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Historiker arbeiten am "Facebook des Mittelalters"

Veröffentlicht: 30. September 2014 09:37 Uhr
Wie standen die unterschiedlichen Fraktionen des Byzantinischen Reiches im Spätmittelalter zueinander? Wie sahen die Beziehungen der Eliten aus, und lassen sich aus diesen Geflechten spätere Konflikte vorhersagen? Mithilfe einer speziellen Software arbeiten österreichische Historiker an einem "Facebook des Mittelalters", wie Projektleiter Johannes Preiser-Kapeller im Gespräch mit der APA erklärte.

Das Projekt "Mapping Medieval Conflicts" (MEDCON) hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur vorhandene Daten zu digitalisieren und diese in eine Datenbank einzuspeisen, sondern auch neue Fragestellungen aus dem Material zu entwickeln. Mithilfe einer eigens adaptierten Software vernetzt das interdisziplinäre Team unter anderem Informationen über unterschiedliche Gruppierungen und Personen sowie ihre Beziehungen untereinander und verortet diese auch geografisch.

"Innerhalb dieser Netzwerkgrafiken zeigen sich so Strukturen", erklärte Preiser-Kapeller, der in der Abteilung Byzanzforschung des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig ist. Analysiere man diese, lassen sich etwa Faktoren für den Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe herausfiltern oder Polarisierungen und Fraktionen innerhalb von Eliten herausarbeiten.

"Wir versuchen auf diese Weise, gesellschaftliche Konfliktsituationen der Vergangenheit zu untersuchen", so der Byzantinist. Mit mathematischen Analysen könne man Messzahlen ermitteln, die beispielsweise die Belastbarkeit eines Bündnisses angeben. Als Quellen dienen dabei Originaldokumente der Zeit - etwa Urkunden oder Abkommen zwischen Adeligen.

Unter die Lupe nehmen die Historiker dabei nicht nur die politischen Fraktionen des Byzantinischen Reiches im 14. Jahrhundert, sondern auch die gegnerischen Parteien im Kampf um den deutschen Thron um 1200 oder die Gruppierungen und Allianzen im Kampf von Maximilian I. um Burgund. "Erst wenn wir systematisch alle Beziehungen und Querverbindungen erfassen, werden Muster sichtbar", erklärte Preiser-Kapeller. Die Untersuchung verschiedener Kulturräume soll auch den Vergleich möglich machen.

Ziel ist aber auch die Arbeit an der Software. "In den vergangenen Jahren wurden Massen an Daten digitalisiert, noch fehlen aber die Instrumente, um Zusammenhänge zu erkennen", meinte der Historiker. Deshalb soll die Netzwerk-Software von MEDCON möglichst so benutzerfreundlich gestaltet werden, dass in Zukunft jeder Wissenschafter damit arbeiten kann.

MEDCON ist eines von fünf Projekten, die im Zuge der Initiative "go!digital" der ÖAW und des Wissenschaftsministeriums aus 36 Einreichungen für eine zweijährige Förderung ausgewählt wurden. Die Ausschreibung ist Teil der Anfang 2014 gestarteten Digitalisierungsinitiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, innovative Forschung in den digitalen Geisteswissenschaften in Österreich zu unterstützen.

(Quelle: salzburg24)

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