Welt

Josefstadt zeigt Thomas Bernhards "Auslöschung"

Bernhard-Stück feiert am 25. Februar Premiere
Veröffentlicht: 16. Februar 2016 09:56 Uhr
651 Seiten umfasst Thomas Bernhards 1986 erschienener umfangreichster Roman "Auslöschung". Für Oliver Reese kein Grund, davor zurückzuschrecken. Der 2017 als Nachfolger Claus Peymanns an das Berliner Ensemble wechselnde Intendant des Schauspiel Frankfurt gibt mit der Inszenierung seiner eigenen Dramatisierung sein Debüt am Theater in der Josefstadt. Premiere ist am 25. Februar.

"Ich schätze die Stücke von Thomas Bernhard sehr und habe auch schon 'Ritter, Dene, Voss' inszeniert. Aber 'Auslöschung' ist unbedingt ein dramatischer Stoff. Und es ist Sprache, die gesprochen werden will", meint der 51-jährige frühere Dramaturg im Gespräch mit der APA.

Für das Vorhaben gibt es zudem mindestens zwei weitere triftige Gründe: Reese hat sich "als das noch keine Mode war" mit Roman-Dramatisierungen einen Namen gemacht und etwa Döblins "Berlin, Alexanderplatz", Nabokovs "Lolita", aber auch "Die Blechtrommel" von Günter Grass auf die Bühne gebracht; und er hatte mit seinem "Herzensprojekt", der Dramatisierung der fünf autobiografischen Romane Thomas Bernhards, die er 2013 in Frankfurt unter dem Titel "Wille zur Wahrheit" herausbrachte, bewiesen, wie's geht. "Die Rechnung geht auf", befand damals jedenfalls die "FAZ".

Die Kernzahl, mit der Reese diesmal seine Bernhard-Rechnung aufmacht, ist 4: Der große innere Monolog, in dem der von einem Heimatbesuch auf Schloss Wolfsegg in sein italienisches Domizil zurückgekehrte Franz-Josef Murau über seine Herkunft, seine Familie, das Land Österreich und dessen Mentalität und Geschichte räsoniert, wird auf vier Schauspieler aufgeteilt. Wolfgang Michael, Christian Nickel, Udo Samel und Martin Zauner seien "vier schon phänotypisch völlig unterschiedliche Schauspieler", sagt Reese. "Diese vier Männer sind wie die vier Grundcharaktere einer Figur. Sie spielen und streiten miteinander, in ständig neuen Situationen. Der Zuschauer muss sich nicht vor einer endlosen Suada fürchten. Der Abend wird in gewisser Weise bunt und theatral."

Sprache, Musikalität und Rhythmus sollen die Aufführung prägen. Konzentration statt Ablenkung. "Ich will Bilder, die aus Sprache entstehen. Thomas Bernhard ist Theater für Erwachsene. Sowohl beim Machen als auch beim Gucken." Der erwachsene Zugang, das ist für den Theatermann, der bisher u.a. am Residenztheater in München, am Gorki und am Deutschen Theater Berlin gearbeitet hat, auch durch eine handwerkliche Ernsthaftigkeit gekennzeichnet, die er bei der jungen Regie-Generation mitunter vermisst. "Ich muss zugeben: Ich habe Angst vor der Zukunft. In den Regieschulen beginnen sie gleich mit Projekten, statt erst einmal zu versuchen, realistische Stücke sauber hinzukriegen. Ich weiß heute als Intendant kaum mehr, wen ich anrufen kann, um mir einen Tschechow ohne Zusatz-Texte zu inszenieren."

Seit 2009 leitet Reese das Schauspiel Frankfurt, das an vier Spielstätten jährlich rund 700 Vorstellungen anbietet. Übernommen hatte er die Bühne mit rund 100.000 Besuchern jährlich und einer Auslastung von um die 70 Prozent. Heute habe man 180.000 Zuschauer pro Jahr und halte in dieser Saison bei einer Auslastung von 91,6 Prozent, sagt er stolz. "Die Einnahmen haben wir von 1,2 auf 3 Millionen Euro gesteigert." Auch künstlerisch sei er erfolgreich, wichtige Regisseure von Michael Thalheimer über Andreas Kriegenburg bis Ersan Mondtag arbeiteten bei ihm. "Das Theater ist in der Mitte der Stadt angekommen und wird, im Gegensatz zu anderswo, von niemandem infrage gestellt." Mit dem "Festival Fluchtpunkt Frankfurt" hat man sich Mitte Jänner in Gastspielen, Lesungen und Vorträgen mit der virulenten Flüchtlingsfrage auseinandergesetzt. "Das war brechend voll. Im Juni machen wir eine Fortsetzung."

Die Fortsetzung seiner Intendantenkarriere bringt Reese zurück nach Berlin. Mit der Saison 2017/18 wird er Peymann am traditionsreichen BE beerben. Die Brecht-Pflege nennt er einen der natürlichen Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit. Vor allem aber möchte er auf intensivere Zusammenarbeit mit Autoren setzen. "Unser Theater wird zusehends von Regisseuren dominiert. Ich sage das durchaus selbstkritisch, denn ich mache seit 30 Jahren Spielpläne. In diesen Gesprächen geht es aber viel häufiger um Termine als um Inhalte. Das möchte ich ändern." Es gelte, Autoren intensiv und gleichgewichtig einzubinden und sich nicht auf die Vergabe von Stückaufträgen zu beschränken. Im Übrigen setze er auch hier bloß eine Haus-Tradition fort: "Welches Theater hatte schon wie das Berliner Ensemble mit Bertolt Brecht und Heiner Müller zwei Weltautoren in seiner Leitung?"

Thomas Bernhard war bekanntlich Mitte der 1970er-Jahre für die Burgtheater-Direktion im Gespräch. Für wen das vielleicht die Auslöschung gewesen wäre, für den Autor oder das Theater, bleibt Spekulation. Aber gut möglich, dass der Roman "Auslöschung" dann nie geschrieben worden wäre.

(Quelle: salzburg24)

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