Ein Satz, ein Mythos: “Österreich ist frei“, soll Figl der jubelnden Menge vom Schloss Belvedere am 15. Mai 1955 zugerufen haben. So heißt es im Volksmund – ist aber nicht ganz richtig: Das berühmte Zitat zur Unterzeichnung des Staatsvertrages soll der damalige Außenminister schon nach Ende der Verhandlungen im Verhandlungssaal von sich gegeben haben.
Staatsvertrag als Meilenstein
An jenem 15. Mai unterzeichneten Vertreter der Besatzungsmächte und die österreichische Bundesregierung den Staatsvertrag. Ein Meilenstein in der Geschichte Österreichs. Doch warum überhaupt? “Der Staatsvertrag besiegelte den Abzug der alliierten Truppen aus Österreich“, erklärt Dohle.
Salzburg unter US-Besatzung
Österreich war nach dem Fall des NS-Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkrieges seit 1945 besetzt. Der 1938 an Deutschland erfolgte Anschluss wurde für nichtig erklärt und Nachkriegsösterreich in vier Besatzungszonen – US-amerikanische, sowjetische, britische und französische – geteilt. Das Bundesland Salzburg war Teil der US-amerikanischen Besatzungszone. Noch heute stehen in Salzburg Gebäude, die von den einstigen Besatzern errichtet wurden. Während der Besatzungszeit wurden von den Amerikanern die Schwarzenbergkaserne unter dem Namen "Camp Roeader", sowie die Wohnsiedlungen in der General-Keyes-Straße für US-amerikanische Soldatenfamilien errichtet.
Verhandlungen starteten 1947
Über einen möglichen Abzug der Besatzer verhandelte eine österreichische Delegation unter Figl, Julius Raab und auch Bruno Kreisky seit 1947. Die Verhandlungen mit den vier Besatzungsmächten kamen 1955 zum Abschluss. Das Ergebnis: der Staatsvertrag.
Erst bei den abschließenden Verhandlungen gelang es der österreichischen Delegation jene Passagen zu streichen, in denen Österreich die Mitschuld am Zweiten Weltkrieg gegeben wurde. Bis heute hält sich ein Mythos, wie das der Abordnung um Figl gelungen sein soll. So sollen die Österreicher die Sowjets unter den Tisch getrunken haben. Der Experte kann der Geschichte allerdings nur wenig abgewinnen: “Ich glaube nicht, dass das passiert ist.“
Neutralität als Ass im Ärmel
Es war vielmehr ein diplomatischer Kunstgriff, den die Österreicher anwandten. So hatten die Verhandler versprochen, dass Österreich seine Neutralität ausrufen werde. In Zeiten des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion ein gutes Argument. Vor allem den Sowjets war daran gelegen, da es so keine direkte Landverbindung zwischen den NATO-Mächten Westdeutschland und Italien gab.
Auf Meilenstein folgt Meilenstein
Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags im Mai folgte am 26. Oktober desselben Jahres der nächste österreichische Meilenstein. An diesem Tag beschloss der Nationalrat Österreichs „immerwährende Neutralität“. Dohle will daher den Zusammenhang der beiden Tage verstanden wissen: “Ohne den 15. Mai wäre der 26. Oktober niemals möglich gewesen.“ Dem Historiker kommt daher die Erinnerung an den 15. Mai etwas zu kurz, während der 26. Oktober seit 1965 als Nationalfeiertag gilt.
Bestimmungen nicht mehr zeitgemäß
Doch was ist heute noch übrig vom Staatsvertrag? “Die damaligen Bestimmungen sind mittlerweile von der Realität eingeholt worden“, so Dohle. Zwar gab es formal niemals eine Änderung des Vertrags, auf die Einhaltung seiner Inhalte poche aber niemand mehr. “Im Staatsvertrag stehen auch widersinnige Verbote wie jenes, dass Österreich keine Torpedos besitzen darf.“ Trotzdem gilt der Vertrag bis heute als bedeutendes Stück österreichische Geschichte.
(Quelle: salzburg24)