Bei dem für kommenden Sonntag geplanten Referendum sollten die Griechen ein "großes Nein zum Ultimatum" der Gläubiger sagen, forderte Tsipras im Parlament. Zugleich sollten sie "ein großes Ja zu Europa und zur Solidarität" aussprechen. Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass durch ein "stolzes Nein" die Verhandlungsposition Griechenlands gegenüber den Gläubigern gestärkt werden würde.
Laut dem offiziellen Ergebnis stimmten 120 Abgeordnete gegen das Referendum, zwei nahmen nicht an dem Votum teil. Eine erste Zählung von 179 Ja-Stimmen wurde nachträglich auf 178 korrigiert.
Für den Plan der Regierung votierten neben Tsipras' Syriza-Partei auch Abgeordnete ihres rechtspopulistischen Bündnispartners Partei der Unabhängigen Griechen sowie der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte. Die Konservativen und die Sozialisten stimmten dagegen, auch die Kommunisten und die zentristische Potami-Partei waren gegen das Referendum.
In dem Votum sollen die Griechen entscheiden, ob sie die von den Gläubigern im Gegenzug für neue Hilfen geforderten Sparmaßnahmen akzeptieren oder nicht. Grundlage ist ein am Freitag an Athen übermittelter gemeinsamer Forderungskatalog von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission. Dieser sieht laut Tsipras unter anderem "unakzeptable" Punkte wie Pensionskürzungen und eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel vor.
Der Ausgang des Referendums scheint ungewiss. In zwei noch vor der Referendums-Ankündigung abgehaltenen Umfragen sprach sich die Mehrheit der Griechen für eine Einigung mit den Gläubigern aus. So votierten auf die Frage "Wie würden Sie abstimmen, wenn es zu einem Referendum kommt?" 47,2 für ein Abkommen und 33 Prozent dagegen. Fast 20 Prozent zeigten sich in der Umfrage für die Wochenzeitung "Vima" unentschlossen.
Tsipras hatte das Referendum überraschend in der Nacht auf Samstag angekündigt. Damit brüskierte er die anderen Euro-Staaten. Denn die Volksabstimmung ist erst für kommenden Sonntag geplant - eine Einigung hätte aber spätestens bis Dienstagabend gefunden werden müssen. Angesichts dessen beschlossen die Euro-Finanzminister, dass Athen der Geldhahn zugedreht werden soll. Bei einem Sondertreffen in Brüssel lehnten sie am Samstag eine Verlängerung des am 30. Juni auslaufenden Hilfsprogramms ab.
Entscheidend wird jetzt sein, wie die Europäische Zentralbank reagiert. Der Rat der EZB kommt am Sonntag zu einer Krisensitzung zusammen. Ohne weitere Finanzhilfen droht dem griechischen Bankensystem der Kollaps. Für Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist in den Verhandlungen der Dienstag, 30. Juni 2015, eine "absolute Deadline". Die nicht erfolgten Rückzahlungen an den IWF könnten nur bis dahin ausgeschoben werden. "Es wurde klar ausgesprochen, dass dies die letzte Chance auf eine Einigung ist", so Schelling in der "Presse am Sonntag". Wenn die Verhandlungen scheitern, "dann gehe ich davon aus, dass relativ rasch ein EU-Gipfel mit den Regierungschefs einberufen wird", wird Schelling in dem Interview zitiert. "Das hat dann mittlerweile längst nicht nur eine ökonomische, sondern eine enorme politische Tragweite."
Auf die Journalistenfrage, ob ein Ausscheiden aus der Eurozone jetzt "fast schon unausweichlich" scheine, sagte Schelling, dass es einen "Grexit" gar nicht gebe. "Denn aus der Währungsunion kann man gar nicht austreten." Erst nach einen EU-Austritt "könnte Griechenland vermutlich auch die Eurozone verlassen".
Am Samstag hoben in Griechenland Bankkunden Insidern zufolge bereits ungewöhnlich viel Geld von den Automaten ab. Die Banken des Landes sollen dennoch am Montag wie gewohnt öffnen. Kapitalverkehrskontrollen plant die Regierung in Athen nicht. Allerdings gehen Experten davon aus, dass diese noch nötig werden. Die griechischen Institute sind stark abhängig von Nothilfen der Zentralbank, die die EZB genehmigen muss.
Die Geldgeber wollen im Gegenzug für weitere Hilfen Reformen und Einsparungen durchsetzen, um die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Die Tsipras-Regierung ist aber mit dem Versprechen angetreten, den ungeliebten Sparkurs im Land zu beenden.
Die Opposition in Griechenland warf Tsipras vor, sich hinter dem Volk zu verstecken. Er müsse selbst eine Entscheidung treffen und dafür eintreten, sagte der frühere Regierungschef Antonis Samaras. Außerdem ergebe das Referendum keinen Sinn, weil die Verhandlungen mit den Geldgebern beendet worden seien.
(Quelle: salzburg24)