1.324 Menschen mit Behinderung haben sich im Vorjahr an die Behindertenanwaltschaft gewandt, das ist ein Plus von etwa 20 Prozent gegenüber 2013. Die Einrichtung hat darüber hinaus an 31 Schlichtungsverfahren teilgenommen. Insgesamt sprach Buchinger von einem "guten Jahr": "Ich bewerte das als positiv, denn die Bereitschaft, gegen Diskriminierung anzukämpfen hat zugenommen."
Die Beschwerdefälle betreffen laut Buchinger alle Lebensbereiche. Schwerpunkte seien jedoch die Bereiche Arbeitsmarkt, Bildung und Barrierefreiheit. "Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist als enttäuschend zu bewerten", stellte der Anwalt fest. Er verwies darauf, dass die Arbeitslosigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen von 2013 (47.364 Personen) auf 2014 (57.594) um 21,6 Prozent gestiegen ist, bei jenen ohne Einschränkung jedoch nur um 9,1 Prozent.
Die Situation für die Betroffenen habe sich somit weiter verschärft und Buchinger zeigte sich verärgert, dass weder das Sozialministerium noch das AMS Menschen mit Behinderung als eigene Zielgruppe wahrnehmen. Dies sei "unverständlich". Auch für die Zielgruppe der begünstigt Behinderten haben sich die Erwartungen durch die Lockerung des Kündigungsschutzes 2011 nicht erfüllt, meinte er. Eine noch nicht im Detail veröffentlichte Studie des Sozialministeriums zeige, dass die Zahl der beschäftigten begünstigt Behinderten trotz steigender Zahl an Arbeitsplätzen abgenommen habe. Buchinger sprach daher von einem "klaren Scheitern" der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik für Menschen mit Behinderung.
Im Bereich Bildung kritisierte der Anwalt, dass die Zahl der Schüler an Sonderschulen weiter gestiegen ist: Während die Gesamtzahl der Schüler um 0,7 Prozent zurückging, habe sich die Zahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einem Jahr von 29.793 (2012/2013) auf 30.002 (2013/2014) erhöht. Die Anstrengung, inklusive Bildung umzusetzen, sei "unzureichend", lautete Buchingers Bilanz. Es müsse möglich sein, dass auch Schüler mit schwersten Behinderungen zumindest teilweise am Regelunterricht teilnehmen, nannte er als "Extrembeispiel" die Inklusion eines Wachkomapatienten in der Schulklasse.
Was die Barrierefreiheit betrifft, ortet er eine "erfreuliche Bereitschaft" privater und öffentlicher Einrichtungen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Hier appellierte er etwa an die Wiener Linien, bei der Anschaffung neuer U-Bahn-Garnituren Organisationen behinderter Menschen frühzeitig einzubinden.
Kritik übte der Anwalt an den "unzumutbar" langen Verfahren beim Sozialministeriumservice selbst - wobei dies kein Vorwurf an die Mitarbeiter, sondern auf die unzureichende Ressourcenausstattung zurückzuführen sei. Buchinger bekräftigte auch seine Kritik an der seit Jahresbeginn wirkenden Erschwernis beim Zugang zum Pflegegeld der Stufen 1 und 2. Gefordert sei auch eine Evaluierung des Behindertengleichstellungsgesetzes und der Ausbau der persönlichen Assistenz.
Positiv vermerkte Buchinger lediglich das rückwirkende Wiederaufleben von Leistungen wie der Familienbeihilfe oder der Waisenpension nach einem gescheiterten Arbeitsversuch. Auch die Aufstockung des Bundesbehindertenbeirats von sieben auf acht Vertreter von Menschen mit Behinderung begrüßt er.
Die neuerliche Ankündigung von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), eine Info-Kampagne für pflegende Kinder starten zu wollen, begrüßt Buchinger ebenfalls: "Ich bin zuversichtlich, dass Taten folgen." Es handle sich "zweifellos um ein wichtiges Thema".
Zum Thema eugenische Indikation, die eine Abtreibung bis zum Geburtstermin erlaubt, wenn die Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt ist, wünscht sich Buchinger eine breite Diskussion. Die Differenzierung sei jedenfalls "unerträglich" und sollte nicht zulässig sein, fand er.
(Quelle: salzburg24)