In Neapel hat sich wieder das Blutwunder des Stadtheiligen Januarius (italienisch Gennaro) ereignet. Während einer feierlichen Zeremonie am Dienstag in der Kathedrale verflüssigte sich das in einer Glasampulle aufbewahrte eingetrocknete Blut des Märtyrers. Das Blutwunder ist seit dem Mittelalter belegt. Sein Ausbleiben gilt den Neapolitanern als schlechtes Omen. Im Dezember 2020 war dies übrigens der Fall (siehe Video oben).
Seit Jahrhunderten verflüssigt sich das Blut des Stadtpatrons am 19. September und an zwei weiteren Terminen: am Samstag vor dem ersten Mai-Sonntag, dem Fest der Übertragung der Reliquien nach Neapel, sowie am 16. Dezember, dem Gedenktag einer Warnung vor dem Vesuv-Ausbruch im Jahr 1631.
Blutwunder seit 1389
1389 wurde zum ersten Mal beobachtet, dass sich dieses Blut verflüssigte und dann wieder erstarrte. Seit 1610 wiederholt sich dieses "Wunder" regelmäßig. Dabei wird die Reliquie von ihrem Aufbewahrungsort zum Hochaltar von San Gennaro in der Kathedrale Neapels getragen.
Bischof Januarius wurde der Überlieferung nach zur Zeit der Christenverfolgungen unter dem römischen Kaiser Diokletian am 19. September 305 in Pozzuoli bei Neapel enthauptet. Heute wird an diesem Tag das Fest des Schutzheiligen begangen.
Religiöser Glaube oder Aberglaube?
Nach der Legende wurde das Blut des im Jahr 305 enthaupteten Märtyrers nach seinem Tod von einer Frau in einer Phiole aufgefangen. Schon in früheren Jahrhunderten soll es sich verflüssigt haben. Bis heute gilt das Eintreten des Blutwunders als glücksverheißendes Omen für den Golf von Neapel. Vor Katastrophen ist es tatsächlich einige Male ausgeblieben, etwa beim Ausbruch der Cholera 1973 oder vor dem schweren Erdbeben im Jahr 1980.
Die Messen im Dom S. Gennaro von Neapel folgt einem seit Jahrhunderten gleichen Ritual. Die silberne Büste des Stadtpatrons wird neben dem Altar aufgestellt. Vom abate del tesoro wird die Phiole mit dem Blut den Gläubigen gezeigt und dabei gedreht. Kurz danach beginnen die traditionellen Gebete der parenti di San Gennaro. Das sind die sogenannten Verwandten des San Gennaro, eine Gruppe gläubiger Frauen auf den vorderen Bänken. Die Gebete steigern sich in ekstatischer Form, bis sich das Blut verflüssigt. Unter dem Jubel und Applaus der Gläubigen beginnen die Domglocken zu läuten. Viele Kirchenbesucher drängen sich um den Altar, um die Ampulle mit dem Blut zu küssen.
Am stets überfüllten Gottesdienst nehmen hohe kirchliche und politische Würdenträger teil. Bis heute wurde das Blutwunder aber nicht offiziell von der katholischen Kirche anerkannt. Sie toleriert jedoch den tief verwurzelten Volksglauben der Neapolitaner.
(Quelle: apa)