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Deutscher Bundestag stimmte Aufschub für Athen zu

Veröffentlicht: 27. Februar 2015 13:35 Uhr
Trotz vieler Zweifel am Reformwillen der griechischen Regierung hat der Deutsche Bundestag der Verlängerung des Hilfsprogramms der Eurozone mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. 542 Abgeordnete aus allen vier Fraktionen billigten heue, Freitag, den Aufschub um vier Monate, 32 stimmten dagegen, 13 enthielten sich.

Die neue Regierung in Athen habe "sehr viel Vertrauen zerstört", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble. Schließlich habe sie sich aber "ohne jede Einschränkung" zum Reformprogramm bekannt. Im eigenen Land gerät der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras deshalb unter Druck, in Athen kam es zu Ausschreitungen. Seine Nagelprobe könnte im Sommer eine Entscheidung über ein drittes Hilfsprogramm werden.

Schäuble betonte, mit dem Bundestagsbeschluss seien noch keine neuen Milliardenüberweisungen der Euro-Länder nach Athen verbunden. Zuvor müsse die neue Regierung mit den drei "Troika"-Institutionen EU, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB), einen Reformplan vereinbaren und umsetzen. Nach wochenlangem quälenden Streit mit den Gläubigern hatte die griechische Regierung diese Woche erste Vorschläge gemacht. Ohne die Fristverlängerung wäre das Hilfsprogramm am Samstag um Mitternacht ausgelaufen - das seit 2010 mit 240 Milliarden Euro gestützte Land wäre nahe an die Pleite gerückt.

In der deutschen Abstimmung über die Verlängerung des griechischen Hilfsprogramms sind nahezu alle Nein-Stimmen aus der Bundestagsfraktion der Union gekommen. Nach der Reuters am Freitag vorliegenden Liste der namentlichen Abstimmung votierten 29 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion gegen die Fristverlängerung um vier Monate.

Die restlichen drei der insgesamt 32 Nein-Stimmen kamen von der Linken. In einer Probeabstimmung hatten am Donnerstag 22 Unions-Abgeordnete mit Nein gestimmt.

SPD und Grüne sprachen sich einstimmig für den Verlängerungsantrag von Finanzminister Wolfgang Schäuble aus. Er verschafft der neuen Regierung in Athen mehr Zeit, mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank ein Reformprogramm zu vereinbaren. Um die Auszahlung weiterer Rettungsmilliarden zur Stützung des pleitebedrohten Landes ging es noch nicht.

Insgesamt stimmte der Bundestag mit einer überwältigenden Mehrheit von 541 der 586 abgegebenen Stimmen für den Zeitaufschub. Sie kam zustande, weil die Linke erstmals in der Euro-Rettungspolitik mehrheitlich mit der Koalition stimmte. Neben den 32 Nein-Stimmen gab es 13 Enthaltungen. Davon kamen drei aus der Unions- und zehn aus der Linken-Fraktion.

"Die Entscheidung fällt keinem Abgeordneten des Bundestages leicht", sagte Schäuble. Die Diskussion vor und nach der Wahl Ende Jänner habe sie nicht einfacher gemacht, sagte Schäuble, der zuletzt in einer Zeitung der Regierungspartei Syriza als NS-Verbrecher karikiert worden war. Die neue Regierung habe sich aber letztlich verpflichtet, keinerlei einseitige Maßnahmen zu ergreifen und alle Schulden zu bedienen. "Solidarität hat auch etwas mit Verlässlichkeit und gegenseitiger Rücksichtnahme zu tun", mahnte Schäuble in Richtung Athen: "Solidarität heißt nicht, dass man einander erpressen kann." In anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets sei außerdem der Lebensstandard niedriger als in Griechenland.

"Wir Deutschen sollten alles dafür tun, dass wir Europa zusammenhalten, soweit wir können, und zusammenführen", sagte Schäuble. Der Reformkurs müsse weiterverfolgt werden. Würde man Griechenland nachgeben, hätten alle anderen Euro-Staaten innenpolitisch nicht mehr die Kraft, Reformen durchzusetzen. Dass es die neue Regierung mit ihren Ankündigungen ernst meint, stellen dem neuen ZDF-Politbarometer zufolge 71 Prozent der Deutschen in Frage, nur ein Viertel glaubt, dass dies der Fall ist.

Weil die Grünen und - erstmals in der Euro-Rettungspolitik - auch die Linken mit der Koalition stimmten, kam im Bundestag die breiteste Mehrheit seit Beginn der Krise 2009 zusammen. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, das Votum der Linken dürfe nicht mit einem Ja zur gescheiterten Sparpolitik verwechselt werden: "Aber es ist eine Zustimmung dafür, dass Griechenland eine Atempause bekommt, eine Chance für einen Neuanfang." Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: "Wir erwarten, dass der neuen Regierung wenigstens eine kleine Chance gegeben wird." Ein mögliches drittes Hilfspaket müsse so gestaltet werden, dass am Ende ein stabiles und wohlhabendes Griechenland stehe.

"Jedem muss klar sein, die teuerste Lösung jetzt wäre der Austritt der Griechen aus der Eurozone", sagte der Vizechef der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. Deutschland verbürge Kredite von mehr als 60 Mrd. Euro. Wenn die Regierung in Athen aber bereit sei, die richtigen ökonomischen Antworten zu geben, "werden wir über ein neues Hilfsprogramm reden müssen". CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte: "Ende Juni ist die Entscheidungszeit, ob es mit Griechenland weitergeht oder nicht." Die Fristverlängerung sei "eine der letzten Chancen".

Appelle an die Regierung in Athen kamen auch von der EU-Kommission. Währungskommissar Pierre Moscovici sagte dem Deutschlandfunk: "Griechenland muss seine Verpflichtungen gegenüber den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds zwingend halten." Griechenland müsse in der Eurozone bleiben: "Wenn ein Land, welches auch immer, ausscheidet, wird man sich die Frage stellen, wer verlässt sie als nächster."

Wegen der Reformzusagen kam es in Athen erstmals seit dem Regierungswechsel zu einer Demonstration gegen die Tsipras-Regierung. Dutzende Vermummte lieferten sich im Zentrum der Hauptstadt Auseinandersetzungen mit Bereitschaftspolizisten, schlugen Schaufester ein, warfen Benzinbomben und setzten Autos in Brand. Die Verlängerung des verhassten Reformprogramms wird auch in den Reihen der Syriza kritisiert. Tsipras war mit dem Versprechen angetreten, die Gläubiger-Auflagen aufzukündigen.

(Quelle: salzburg24)

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