andere Geflüchtete, immer wieder Gewalt erfahren hat. Besonders beunruhigend sind Berichte über eine mafiöse Gruppierung, die Migranten kidnappt. Padam war einer davon.

"Sie haben mich tagelang festgehalten, mir nichts zu essen gegeben", erzählt Padam. "Sie wollten Geld und drohten, mich zu erschießen." Der 42-Jährige formt die Hand zur Pistole und deutet an seine Schläfe. "Ich habe ihnen gesagt: Erschießt mich, ich habe kein Geld!" Weil die anderen Migranten, mit denen Padam festgehalten wurde, bezahlten, wurde auch er freigelassen. Über die Grenze nach Kroatien hat er es trotzdem nicht geschafft, mehrere Male habe er es bereits versucht - vergeblich.

Mafiöse Gruppe wendet immer mehr Gewalt an

Die Geschichten, die man im Camp Lipa und der naheliegenden Stadt Bihać hört, ähneln sich. In den abgelegenen, bewaldeten Gebieten zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien werden Migrantinnen und Migranten entführt, und deren Familien im Heimatland erpresst, Lösegeld zu zahlen. Dahinter soll eine Gruppe namens BWK stecken. Laut dem Portal "Balkan Insight" ist sie schon seit 2023 bekannt und kontrolliert seither viele der Schlepperrouten in den bosnischen Grenzgebieten - wobei sie zu immer drastischeren Mitteln greift. Diebstahl, Entführung und Erpressung seien zum "Portfolio" der Bande hinzugekommen, schreibt "Balkan Insight". Die Plattform recherchierte über Monate hinweg zu der Bande, deren Drahtzieher aus Afghanistan stammen dürften.

"Wir haben hier eine große, große Mafia", sagt ein Polizist in Bihać, der anonym bleiben will. Er berichtet davon, dass die BWK in den Wäldern nahe der Stadt ein 11-jähriges Mädchen vor den Augen ihrer Familie vergewaltigt hat. Immer wieder fänden die bosnischen Beamten auch Tote. Die Bandenmitglieder würden im Wald leben, abseits der Zivilisation. "Aber sie sind clever, sie kennen das System", sagt der Bosnier. Er ist aufgebracht. Nur eine Handvoll BWK-Mitglieder habe bisher gefasst werden können.

Berichte über Pushbacks sorgten 2021 für Kritik

Noch vor wenigen Jahren schien die größte Gefahr für Flüchtende, die die grüne Grenze zwischen Bosnien und dem Schengenland Kroatien überqueren wollten, von der kroatischen Grenzpolizei auszugehen. Videoaufnahmen vom gewaltsamen Vorgehen bei den völkerrechtswidrigen, sogenannten Pushbacks (Zurückweisungen) an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina, sorgten im Herbst 2021 für heftige Kritik, vor allem seitens Menschenrechtsorganisationen.

Bis 2022/2023 habe alles auf "systematische" Anwendung von Gewalt gegen Geflüchtete an der Grenze hingewiesen, erklären Vertreter der kroatischen Volksanwaltschaft in Zagreb gegenüber österreichischen Journalisten. Danach habe das öffentliche Interesse an dem Thema sukzessive abgenommen. Immer mehr NGOs, die früher Fälle von Misshandlungen und Pushbacks dokumentierten, hätten sich aus dem Grenzgebiet zurückgezogen. Es sei deshalb schwierig, aktuell ein vollständiges Bild der Lage zu erhalten.

Weiterhin Gewalt durch Grenzbeamte

Im Camp Lipa berichten Flüchtlinge jedenfalls weiterhin von Misshandlungen durch kroatische Beamte. Eine Gruppe junger ägyptischer Männer, die sich mittlerweile zu Padam gesellt hat, sagt, sie seien geschlagen worden. Handys würden nicht nur abgenommen, sondern auch zerstört werden. Aber auch im Camp selbst kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, laut "Sarajevo Times" wurde erst vor wenigen Monaten ein Mann aus Pakistan in Lipa getötet.

Padam will jedenfalls nach all den Strapazen der Flucht zunächst einmal in Bosnien Fuß fassen. "Bis ich genug Geld habe", sagt er. Dann will er weiterziehen. "Vielleicht nach Österreich." Mit dem Land verbindet er Positives. Ein paar Hundert Meter vor dem Camp Lipa werden Kleidung, Schuhe, Rucksäcke und kleine Essenspakete von Helfern der österreichischen NGO "SOS Balkanroute" verteilt. Padam hat einen Rucksack und Schuhe bekommen. "Jetzt bin ich auch für das kalte Wetter gerüstet", sagt er und zeigt auf seine Badeschlapfen.

(Quelle: apa)

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