Im Prozess führte Verteidiger Wolfgang Blaschitz aus, dass sich das angeklagte Paar mit Ausnahme des vom Mann verübten Ladendiebstahls nicht schuldig bekenne. Der 25-Jährige war im September 2016 mit Unterstützung des Einsatzkommandos Cobra in der Wohnung der 36-Jährigen in Baden festgenommen worden, die Frau einige Wochen später.
Laut Anklage IS-Propagandamaterial verbreitet
Laut Anklageschrift soll der staaten- und beschäftigungslose Erstangeklagte zumindest seit Ende 2014 Propagandamaterial der Terrororganisation IS ("Islamischer Staat") über Messenger-Dienste versendet haben, um Personen als Mitglieder des IS zu gewinnen bzw. anzuwerben. Als Profilbilder bei zwei Accounts wählte er Motive mit IS-Flaggen. Angelastet wurde ihm auch der Versuch, über Georgien und die Türkei nach Syrien einzureisen, um sich der Terrormiliz anzuschließen. Der ebenfalls arbeitslosen Frau wurde vorgeworfen, den bei ihr in Baden wohnenden 25-Jährigen in seinem Vorhaben bis zuletzt bestärkt und aufgefordert zu haben, mit ihr nach Syrien zu gehen.
Erstangeklagtem werden weitere Delikte vorgeworfen
Daneben musste sich der Erstangeklagte für weitere Delikte verantworten. So soll er u.a. Videos mit pornografischen Darstellungen mündiger minderjähriger Mädchen abgespeichert haben. In U-Haft in der Justizanstalt Wiener Neustadt habe er Mitinsassen getäuscht, um sich zu bereichern, indem er versprach, gegen Bezahlung Mobiltelefone zu beschaffen - tatsächlich gingen auf dem Bankkonto der Frau 150 Euro ein. Vorgeworfen wurde dem 25-Jährigen auch ein Ladendiebstahl in der SCS (Shopping City Süd) am 1. September 2016. Der Detektiv eines Bekleidungsgeschäfts hatte ihn damals aufgehalten - Beamte der Polizeiinspektion Vösendorf entdeckten bei einer oberflächlichen Sichtung auf seinem Handy IS-Propagandamaterial. Nach Auswertung durch das Landesamt für Verfassungsschutz wurde dann die Festnahme angeordnet und in Baden vollzogen.
Ausreichend Beweise für Mitgliedschaft in Terror-Vereinigung?
Anwalt Wolfgang Blaschitz sah in den Chat-Protokollen allein keinen ausreichenden Beweis für eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Selbst die verschärften Terrorismusparagrafen würden nicht eine Gesinnung kriminalisieren, sondern tatsächliche Handlungen. Diese gebe es in diesem Fall nicht und sie seien auch nicht aus den Chats ableitbar, appellierte Blaschitz in seinem Eröffnungsplädoyer an die Schöffen, die "Kirche im Dorf" zu lassen. Er erinnerte daran, dass bei der Festnahme an der Wohnadresse in Baden mit Cobra-Unterstützung - eine "Anordnung der Superlative" - nichts Verdächtiges gefunden worden sei. Das auf dem Handy seines Mandanten entdeckte IS-Propagandamaterial finde jeder im Internet, ein Profilbild mit IS-Flagge bedeute auch noch keine Gutheißung einer terroristischen Straftat, und der angebliche Chat-Partner "Tauhid" könnte auch einfach eine automatische Antworten generierende Internet-Konstruktion gewesen sein. An den weiteren "weit hergeholten" Vorwürfen bezüglich Pornos und Betrugsversuch im Gefängnis sei nichts dran.
Der französisch sprechende 25-Jährige räumte den Ladendiebstahl von zwei Hemden ein, weil er nach dem Kauf von drei T-Shirts nicht mehr genug Geld mitgehabt hatte: "Das war ein Fehler." Darüber hinaus aber habe er sich nichts vorzuwerfen. Er beteuerte, kein Terrorist zu sein. Sonst wäre es wohl eher logisch gewesen, in der Woche zwischen dem Vorfall mit Handy-Abnahme in der SCS und seiner Festnahme zu flüchten, meinte er.
Er sei kein praktizierender Muslim, betonte der Beschuldigte. Er habe das bewusste Foto nur als Profilbild gewählt, "um dort hineinzuschauen", viele geschickte Bilder in der rund 30 Personen zählenden Gruppe habe er gar nicht geöffnet. Dass er in der Türkei gefangen war, wie er im Chat geschrieben hatte, sei gelogen gewesen. Seit seinem neunten Lebensjahr habe er Belgien nicht verlassen - und würde niemals nach Syrien fahren: "Man lebt nur einmal." Durch die Gruppe sei er in diese nun traumatische Situation gekommen, sprach der 25-Jährige davon, geschockt zu sein. Er werde niemals wieder einer solchen Gruppe beitreten.
Welche verschiedenen Skype-Namen er benutzt habe, wisse er nicht mehr, antwortete der Angeklagte auf die Frage der Staatsanwältin. "Das war nur gescherzt", meinte er zum Vorhalt, dass das Paar sich via Web über Reisen nach Syrien unterhalten hatte. Er könne sich auch nicht erinnern, dass seine Frau erwähnt hätte, einen Sprengstoffgürtel kaufen zu wollen. Er lebe seit acht Monaten in Baden, gehe dort einkaufen und trinke Bier. Die Beamten hätten ihm aber vorgeworfen, die gefundenen Flaschen seien für den Bau von Molotowcocktails gewesen.
Die Bitten an ein Gruppenmitglied um Geld für eine Fahrt nach Syrien "waren auch nur Spaß?", wollte die beisitzende Richterin vom Angeklagten wissen. Ebenso die konkrete Frage zur Wohnmöglichkeit in der Türkei? Alles erfunden, war die Antwort. Er schwöre, kein religiöser Fanatiker zu sein. "Ich verstehe Ihren Humor nicht", meinte sie.
Zu den Pornos meinte der gebürtige Tschetschene, "junge Mädchen des Tages" angeschaut zu haben, nichts weiter. Seine Frau sei zwar zehn Jahre älter, aber er liebe sie. Er lernte sie kennen, als er auf der Suche nach Kontakten Vornamen eingegeben hatte und sie antwortete.
Der Angeklagte begründete seine "einschlägigen" Spuren im Internet mit seinem Interesse an den Themen, wenngleich die Anhänger der Terrormiliz für ihn "tötende Barbaren" seien. Jeder könne zum Beispiel IS als Suchbegriff eingeben und werde Hunderttausende Treffer erhalten. Die islamische Religion sei ihm "scheißegal". Ob er denn Aufdeckungsjournalist sei, meinte die Staatsanwältin sarkastisch.
Der 25-Jährige gab an, sich kaum an das Land seiner Geburt zu erinnern. Er habe sein bisheriges Leben hauptsächlich in Belgien verbracht, ging dort in die Schule und erwarb ein Diplom als Mechaniker.
Nach langer Befragung des Mannes in Abwesenheit der Zweitangeklagten und kurzer Mittagspause wurde am Nachmittag die 36-Jährige einvernommen. Zum IS meinte sie: "Für mich sind das psychisch kranke Leute, die Gottes Wort nehmen und damit machen, was sie wollen."
Sie habe ihren Mann vor "falscher islamischer Propaganda" abschirmen wollen, sprach die Beschuldigte von "Manipulationen" im Internet - vielleicht im Versuch, ihre eigenen Chats zu begründen. Jedenfalls erschien diese Aussage dem Gericht auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht ganz verständlich. Die Frau hatte laut der Richterin unter sieben verschiedenen Namen in diversen Foren gechattet.
Zum Vorhalt ihrer schriftlichen Ankündigung eines Sprengstoffattentats vor dem Verteidigungsministerium in Wien - "Explosion - Buff, und dann gibt es mich nicht mehr", mit Smiley "untermalt" -, meinte sie, "das war alles nur so geschrieben", um den jungen Mann zu beeindrucken. Sie habe nämlich den Eindruck gehabt, dass ihm solche Frauen gefielen. Dem Senat klangen die Chat-Verläufe aber eher danach, dass es die gebürtige Tschetschenin war, die ihren Lebensgefährten beeinflusste. So habe sie ihrem "Schatz" vom Jihad vorgeschwärmt, und dass sie von einem Chat-Partner Wege nach Syrien wisse, verlas die Richterin.
Wenn sie nach Wien fahre, trage sie - als verheiratete Frau - Kopftuch, sonst nicht, sagte die seit einigen Jahren in Österreich lebende 36-Jährige zu Fotos von sich. Ihr Mann sei kein praktizierender Muslim. Warum sie dann nach islamischem Recht und nicht auf dem Standesamt geheiratet hatte, konnte sie nicht wirklich erklären. Der Prozess sollte dem Vernehmen nach am Mittwoch zu Ende geführt werden.
(APA)
(Quelle: salzburg24)