Situation außer Kontrolle"

Lampedusa ruft den Notstand aus

Migrants sit on the gound as they wait next to Italian police officers on the Italian island of Lampedusa, on September 13, 2023. Over 6.000 migrants arrived on the Italian island of Lampedusa in the last 36 hours, according to the Italian Red Cross. Police started to move some of the migrants to Sicily by ferry and plane. (Photo by Alessandro SERRANO / AFP)
Veröffentlicht: 14. September 2023 08:27 Uhr
Angesichts der hohen Zahl an ankommenden Migrantinnen und Migranten meldet die süditalienische Insel Lampedusa chaotische Zustände. 9.000 Menschen sind seit Montag auf der Insel gelandet, das ist fast um ein Drittel mehr als die Gesamtzahl der Einwohner:innen, die bei 6.300 liegt.
SALZBURG24 (mem)

Der Stadtrat der Mittelmeerinsel hat am Mittwochabend den Ausnahmezustand ausgerufen. Damit fordert Bürgermeister Filippo Mannino mehr Unterstützung für die kleine Insel, die unter "großem Druck" stehe. "Wir fordern eine strukturelle Lösung, denn wir können diese Migrationsströme allein nicht mehr bewältigen", sagte Mannino und drängt auf die sofortige Verlegung der Migranten nach Sizilien und aufs italienische Festland. Er forderte auch den Einsatz von Marineschiffen, die Migrantenboote vor der Küste Lampedusas aufgreifen sollen, bevor sie die Insel erreichen können.

Flüchtlingseinrichtung für 400 Personen ausgelegt

6.800 Personen befinden sich derzeit in der vom Roten Kreuz verwalteten Flüchtlingseinrichtung der Insel, die eigentlich für maximal 400 Personen ausgelegt wäre. Bei der Verteilung von Lebensmitteln kam es am Mittwochabend zu chaotischen Zuständen. "Die Situation ist außer Kontrolle", sagten Sicherheitsbeamten. Am Donnerstag sollen 3.000 Menschen die Insel verlassen.

Am Hafen spitzte sich die Lage am Mittwochnachmittag zu. Der örtliche Pfarrer Carmelo Rizzi wird in der katholischen Tageszeitung "Avvenire" (Donnerstag) mit den Worten zitiert: "Das ist eine echte Apokalypse." Die Ankommenden fänden keine Plätze mehr zum Schlafen und keine Toiletten. Die Polizei sorge mit Schlagstöcken für Ordnung. Hunderte Menschen versuchten nach übereinstimmenden Medienberichten, den Hafen zu verlassen und Absperrungen zu durchbrechen. Wie auf Videos zu sehen war, drängte die Polizei die Menschen zurück.

EU-Gelder in Millionenhöhe für Italien

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni reist unterdessen am Donnerstag nach Budapest zu Gesprächen mit ihrem ungarischen Amtskollegen Viktor Orban. Die rechtspopulistische Politikerin nimmt am sogenannten Demografie-Gipfel in Budapest teil.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani warnte indes, dass sich die Lage in den kommenden Monaten noch verschärfen könnte. "Italien muss auf europäischer Ebene unterstützt werden. Wir können nicht allein gelassen werden", so Tajani in einem Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Donnerstag. "Europa allein ist nicht in der Lage, ein so großes Problem zu bewältigen, das nicht nur fast ganz Afrika betrifft, sondern auch den Zustrom über die Balkanroute. Deshalb haben wir die Vereinten Nationen und die G20 einbezogen", so der Minister.

"Ich habe gerade die Botschafter von Guinea und Cote d´Ivoire, Länder, aus denen Hunderte von irregulären Migranten nach Italien ausreisen, ins Außenministerium einberufen und darum gebeten, dass strengere Kriterien zur Eindämmung der Ausreise und zur Annahme von Rückführungen eingeführt werden", erklärte Tajani.

Die Europäische Kommission steht in engem Kontakt mit den italienischen Behörden, erklärte eine Sprecherin der Behörde am Donnerstag in Brüssel. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe engen Kontakt mit Meloni, und die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson werde später mit dem italienischen Innenminister Matteo Piantedosi telefonisch beraten, wie die EU Italien weiter helfen könne. Derzeit seien rund 450 Mitarbeitende der EU-Asylagentur und von Frontex vor Ort im Einsatz. Auch finanziell werde Italien mit 14 Millionen Euro Nothilfe unterstützt. Das Geld soll helfen, die Flüchtenden zu versorgen und von der Insel zum Festland zu transportieren.

Am Freitag soll ein Sondertreffen im Rahmen der EU-Solidaritätsplattform stattfinden. Auf dieser können sich die Mitgliedstaaten über ihre Aufnahmekapazitäten austauschen. Die Solidarität müsse sichergestellt sein, so die Sprecherin weiter.

Überwachung auf dem Brenner intensiviert

Auch aus dem österreichischen Innenministerium hieß es am Donnerstag, man stehe mit den italienischen Behörden in Kontakt: "Wir werden über die Situation informiert." Zugleich würde die Überwachung auf dem Brenner intensiviert. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass die meisten Migrantinnen und Migranten in Italien bleiben oder nach Frankreich weiterreisen. In Italien gebe es eher Arbeit als etwa in Österreich - in erster Linie aber in der Schattenwirtschaft, beispielsweise als Tomatenpflücker. Menschen aus französischsprachigen afrikanischen Ländern ziehe es vermutlich auch stärker nach Frankreich als nach Österreich.

Fest steht für Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), dass "die EU-Kommission bei der Bekämpfung von Schlepperkriminalität und Asylmissbrauch noch konsequenter, strenger und schneller werden muss. Schnellen Außengrenzverfahren und Abschiebungen, ein starker Grenzschutz und die Möglichkeit für Asylverfahren außerhalb Europas sind erste Schritte in die richtige Richtung."

Die Sprecherin der Grünen für Außenpolitik, Migration und Menschenrechte, Ewa Ernst-Dziedzic, fordert gegenüber der APA "endlich faire Verteilquoten auf alle Mitgliedsstaaten und mehr Solidarität". Es brauche "legale und sichere Fluchtrouten, auch um zukünftige Tragödien zu verhindern", so Ernst-Dziedzic. "Eines muss uns klar sein: Flucht von Menschen aus Staaten, die von Krieg, Putsch, Perspektivlosigkeit oder Klimawandel stark betroffen sind, wird zunehmen, wenn wir die Wurzeln der Vertreibung nicht konkret bekämpfen und dafür die internationale Zusammenarbeit verstärken."

Kritik an der heimischen Bundesregierung formuliert die Sprecherin für Inneres, Asyl und Migration der NEOS, Stephanie Krisper: Das derzeitige Asylsystem funktioniere nicht, die Regierung müsse "endlich Lösungen vorantreiben". Dazu zählt Krisper "legale Fluchtwege, schnellere Verfahren an den Außengrenzen, die Umsetzung einer Residenzpflicht und Rückführungsabkommen, damit Menschen, die Schutz brauchen, in Europa und in Österreich Schutz bekommen, und jene, die keinen Schutz brauchen, konsequent und rasch wieder abgeschoben werden".

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(Quelle: apa)

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