Welt

Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz (86) verstorben

Kertesz beschäftigte sich mit dem Überleben in totalitären Systemen
Veröffentlicht: 31. März 2016 14:44 Uhr
Der ungarische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 86 Jahren nach langer Krankheit in seiner Wohnung in Budapest. Dies berichtete die Nachrichtenagentur MTI unter Berufung auf seinen ungarischen Verleger. Auch der Rowohlt Verlag bestätigte den Tod des Schriftstellers, der seit Jahren an der Parkinson-Krankheit gelitten hatte.

Kertesz wurde am 9. November 1929 in Budapest als Kind einer jüdischen Familie geboren. Als Jugendlicher überlebte er die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Die damaligen Erlebnisse flossen in sein Hauptwerk "Roman eines Schicksallosen" ein. Zugleich beschäftigte sich Kertesz in seinen Romanen und Essay-Bänden intensiv mit dem totalitären Sozialismus, den er als Erwachsener in seiner Heimat Ungarn erlebte.  

2002 erhielt Kertesz als erster Ungar überhaupt den Literaturnobelpreis. Die Schwedische Akademie schrieb in ihrer Begründung: "Kertesz literarisches Werk erforscht die Möglichkeit, noch als Einzelner in einem Zeitalter zu leben und zu denken, in dem die Menschen sich immer vollständiger staatlicher Macht untergeordnet haben." Auschwitz sei für den Ungarn keine Ausnahmeerscheinung, sondern "die letzte Wahrheit über die Degradierung des Menschen im modernen Dasein".

Die Anerkennung in seiner Heimat blieb Kertesz jedoch lange Zeit versagt. In den 2000er-Jahren lebte er längere Zeit in Berlin. 2012 zog er nach Budapest zurück. Zu diesem Zeitpunkt litt er schon seit mehreren Jahren an der Parkinson-Krankheit, die ihn in seinem Schaffen zunehmend einschränkte. 2014 erhielt er den Stephansorden, die höchste staatliche Auszeichnung Ungarns. 

Ein Abschlussband der Tagebuchveröffentlichungen Kertesz' soll im Herbst auf Deutsch herauskommen. Dies kündigte der Rowohlt Verlag an. Der Band sei am 10. März in Ungarn erschienen. Die deutsche Übersetzung wird den Titel "Der Betrachter - Aufzeichnungen 1991-2001" haben. Das Reinbeker Verlagshaus veröffentlichte zuletzt "Letzte Einkehr" (2013), die Tagebücher von 2001 bis 2009,  sowie ein Roman-Fragment unter dem selben Titel (2015). "Er war einer der Großen der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts", würdigte Rowohlt den Autor.

"Imre Kertesz war einer der großen Mahner und einer der ganz großen Schriftsteller unserer Zeit", würdigte Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) den Literaturnobelpreisträger als einen der wichtigsten Autoren der europäischen Moderne, der auch die kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremen Strömungen im heutigen Europa nicht gescheut habe. Man müsse ihm dankbar sein für "all sein kreatives und zum Nachdenken anregendes Schaffen". Auch die jüdische Gemeinde in Österreich zollte Kertesz in einer Aussendung Anerkennung: "Imre Kertesz hat als Überlebender des Holocaust ein eindringliches Zeugnis gegeben, das in seiner grandiosen literarischen Form auch künftige Generationen erreichen wird", so Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde.

Der Budapester Oberbürgermeister Istvan Tarlos bezeichnete in einem Kondolenzschreiben den Tod von Kertesz als "unersetzbaren Verlust für die ungarische Kultur". Der Verstorbene war seit 2002 Ehrenbürger der ungarischen Hauptstadt. Ihr Beileid drückten auch der ungarische Minister für Human-Ressourcen, Zoltan Balog, und der aus Ungarn stammende EU-Kommissar für Erziehung und Kultur, Tibor Navracsics, aus. "Er war einer der einflussreichsten ungarischen Schriftsteller, gerade wegen seiner Sicht auf die Welt", sagte der Leiter des Magveto-Verlags, Krisztian Nyary, der Nachrichtenagentur AFP. "Sein Einfluss auf andere Autoren wird noch viele Jahre zu spüren sein."

In memoriam Imre Kertesz ändert Ö1 sein Programm: Am Freitag wird um 16 Uhr ein "Im Gespräch" mit dem Schriftsteller aus dem Jahr 2001 gesendet.

(Quelle: salzburg24)

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