Am Mittwoch läuft formal das schriftliche Verfahren. Konkret heißt dies, dass die ausgearbeiteten Rechtstexte an die einzelnen Staats- und Regierungschefs geschickt werden. EU-Ratspräsident Hermann Van Rompuy hatte erklärt, dass die Sanktionen den Zugang russischer staatseigener Finanzinstitutionen zum europäischen Kapitalmarkt begrenzen, ein Waffenembargo verhängt wird sowie ein Ausfuhrverbot für "dual use goods" (Verwendung ziviler und militärischer Güter) erlassen wird. Außerdem werde der Zugang Russlands zu hochsensitiven Technologien im Erdölbereich gedrosselt.
Insgesamt exportierte die EU im letzten Jahr Waren im Wert von 120 Milliarden Euro nach Russland. Der Löwenanteil davon entfiel mit rund 36 Milliarden Euro an Deutschland. Österreich kam auf Ausfuhren von 3,5 Milliarden Euro nach Moskau.
Die russische Zentralbank hat unterdessen am Mittwoch auf die von der EU und den USA verhängten neuen Sanktionen gegen Russland reagiert und den betroffenen Banken des Landes Unterstützung zugesichert. "Sollte es notwendig sein, werden geeignete Maßnahmen ergriffen, um die Interessen der Bankkunden, der Sparer und der Kreditgeber zu schützen", zitierten die Nachrichtenagentur Dow Jones und das Wall Street Journal am Mittwoch die Moskauer Zentralbank.
Die Sanktionen der USA haben neben der VTB Bank die Bank of Moscow und die Russian Agricultural Bank zum Ziel. Die EU hat die von ihren geplanten Sanktionen betroffenen Banken offiziell noch nicht namhaft gemacht.
Vom Umfang der westlichen Sanktionen gegen Russland wird abhängen, ob sich das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) des Landes im Jahr 2015 verlangsamt oder sogar in den Minus-Bereich abrutscht, heißt es in einer von der russischen Agentur RIA-Nowosti veröffentlichten Prognose des russischen Wirtschaftsministeriums.
"Selbstverständlich beeinflusst das das BIP-Wachstum stark negativ, und zwar nicht nur in diesem Jahr", sagte Andrej Klepatsch, Vizechef der russischen Staatsbank VEB und früherer Vizewirtschaftsminister, im TV-Sender Rossija 24. Im laufenden Jahr werde der Negativeffekt recht eingeschränkt sein. Insbesondere treffe das aber auf das Jahr 2015 zu. Für 2014 sagt das Wirtschaftsministerium ein Wachstum von 0,5 Prozent voraus.
Die USA haben am Dienstagabend die VTB Bank und ihre Tochter Bank of Moscow auf die Sanktionsliste gesetzt. In einer ersten Stellungnahme am Mittwochvormittag bezeichnete die VTB die Maßnahmen als "unfair" und "politisch motiviert". Die Bank betonte, ungeachtet der jüngsten Welle von westlichen Sanktionen ihr Kapital erhöhen zu können, sollte dies erforderlich werden.
Nach der Verhängung internationaler Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verbietet Russland weitgehend den Import von Obst und Gemüse aus Polen. Betroffen seien ab Freitag "fast alle" Einfuhren dieser Art, teilte die Lebensmittelaufsicht am Mittwoch mit. Zur Begründung hieß es, Polen habe "wiederholt" gegen Regelungen zur Nahrungsmittelsicherheit verstoßen.
Litauen ist trotz neuer EU-Sanktionen gegen Russland enttäuscht, dass die Lieferung von zwei französischen Kriegsschiffen der Mistral-Klasse davon ausgenommen ist. "Ich betrachte die neuen EU-Sanktionen als einen Schritt nach vorne. Die Sanktionen sind notwendig, allerdings längst überfällig und unzureichend", so Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite.
Die EU hatte am Dienstag unter anderem ein Verbot künftiger Waffenexporte nach Russland beschlossen. Ausgenommen davon sind jedoch Altverträge wie der über die Lieferung zweier französischer Hubschrauberträger im Wert von 1,2 Milliarden Euro. Deutschland rechnet unterdessen nicht mit einer schnellen Wirkung der Wirtschaftssanktionen. "Zu erwarten, dass sich kurzfristig etwas ändert, das ist meines Erachtens nicht realistisch", sagte der Russlandbeauftragte Gernot Erler von der sozialdemokratischen SPD am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin".
In Österreich meinte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die EU-Wirtschaftssanktionen könnten für die europäische Wirtschaft zu einem Bumerang mit ungeahnten Folgen werden. Die EU habe in vorauseilendem Gehorsam die Vorgaben Amerikas erfüllt und die Sanktionen verschärft.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat sich erneut gegen die Wirtschaftssanktionen ausgesprochen, die von EU und USA gegen Russland verhängt werden. "Wirtschaft soll nicht als Instrument der Politik missbraucht werden", sagte Leitl am Mittwoch im ORF-"Mittagsjournal". Österreichs Exporte nach Russland würden heuer voraussichtlich um ein Fünftel einbrechen, warnte Leitl.
Der Wirtschaftskammer-Präsident zeigte zwar Verständnis für die Haltung der europäischen Länder. "Niemand billigt das Vorgehen von Putin, weil das nationalistische Säbelgerassel ins 19. Jahrhundert passt, aber nichts ins 21. Jahrhundert", so Leitl. Man müsse dennoch kühlen Kopf bewahren. Das einzig Zielführende sei der Dialog, und den dürfe man nicht aufgeben.
Die EU-Wirtschaftssanktionen seien kein Beitrag zur Deeskalation, kritisierte der Botschafter Russlands bei der Europäischen Union, Wladimir Tschischow, am Mittwoch in Moskau. Laut der russischen Agentur Interfax sagte Tschischow, die Strafmaßnahmen würden nirgendwohin führen und auch nicht helfen, die Ukraine-Krise zu lösen.
Die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland werden nach Darstellung des Außenministeriums in Moskau unweigerlich zu höheren Energiepreisen in Europa führen. "Indem man sich in eine Sanktionsorgie begibt, stellt Brüssel nach eigenem Willen Hürden für weitere Kooperationen in einem so wichtigen Feld wie der Energie auf", hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung des Ministeriums.
Dies sei ein unbedachter und verantwortungsloser Schritt, der unweigerlich höhere Energiepreise in Europa zur Folge haben werde. Die EU deckt rund ein Drittel ihres Energiebedarfs aus Russland. Rund 60 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs werden durch Gas aus Russland gedeckt.
Am Dienstag hatte die EU im Zuge der Ukraine-Krise härtere Wirtschaftssanktionen gegen Russland für vier Branchen beschlossen. Strafmaßnahmen im Gasgeschäft sind darin nicht enthalten, dafür aber Beschränkungen für Projekte zur Ölförderung.
(Quelle: salzburg24)