"Washington Post": "Franziskus hat oft die richtigen Kämpfe geführt. Er setzte sich im Kampf gegen den Klimawandel und (...) für verfolgte religiöse Minderheiten ein, für die Armen im globalen Süden und die Migranten und Flüchtlinge, zu deren Ehren er ein Denkmal auf dem Petersplatz enthüllte. Als er Papst wurde, waren mehr als die Hälfte der Kardinäle Europäer; bei seinem Tod waren es weniger als 40 Prozent. Wichtig auch, dass er die Kirche durch den interreligiösen Dialog auf andere Religionen ausrichtete und sich unter anderem mit den führenden schiitischen Führern des Iraks und den führenden Sunniten Ägyptens traf. (...)
Obwohl er die Toleranz der Kirche erweiterte und ihr die Augen für eine umfassendere Agenda sozialer Gerechtigkeit öffnete, schien Franziskus blind für andere Probleme zu sein. Er weigerte sich, Russlands blutigen Landraub in der Ukraine zu verurteilen. Er beförderte Frauen in wichtige Verwaltungspositionen, duldete aber nicht deren Priesterweihe. Er versprach eine Null-Toleranz-Politik gegenüber sexuellem Missbrauch durch Geistliche und erzielte in dieser Hinsicht wichtige Fortschritte. Doch allzu oft gelang es Bischöfen und anderen an Vertuschungen Beteiligten, sich unter seiner Führung der Verantwortung zu entziehen. Wie weit Franziskus" Erbe Bestand haben wird, dürfte maßgeblich von der Wahl seines Nachfolgers abhängen."
Pressestimmen zum Papst-Tod aus Europa
"Neue Zürcher Zeitung": "Das oft beschworene Bild, der reformwillige Franziskus sei durch die römische Kurie ausgebremst worden, verkennt, dass er um seine Gestaltungsspielräume als Papst wusste und davon - gerade im Blick auf Personalentscheidungen - Gebrauch gemacht hat. Auf den Ursprung zurückzugehen und dem Glauben in den komplexen Lebenswelten heute ein ansprechendes Gesicht zu geben, war seine vorrangige Option. Irritiert hat ihn, dass die federführenden Akteure des Synodalen Weges in Deutschland den Primat der Evangelisierung nicht wirklich beachtet haben, den er 2019 in seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland als Therapie empfohlen hatte. Das Wort, Deutschland brauche keine zweite evangelische Kirche, hat diesem Unmut öffentlich Ausdruck verliehen. Dabei hat Franziskus auf seine Weise kleine Schritte gesetzt, die die Kirche schon jetzt verändert haben."
"Tages-Anzeiger" (Zürich): "Franziskus mag kein Feingeist und kein großer Theologe gewesen sein wie Benedikt XVI. Er war auch kein Übercharismatiker wie Johannes Paul II. Aber er war nahe bei den Menschen. Er betete mit dem Ehepaar, das gerade eine fünfjährige Tochter verloren hatte. Er scherzte mit Kindern, die in der Audienzhalle die Bühne erklommen und über die bunte Uniform der Schweizergardisten staunten. Er umarmte Kranke und Menschen mit Behinderung, er hatte immer für alle Zeit. Wenn er beim Volk war, dann leuchtete er von innen heraus, dann war er ganz bei sich. (...) Mehr als viele Päpste vor ihm war Franziskus eben auch Hirte, ein unprätentiöser Pastor auf dem Papstthron. Und wenn es nur das ist: Er brachte die Kirche wieder auf die Erde."
"de Volkskrant" (Amsterdam): "Nach dem starren Intellektuellen Benedikt XVI., der die katholische Lehre auf kühle Weise mit der Wahrheit gleichsetzte, brachte Franziskus frischen Wind in die Kirche. Während Benedikts Pontifikat konservativ und introvertiert war, öffnete sich die Kirche unter Franziskus wieder. Von Benedikt erbte Franziskus eine Kirche, die sich in einer beklagenswerten Situation befand. Von der moralischen Autorität Roms war aufgrund einer Reihe von Finanzskandalen und vor allem aufgrund der jahrelangen Vertuschung des sexuellen Missbrauchs durch Priester wenig übriggeblieben. Durch seinen strengen und bescheidenen Lebensstil ging Franziskus mit gutem Beispiel voran. Trotz seines freundlichen Auftretens konnte er ein strenger Administrator sein, der die römische Kurie neu organisierte und die Finanzen der Kirche transparenter machte. Damit machte er sich in Rom viele Feinde."
"Irish Times" (Dublin): "Auf den Tod von Papst Franziskus werden Katholiken, die in seinem Pontifikat den ersten bedeutenden Hoffnungsschimmer für Reformen in der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sahen, mit Seelenqual und Bestürzung reagiert haben. Sie trauern nicht nur um einen Mann, dessen persönliche Wärme, Humor und freundliche Art so viele in ihren Bann gezogen haben. Sie dürften auch von der Sorge geplagt sein, dass - ähnlich wie nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. im Jahr 1963 - Impulse für einen Wandel, die Franziskus gesetzt hat, mit ihm gestorben sein könnten. (...) Das wichtigste Vermächtnis von Jorge Mario Bergoglio aus Buenos Aires - diesem Mann "vom Ende der Welt", wie er sich selbst nach seiner Wahl im März 2013 beschrieb - sollte darin bestehen, dass er einen synodalen Prozess in Gang gesetzt hat, der dazu bestimmt zu sein scheint, eine bedeutende Reform in der Kirche einzuleiten."
"De Tijd" (Brüssel): "Franziskus mag als ein Papst in die Geschichte eingehen, der sich sozial stärker engagierte als sein Vorgänger, aber der Vatikan bleibt eine Institution, die in entscheidenden Fragen weit vom Konsens der belgischen Politik entfernt ist. Bei den letzten Wahlen war beispielsweise keine Partei gegen die Verwendung von Verhütungsmitteln, wollte das Recht der Frauen auf Abtreibung abschaffen oder das Recht auf Sterbehilfe einschränken. Dies sind jedoch nach wie vor offizielle Positionen des Vatikans. Auch wenn es um die Chancengleichheit von Männern und Frauen oder die Achtung der sexuellen Orientierung von nicht heterosexuellen Menschen geht, vertritt der Vatikan Ansichten, die in Belgien weithin abgelehnt werden."
"Financial Times" (London): "Franziskus änderte zwar nicht die Doktrin der Kirche zu Fragen der Sexualität, des Glaubens und der Ehe, aber er änderte den Ton und die Sprache der Diskussion, um die Notwendigkeit von Toleranz und Verständnis zu betonen. (...)
In einer Kirche, die um ihre Relevanz in der modernen Welt kämpft, bemühte sich Franziskus auch, sie zu einer moralischen Stimme in Fragen jenseits von Familie und Schlafzimmer zu machen. In einer Enzyklika aus dem Jahr 2015 versuchte er, den Klimawandel in Bezug auf Religion und Glauben neu zu definieren, indem er davor warnte, dass er das Produkt der Konsumsucht der Industrieländer sei, während er die Armen der Welt unverhältnismäßig stark betreffe.
Angesichts einer immer härteren Haltung der USA und Europas gegenüber irregulärer Migration setzte er sich offen für Migranten ein und er äußerte seine Besorgnis über die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten.
Letztlich gelang es Franziskus jedoch nicht, seine persönliche Anziehungskraft in Reformen umzusetzen, die wichtige Fragen wie die Ordination von Frauen oder die Ehe für Priester regelten oder den Niedergang der Kirche in Europa und Nordamerika aufhalten konnten."
"Guardian" (London): "Während seiner zwölf Jahre auf dem Stuhl des Heiligen Petrus hat Franziskus in bewundernswerter Weise versucht, die Energien der katholischen Kirche wieder auf die Menschen am Rande der Gesellschaft zu konzentrieren und gleichzeitig die Macht etablierter Interessengruppen zurückzudrängen.
Der erste außereuropäische Pontifex der Neuzeit, der, wie er sich ausdrückte, "vom Ende der Welt" kam, war ein radikaler Außenseiter-Papst. Innerhalb der Kirche war der Argentinier ein manchmal scharfkantiger, direkter Reformer; außerhalb war er ein bedeutender, profilierter Unterstützer fortschrittlicher Anliegen.
Während nationalistische Bewegungen den politischen Kompass des Westens immer weiter nach rechts zogen, wurde Franziskus zu einem immer wichtigeren Gegengewicht bei Themen wie der Migration, der globalen Erwärmung und dem Schicksal des Globalen Südens."
"El Mundo" (Madrid): "Der Tod von Franziskus (...) markiert das Ende eines einzigartigen Pontifikats. Es war geprägt von seinem Bestreben, die am stärksten benachteiligten Gruppen zu schützen und die Kirche den Gläubigen näherzubringen - ebenso wie von seinem Anspruch, in einer Zeit tiefgreifender geopolitischer Umbrüche eine prägende Stimme zu sein. Sein Einsatz für die Ausgegrenzten und seine Kritik an den Eliten lassen keinen Zweifel daran, dass Jorge Mario Bergoglio ein Papst seiner Zeit war. Sein Vermächtnis wird untrennbar mit dem Versuch verbunden bleiben, weniger die kirchliche Lehre als vielmehr die Kultur der Kirche zu erneuern. (...)
Viele der Debatten, die während seines Pontifikats angestoßen wurden, gehen nun als Vermächtnis an seinen Nachfolger über. Die entscheidende Frage ist, ob die Kardinäle sich für einen Papst entscheiden werden, der berechenbarer ist, oder ob sie den von Bergoglio eingeschlagenen Kurs fortsetzen werden. In jedem Fall wird sich der neue Pontifex einer Welt gegenübersehen, die sich rasant wandelt und die von Unsicherheit geprägt ist. Einer Welt, in der gerade eine neue internationale Ordnung entsteht, die die moralischen Bezugspunkte des christlichen Humanismus infrage stellt."
"La Repubblica" (Rom): "Diese leere Wohnung hinter dem Fenster, auf das die Gläubigen nun blicken, wenn sie den Petersplatz überqueren, vermittelt ein Gefühl der Unfertigkeit, der halbherzigen Reform. Als hätte der Papst das ruhige Ufer, an dem die Kirche lehnte, verlassen und es versäumt, das andere Ufer zu erreichen.
Dies ist das Schicksal vieler Reformer, die letztlich sowohl von den Progressiven angegriffen werden, weil sie in der Mitte der Furt stehen geblieben sind, als auch von den Konservativen, weil sie zu weit gegangen sind. In dieser Hinsicht erinnert die Figur des ersten Jesuiten, der zum Papst der Heiligen Römischen Kirche gewählt wurde, an die Figur des letzten gewählten Generalsekretärs der KPdSU, Michail Sergejewitsch Gorbatschow."
"Nepszava" (Budapest): "Franziskus war ein wahrer Erneuerer. Die Kirche wollte er nicht nur in spiritueller, sondern auch in organisatorischer Hinsicht auf neue Grundlagen stellen. Er baute die Organisationsstrukturen des Vatikans um (...) und versuchte, die Korruption innerhalb seiner Gemäuer zurückzudrängen. Er machte sich viele Feinde, entzog den Kardinälen eine Reihe von Privilegien. Mit weltweiten Synoden trachtete er danach, die Gläubigen der Kirche näherzubringen. Doch fürchtete er auch das Schisma: Sorge bereitete ihm, dass, während einige katholische Kirchen - darunter die deutsche - bei den Reformen voranstürmten, andere selbst die winzigsten Veränderungen ablehnten. Der konservative Flügel unter dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller saß dem Papst praktisch ständig im Nacken. Franziskus hinterlässt ein außerordentlich reiches Erbe. (...) Wer auch immer ihm auf dem Thron Petri folgt, wird es schwer haben, sein Erbe anzutreten."
"Eesti Päevaleht" (Tallinn): "Papst Franziskus war ein außergewöhnlicher spiritueller Führer, dessen Einfluss über die Grenzen des Vatikans und der katholischen Kirche hinausreichte. Seine Wahl im Jahr 2013 markierte einen Wendepunkt nicht nur für die Gläubigen, sondern für den gesamten westlichen Kulturraum. Im Vergleich zum konservativen Benedikt XVI. verkörperte Franziskus eine offenere und sozial sensiblere Kirche.
Seine Stärke lag in seiner Fähigkeit, die Kirche den Menschen näherzubringen. Franziskus rückte echte Sorgen in den Mittelpunkt: Armut, Klimawandel, Flüchtlingskrise, soziale Ausgrenzung. Er legte Wert auf Mitgefühl und Empathie und wagte es, offener über sexuelle Minderheiten zu sprechen. Sein berühmter Satz: "Wer bin ich, dass ich urteilen sollte?" gab denen Hoffnung, die sich zuvor von der Kirche ausgeschlossen gefühlt hatten."
"Postimees" (Tallinn): "Franziskus war der erste lateinamerikanische Papst und stammte aus dem sogenannten Globalen Süden. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum er sich mit den Armen identifizierte und vor allem ihr Papst war. Nachdem Franziskus 2013 unter außergewöhnlichen Umständen Papst wurde - sein Vorgänger Benedikt war zurückgetreten -, war er mit einer schwierigen Situation in der Welt konfrontiert. Seine Botschaft blieb die gleiche: Dialog zwischen Kulturen und Konfessionen und friedliche Konfliktlösung.
Die Ausnahmestellung von Franziskus als Papst bringt ihn in die Nähe von Johannes Paul II., dem ersten polnischen Papst. Während Franziskus sich für die Armen der Welt einsetzte, stand Johannes Paul II. für die Menschen ein, die unter dem kommunistischen Joch stöhnten. [...]
Franziskus braucht einen ihm ebenbürtigen Nachfolger, denn die Weltlage bleibt schwierig. Je früher wir weißen Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufsteigen sehen, desto besser für die Katholiken der Welt und für uns."
"Libération" (Paris): "Mit Papst Franziskus (...) starb eine der wenigen Stimmen, die in der Lage waren, das Korsett zu sprengen, das die Kirche seit Jahrhunderten umklammert. Der Papst, der sein Pontifikat den Armen und der Peripherie widmen wollte, hat trotz aller Hoffnungen, die manche in ihn setzten, unter seiner Herrschaft keine wirkliche Revolution in der Kirche bewirkt. (...)
Sie hat sich taub gestellt für die Forderungen, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen, verheiratete Männer zu ordinieren oder Abtreibungen zu erlauben. Die Fälle von sexueller Gewalt (...) wurden unter Franziskus strenger gehandhabt, doch angesichts der schwindelerregenden Zahl der angezeigten Straftaten nicht ausreichend.
Wenn seine Stimme, mit der er noch am Sonntag den weltweit zunehmenden Antisemitismus und die andauernde humanitäre Katastrophe in Gaza anprangerte, in den kommenden Monaten und Jahren möglicherweise fehlen wird, dann deshalb, weil er all das repräsentierte, was die extreme Rechte auf der ganzen Welt verabscheut (...).
Es ist zu befürchten, dass die ultrakonservativen Katholiken in den USA und anderswo, die ihn für einen schrecklichen Linken hielten, sich dafür starkmachen werden, einen Nachfolger nach ihrem Geschmack zu finden. Die Anwesenheit von JD Vance im Vatikan am Sonntag war ein Symbol dafür und vielleicht eines der Vorzeichen."
Auch aus Australische Zeitung schreibt zu Tod Franziskus'
"Sydney Morning Herald": "Franziskus' Stimme, obwohl körperlich geschwächt, war vielleicht nie klarer. Er nannte die Kriege in der Ukraine, im Kongo, im Gazastreifen, in Myanmar und im Jemen. Er rief zu einem Waffenstillstand auf. Er verurteilte den zunehmenden Antisemitismus und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden. Dann, in seinem letzten öffentlichen Moment, bestieg er das offene Papamobil (...) und drehte eine letzte Runde durch die Gläubigen. Mit zitternden Händen segnete er Kinder, die ihm zugereicht wurden, und winkte der Menge, die seinen Namen rief. Franziskus verwandelte den Petersplatz in eine Bühne des Abschieds. Der Moment schien gewollt. Heilig. Endgültig.
Franziskus wird für vieles in Erinnerung bleiben - als Reformer, als Jesuit, als Verteidiger der Armen. Doch das vielleicht beständigste Bild wird das eines Sterbenden sein, der sich weigerte, sich zurückzuziehen, der seine Botschaft über den Schmerz hinaus in die Geschichte trug. An seinem letzten Osterfest predigte Franziskus nicht die Auferstehung. Er verkörperte sie."
(Quelle: apa)