Außerdem sagt die EU laut dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegendem Entwurf zunächst 3 Mrd. Euro für eine bessere Versorgung der Flüchtlinge an Ort und Stelle in der Türkei zu. Über weitere Hilfen solle abhängig von der Entwicklung der Flüchtlingskrise beraten werden.
Außerdem sollen die festgefahrenen Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt wiederbelebt werden. Geplant sei, im Dezember über weitere Themengebiete zu sprechen. Weitere Kapitel sollten für das erste Quartal 2016 verhandlungsreif gemacht werden. Darüber hinaus sollen zweimal im Jahr Gipfeltreffen der EU und der Türkei stattfinden. Die Beitrittsverhandlungen laufen schon seit zehn Jahren.
Türkei soll Ausreise verhindern
Im Gegenzug verpflichtet sich die Türkei, die Ausreise von Migranten ohne Aussicht auf Asylrecht in die EU zu verhindern. Die EU geht die gleiche Verpflichtung gegenüber der Türkei ein. Die Abschlusserklärung kann sich noch verändern, da das Gipfeltreffen in Brüssel erst um 16.00 Uhr beginnt.
"Beide Seiten werden wie vereinbart und mit sofortiger Wirkung ihre aktive Kooperation bei den Migranten, die keinen internationalen Schutz brauchen, erweitern, indem Reisen in die Türkei und nach Europa verhindert werden, die geschaffenen bilateralen Rückführungsregeln angewendet werden und Migranten, die keinen internationalen Schutz brauchen, rasch in ihre Heimatländer zurückgebracht werden", heißt es wörtlich in dem Gipfel-Entwurf.
Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu sagte vor seinem Abflug nach Brüssel in Ankara, der erste EU-Türkei-Gipfel seit elf Jahren werde "neuen Schwung" in die beiderseitigen Beziehungen bringen. "Es ist bereits vereinbart worden, dass die Türkei das Flüchtlingsproblem nicht alleine schultern soll." Auch der gemeinsame Aktionsplan sei unter Dach und Fach.
Die Türkei gilt für die Europäer als Schlüsselland zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Als Nachbarstaat des Bürgerkriegslandes Syrien war sie zuletzt Hauptdurchgangsland für Hunderttausende Menschen, die in die EU wollten.
Eine Gruppe EU-Staaten, darunter Österreich, wollte laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" noch vor Gipfel-Beginn um 14.00 Uhr zusammenkommen, um der Türkei die Aufnahme von 400.000 Flüchtlingen anzubieten, wenn Ankara im Gegenzug die ungesteuerte Weiterreise der Menschen in die EU stoppt. Diese Gruppe der "Willigen" wolle dabei über den Plan abstimmen. Das Treffen hätten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker arrangiert, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Verhandlungskreise. Teilnehmen werden der Zeitung zufolge die Regierungschefs aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich, Schweden, Finnland und Griechenland. Auch Frankreich sei eingebunden, Staatschef Francois Hollande könne aber erst um 16.00 Uhr nach Brüssel kommen.
Widerstand bei vielen Staaten bei Aufnahme von Flüchtlingen
Gegen die verbindliche Aufnahme von Flüchtlingen aus der Türkei gibt es unter vielen EU-Staaten Widerstand, deswegen hat sich der Zeitung zufolge nun eine Gruppe von Ländern zusammengetan, die zu dem Kontingent bereit wären. Im Gespräch sei eine Größenordnung von rund 400.000 Menschen, was einem Drittel der Zahl der Flüchtlinge entspreche, die heuer aus der Türkei über den Westbalkan in die EU gereist seien. Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" weiter berichtet, soll Juncker am Sonntag den Auftrag erhalten, bis zum EU-Gipfel in zweieinhalb Wochen einen Verteilungsplan auszuarbeiten.
Gemeinsamer Schutz der Außengrenzen
Die EU erwartet laut Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) von Ankara eine "vollständige Umsetzung des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei" sowie einen gemeinsamen Schutz der Außengrenzen. "Wir haben dafür einen Fahrplan", sagte Faymann in einem Interview mit dem "Kurier" (Sonntagsausgabe). Die Tatsache, dass Österreich den EU-Türkei-Gipfel am Sonntag mit einigen anderen Nettozahler-Staaten vorbereite, kommentierte Faymann mit den Worten: "Wir zahlen (...) dafür, dass auch in andern Ländern der Lebensstandard gehoben wird. Jetzt verlangen wir, dass wir beim Flüchtlingsthema nicht alleingelassen werden." Das Kerneuropa der Nettozahler werde sich "auf die Füße stellen, wir fordern Solidarität ein. Und der zweite Schritt ist, dass wir den Ländern, die nicht solidarisch sind, sagen, dass sie weniger aus den EU-Geldtöpfen bekommen. Wir werden nicht zuschauen, dass sich Staaten wegducken".
EU-Ratspräsident Donald Tusk betonte kurz vor Gipfel-Beginn, dass "nicht ein Drittstaat das Migrationsproblem lösen" könne. "Wir dürfen nicht naiv sein. Die Türkei allein kann nicht die Migrationskrise lösen. Das wichtigste für uns ist die Sicherung der EU-Außengrenzen. Wir können diese Verpflichtung nicht auf einen Drittstaat auslagern". Denn "ohne die Kontrolle der Außengrenzen wird Schengen Geschichte sein", warnte Tusk.
Juncker will die Türkei schneller an die Europäische Union heranführen. "Mit dem EU-Türkei-Gipfel vertiefen wir die Partnerschaft mit einem unserer wichtigsten Nachbarn - und das nicht nur, weil wir einander gerade brauchen, sondern auch, weil wir gemeinsam mehr erreichen wollen", sagte er der Zeitung "Bild am Sonntag" laut Vorausbericht.
Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, hat davor gewarnt, den Gipfel EU-Türkei zu einem "Kniefall (...) vor dem immer autoritärer agierenden türkischen Präsidenten" Recep Tayyip Erdogan "verkommen" zu lassen. In einer Aussendung warnte die österreichische Grüne am Sonntag in Sachen verstärkte Kooperation mit der Türkei in der Flüchtlingskrise auch: Die Lösung könne kein fauler Kompromiss unter dem Motto "Geld und Visa für die Türkei und dafür weniger Flüchtlinge für die EU" sein.
(APA)
(Quelle: salzburg24)