Welt

Burg und Cannes für Peter Simonischek

Veröffentlicht: 19. Mai 2016 12:17 Uhr
Es wird ein ungewöhnlicher Sonntagabend für Peter Simonischek. Um 19 Uhr hebt sich im Burgtheater der Vorhang für die Wien-Premiere der Goldoni-Komödie "Der Diener zweier Herren", eine Viertelstunde später startet in Cannes die Preisverleihung der Filmfestspiele, bei denen der deutsche Wettbewerbsfilm "Toni Erdmann" aktueller Top-Favorit ist. Da wie dort spielt der 69-Jährige eine große Rolle.

"Der große Burgschauspieler spielte Pantalone, den alten Herrn, der so vertrauenserweckend aussieht wie Mackie Messer oder ein Vorstandsvorsitzender", schrieb die Deutsche Presse-Agentur vor zwei Wochen über die Recklinghausener Premiere dieser Koproduktion mit den Ruhrfestspielen. "Die Maske hatte ihm ein gigantisches Gebiss verpasst - schon das groteske Gehege seiner Zähne verführte zum Lachen." Ausgerechnet schiefe, falsche Zähne sind neben einer grotesken Perücke auch das Merkmal jener Verwandlung, die der Kammerschauspieler in Maren Ades vor zwei Jahren gedrehten Film vom pensionierten Musiklehrer Winfried Conradi zum vermeintlichen Lebensberater Toni Erdmann zu vollführen hat. Dass der Zahnarztsohn Simonischek einst auf Wunsch des Vaters eine Zahntechniker-Ausbildung begonnen hatte, ehe er zum Theater wechselte, ergibt noch eine zusätzliche Pointe.

Auf der Bühne wie auf der Leinwand sorgt Peter Simonischek also für Lacher. In Cannes rechnen ihm internationale Kritiker daher bereits hohe Chancen auf einen Darstellerpreis aus. Dass er komisch sein kann, hat der gebürtige Grazer schon mehrfach bewiesen. Legendär wurde etwa Klaus Michael Grübers Wiederentdeckung des heute wieder viel gespielten Labiche-Stücks "Die Affäre Rue de Lourcine", als er und Udo Samel an der Berliner Schaubühne zwei Pariser Lebemänner mimten, die vermeintlich im Suff einen Mord begangen hatten. Auch sein Auftritt in Herman-Munster-Maske in Barbara Freys Akademietheater-Inszenierung von "Arsen und Spitzenhäubchen" ist in guter Erinnerung. Ins kollektive Gedächtnis hat er sich aber mit einer ganz unkomödiantischen Rolle eingebrannt: Am Salzburger Domplatz absolvierte Simonischek 2002 bis 2009 eine Rekordzahl prägnanter Auftritte als "Jedermann".

Am 6. August 1946 in Graz geboren, ging er im Konvikt St. Paul im Lavanttal in die Schule und besuchte danach die Akademie für Musik und darstellende Künste in Graz. Nach Auftritten am Grazer Schauspielhaus ging er über St. Gallen, Bern, Darmstadt und Düsseldorf nach Berlin, wo er ab 1979 zwanzig Jahre lang dem Ensemble der Schaubühne angehörte. Dort wurde er zum Star, arbeitete mit Peter Stein, Luc Bondy und Andrea Breth und war in dieser Zeit auch bei den Salzburger Festspielen zu erleben (u.a. in Handkes "Prometheus, gefesselt" und in Tschechows "Kirschgarten").

Seine Burgtheater-Antrittsrolle als John Gabriel Borkman war mit Beginn der Direktion Klaus Bachler im Herbst 1999 gleichzeitig auch eine Rückkehr in die Heimat. Am Burgtheater hat er seither viel gespielt, Nestroy und Tschechow, Thomas Bernhard und Edward Albee, den selbstverliebten Frauenhelden Gustav Heink in Hermann Bahrs "Das Konzert" und den selbstgefälligen Fabrikanten Hofreiter in Schnitzlers "Das weite Land".

Simonischek, der seit 1989 mit seiner Kollegin Brigitte Karner verheiratet ist, kann das g'standene Mannsbild ebenso wie den groß gewordenen Buben, dem noch immer der Schalk im Nacken sitzt. Für die TV-Verfilmungen der Daniel Käfer-Romane Alfred Komareks bediente er sich bei dieser sympathischen Jungenhaftigkeit, in der Verfilmung des Robert Schindel-Romans "Gebürtig" machte er aus dem nach New York ausgewanderten ehemaligen KZ-Häftling Hermann Gebirtig eine eindrucksvolle Zentralfigur.

Noch vor seinem 70. Geburtstag kann der vielseitige Schauspieler aber auch bereits große Altersrollen gestalten: In Götz Spielmanns Film "Oktober November" brillierte er als mürrischer Patriarch, der von einem Herzinfarkt heimgesucht wird und an dessen Sterbebett sich seine zwei sehr unterschiedlichen Töchter (Ursula Strauss und Nora von Waldstätten) versöhnen. Und als er vor kurzem von Regisseurin Deborah Warner gefragt wurde, anstelle von Hans-Michael Rehberg die Rolle des alten Zauberers Prospero in Shakespeares "Der Sturm" bei den Salzburger Festspielen zu übernehmen, brauchte er bloß den Titel seines 2007 erschienenen und erstaunlich freimütigen Erinnerungsbuches zu zitieren: "Ich stehe zur Verfügung."

Vorerst darf sich das Wiener Publikum aber auf Christian Stückls Goldoni-Inszenierung freuen, in der Markus Meyer den hin- und hergerissenen Diener gibt und an Simonischeks Seite u.a. auch Mavie Hörbiger, Andrea Wenzl, Hans Dieter Knebel und Johann Adam Oest zu sehen sind. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete von einem "Schurken-Setting" im Mafiamilieu und "frei galoppierendem Wahnsinn". Das kann ja heiter werden - und Peter Simonischek möglicherweise einen doppelten Triumph bescheren.

(S E R V I C E - Carlo Goldoni: "Der Diener zweier Herren", Regie: Christian Stückl, Bühne und Kostüm: Stefan Hageneier, Mit Mavie Hörbiger, Hans Dieter Knebel, Markus Meyer, Johann Adam Oest, Christoph Radakovits, Peter Simonischek, Irina Sulaver, Sebastian Wendelin, Andrea Wenzl, Stefan Wieland. Burgtheater, Premiere. 22. Mai, 19 Uhr, Weitere Aufführungen: 24., 27., 29., 30.5., 11., 16., 27.6., Karten: 01 / 513 1 513,)

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

15.02.2024
"Das bisschen Haushalt"

Schauspielerin Johanna von Koczian ist tot

Von SALZBURG24 (mem)
Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken